Kultur: Uraufführung der "Flecken"-Filme im Künstlerhaus zeigt künstlerische Potenziale / Zum Schluss gibt es "Flecken-Teufel"

Die Filmpremiere der Kurzfilm-Reihe im Künstlerhaus begeistert. Kein Wunder: Josef Nadj als Sherlock Holmes, die Lebensgeschichte von Yveline Ponnau, die Kaktus-Performance von Elisabeth Kaiser. Und Holger Dopp bringt "Drogen" mit.

Horb. Das Künstlerhaus ist voll. Innen: Überall Leinwände, Kostüme, Storyboards und Filmscheinwerfer. Premiere des Kunstprojekts Flecken. Die Idee: In sechs Kurzfilmen Orte aus Horb zu zeigen und die Geschichten, die den Impulsgebern dazu einfallen. Julia Wagner hat das Kleid mit Notenschlüsseln an, das sie auch in ihrem Musikvideo trägt.

Doro Jakubowski: "Die Herausforderung für uns Macher war die Waagschale: Wie viel dürfen wir selbst uns einbringen und wie viel die Impulsgeber?" Und in den sechs Filmen sieht man, dass das gelungen ist.

Film 1

Descendants – auf Deutsch: Nachkommen. Die Story von Katharina Wagner (11), bekannt vom Chamäleon-Theater. Ihre Eltern leben mit ihr im Wald, trockene Öko-Kost wie pürierte Tannenzapfen kommen auf die Teller. Doch die Eltern wollen Katharina ins Internat schicken – hier haben sie vor Jahren eine wertvolle Brosche geklaut und versteckt. Katharina macht’s – lernt Mitschüler Holmesrun (Luis Schneiderhan) kennen und verliebt sich in ihn. Doch der Vater ihres Freundes ist Sherlock Holmes – alias Josef Nadj. Als sein Gesicht mit der Mütze des englischen Kult-Detektivs auftaucht, lachen alle. Der fahndet seit Jahren nach der Brosche. Irgendwann findet Katharina die Brosche, und zeigt sie Holmesrun. Das Ende: Katharina gesteht die Schuld ihrer Eltern, Nadj bringt den Diebstahl zur Anzeige. Katharina hält Händchen mit Holmesrun. Close Up auf ihr Gesicht – sie denkt an ihre Eltern und schaut verzweifelt. Klasse: Katharina tritt in einigen Szenen live als Erzählerin neben der Leinwand auf. Und auch von den frechen Kommentaren und Fragen von Rauna – Töchterchen von Künstlerhaus-Bewohnerin Mimosa Pale – lässt sie sich nicht aus dem Konzept bringen.

Film 2

Der Artpark von Michael Widmann. Feuilletonistisch. Die Stoffe aus der Tuchweberey werden mit den Kunstwerken und der Natur des "Stadtpärkle" kombiniert – zu den Erklärungen Widmanns entsteht eine Bilder- und Eindrucksflut. Widmann sagt im Film: "Der alte Friedhof gibt Kraft für neues Leben. Denn auf dem Wissen der Generationen wird die Zukunft gebaut."  Doppelt bewegend, weil Widmann gerade ein en Trauerfall in der Familie hat.

Film 3

Das Musikvideo von Julia Wagner – Katharinas älterer Schwester. Julia: "Ich habe mit meiner besten Freundin ein Lied geschrieben und das Storyboard für ein Video gemacht. Doch deren Eltern wollten nicht, dass ihre Tochter überall im Internet zu sehen ist. Das kann ich natürlich verstehen – aber ich war traurig. Da habe ich dann das Lied ›Search‹ geschrieben und gesungen." Und das Musik-Video ist mit einfachen Mitteln inszeniert und fasziniert trotzdem: Julia holt das Notenschlüssel-Kleid aus dem Schrank und öffnet die Tür. Hier ist die Ihlinger Wiese zu sehen. Dann liegt sie im Gras, und ihre Schwe stern tanzen fröhlich um sie, während die Sängerin traurig singt. Die Blicke, die Bewegungen, die Inszenierung der Sängerin – ein faszinierendes Musik-Video.  Julia: "Eine besondere Ehre für mich war, dass der Filmmusik-Produzent Roderick Vanderstraeten als absoluter Profi nichts an meiner Aufnahme verändert hat!"

Auch Julias und Katharinas Oma Christa Wagner ist begeistert: "Zwei tolle Videos. Ich finde es klasse, was meine Enkelinnen da machen!"

Film 4

Pantha Rei. Alles fließt. Die persönlichste Story, denn sie erzählt in Bildern und Worten die Lebensgeschichte von Yveline Ponnau. Der Lebenslauf mit Geburt der Tochter und Trennung vom Mann wird von Karla Kreh mit den verschiedenen Ortswechseln mit Karten, Orten und Pfeilen gezeichnet. Umzug nach Horb: Der Gang über den Flößersteg – erst farbentsättigt, dann Schwenk auf den Neckar. Hier waschen sich dann Doro, Elisabeth und Steffi – die Reinigung. Yveline malt. Dann zeigt sie ihre Skizzenbücher. Zum Schluss schaut erst sie durch die Lochblende, dann lacht das Töchterchen.

Film 5

D er Affenbaum. Diet Rahlfs: "Der Impulsgeber will anonym bleiben. Seine Erzählungen haben mich so inspiriert, dass ich sofort ein Märchen geschrieben habe. Darauf basiert der Film." Die Story: Ein Flößer fällt die Bäume, bindet sie am Flößerwasen zusammen und macht sich auf die Fahrt Richtung Rhe in. Um die Länge der Fahrt darzustellen, lässt Filmemacher Rahlfs drei Minuten eine Einstellung laufen: Der Flößer von unten auf dem Wasser. Die Wassertropfen fließen nach und nach über die Linse. Dann historische Markt-Bilder und passende O-Töne. Der Flößer kauft eine Medizin mit dem Samen für den Affenbaum. Dann nimmt plötzlich eine Animation wie bei der "Sendung mit der Maus" optisch die Schwere raus. Luzifer und die gute Seite kämpfen um den Baum. Luzifer – verkörpert von Elisabeth Kaiser, die lüstern gurrend den maskulinen Baumkörper streichelt. Doch das Gute siegt: Doro als gute Königin verschmilzt mit dem Baum.

Film 6

Sexy Planet Kaktus. Wir erinnern uns alle an die verstörende Performance der Kaiser im Kakteengarten – wie eine Furie ist die Künstlerin damals durch die stacheligen Pflanzen. Wälzte sich, leckte die Stacheln ab. Rahlfs Film 2018 zeigt eine komplett andere Seite: Die Kaiser diesmal sexy. Kokett, im rosa-gelben Kleid im Look der Barsängerin der 50er. Küsst zärtlich die Stacheln, gurrt erotisch. Und schon steht er. Der Kaktus natürlich. Steffi Müller flüstert mir ins Ohr: "Das Teil ist sechs Meter groß!"

Sechs Filme. Sechs Genres, Storys, Elemente und ein Bilderrausch, der ans Herz gehen kann. Da kann man schon auf Drogen kommen… Dafür sorgt diesmal der Empfinger "Kakteendoktor" Holger Dopp. Zu den mexikanischen Gitarrenstücken von Christoph Schmitz liest er aus Egon Erwin Kischs "Entdeckungen in Mexiko". Eine Story über den Peyotl – den Drogenkaktus der Indios. Den hat er natürlich auch dabei. Dopp: "Der wurde mir auch schon aus dem Gewächshaus gestohlen, wie der Schwarzwälder Bote berichtet hatte." Allerdings nicht wegen des Drogengehalts, sondern weil er so selten ist. Übrigens: An Dopps Peyotl im Künstlerhaus ist nicht viel Berauschendes. Der Experte: "Bei unserer Sonneneinstrahlung sind die Meskalin-Anteile deutlich geringer als in Mexiko."