Ausstellung: "In schwindendem Licht" wird am Sonntag im Jüdischen Betsaal eröffnet / Künstler kommt zum Gespräch

Eine neue Ausstellung "In schwindendem Licht" im Museum Jüdischer Betsaal in Horb widmet sich ab Sonntag den Juden in Osteuropa. Der Fotograf Christian Herrmann wird zur Eröffnung im Betsaal über seine Arbeiten Sprechen.

Horb. Die osteuropäischen Juden bildeten bis zur Shoa die größte jüdische Bevölkerungsgruppe weltweit. Sie entwickelten eine eigene jüdische Gelehrsamkeit und besondere Formen der religiösen Praxis.

Der Schriftsteller und Journalist Joseph Roth schrieb 1927 in einem Bericht über seine Heimatstadt Brody in Ostgalizien, heute Polen: "Die Stadt hat 18 000 Einwohner, von denen 15 000 Juden sind. Unter den 3000 Christen sind etwa 100 Händler und Kaufleute, ferner 100 Beamte, ein Notar, ein Bezirksarzt und acht Polizisten. Von den 15 000 Juden leben 8000 vom Handel. Sie sind kleine Krämer, größere Krämer und große Krämer. Die anderen 7000 Juden sind kleine Handwerker, Arbeiter, Wasserträger, Gelehrte, Kultusbeamte, Synagogendiener, Lehrer, Schreiber, Thoraschreiber, Tallesweber, Ärzte, Advokaten, Beamte, Bettler und verschämte Arme, die von der öffentlichen Wohltätigkeit leben, Totengräber, Beschneider und Grabsteinhauer. Die Stadt hat zwei Kirchen, eine Synagoge und etwa 40 kleine Bethäuser. Die Juden beten täglich dreimal. Sie müssten sechsmal den Weg zur Synagoge und nach Hause oder in den Laden zurücklegen, wenn sie nicht so viele Bethäuser hätten, in denen man übrigens nicht nur betet, sondern auch jüdische Wissenschaft lernt."

Diese Welt gibt es nicht mehr und nur die literarischen Zeugnisse deutsch- und jiddischsprachiger Schriftstellerinnen und Schriftsteller erzählen uns davon, wie die Menschen in Galizien, in der Bukowina, in Polodien und Wolhynien einst gelebt haben. Und überall gibt es bauliche Spuren: zerfallende oder umgenutzte Synagogengebäude, versinkende Friedhöfe oder verblichene Beschriftungen an Häusern.

Diese Spuren gehören zu den Motiven des Kölner Fotografen Christian Herrmann, dessen eindrucksvolle Bilder ab 18. August im Museum Jüdischer Betsaal am Ihlinger Tor zu sehen sind. Es sind letzte Zeugnisse einer ausgelöschten, multi-ethnischen, vielsprachigen Lebenswelt in unseren östlichen Nachbarländern Polen, Ukraine und Ungarn. In Czernowitz, ehemals das kulturelle Zentrum der Bukowina, die wie die anderen alten Landstriche einst zur Habsburger Monarchie gehörte, wurde rumänisch, polnisch, ukrainisch, deutsch und jiddisch gesprochen. Noch einmal Joseph Roth über Galizien: "Die Menschen verschiedener Nationalitäten unterschied man nicht, weil jeder in allen Sprachen redete."

Zur Eröffnung der Ausstellung am Sonntag, 18. August, um 16 Uhr wird Christian Herrmann anwesend sein und mit Michael Zerhusen über seine Spurensuche und seine Arbeiten sprechen.

"In schwindendem Licht – Spuren jüdischen Lebens in Osteuropa" zeigt Fotografien von Christian Herrmann vom 18. August bis zum 29. Dezember im Museum Jüdischer Betsaal Horb, Fürstabt-Gerbert-Straße 2. Geöffnet: samstags und sonntags von 14 bis 17 Uhr oder nach Vereinbarung.

Weitere Informationen: www.ehemalige-synagoge-rexingen.de