Beim Bahnhof Horb trieb er sein Unwesen: Sascha K., gegen den das Landgericht Rottweil verhandelt. Foto: Hopp

Sascha K. will nicht in Psychiatrie. Gutachter: "Wenn er frei kommen sollte, fängt er wieder an zu trinken."

Horb - Gerichtsgutachter Charalabos Salabasidis ist sich sicher: Der Horber "Bahnhofs-Pöbler" ist ein hoffnungsloser Fall! Laut Staatsanwalt Frank Grundke ist sein Gutachten "vernichtend" für Sascha K. (Name geändert).

Die Beweisaufnahme ist abgeschlossen. Staatsanwalt Frank Grundke hat schon plädiert. Er fordert die Unterbringung in einer Psychiatrie. Auf Dauer. Ersatzweise ein Jahr und zehn Monate Freiheitsstrafe.

Und der Angeklagte? Er gibt sich plötzlich kleinlaut mit Hut und bittet die Presse, ihn nicht mehr Bahnhofs-Pöbler zu nennen. Doch weil alle Zeugen – egal ob Opfer, Betroffene oder Polizisten – unisono von seinen Pöbeleien berichten, wird er diese Bezeichnung so schnell nicht los werden.

Sascha K. sagt nach dem psychiatrischen Gutachten: "Falls ich in einer Psychiatrie untergebracht werden sollte, dann lege ich die deutsche Staatsbürgerschaft ab und lasse mich nach Kasachstan abschieben. Dort finde ich die Behandlung, die ich brauche."

Der Bahnhofspöbler: Monatelang hatte er alle rund um den Bahnhofsvorplatz terrorisiert. Vor Gericht versucht er, Verständnis zu wecken. Mit Stellungnahmen wie diesen: "Ich war einfach böse. Das war nicht schön. Wenn ich trinke, versuche ich, allein zu trinken. Jeder Mensch ist nicht gut, wenn er betrunken ist. Statt in die Psychiatrie möchte ich ins Gefängnis. Dort gibt es alles: Einen Wasserkocher, Fernseher, und ich kann in die Schule gehen."

Richter Karlheinz Münzer: "Sie wollen also lieber so leben, dass Sie rauchen, essen und Ausgang haben können wie Sie wollen?"

Sascha K.: "Das ist die normale Art zu leben. Das will ich auch."

Gerichtsgutachter Charalabos Salabasidis, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, sagt dagegen: K. ist ein hoffnungsloser Fall. Warum? Das steht in dem bereits dritten Gutachten über Sascha K., das Salabasidis erstellt hat. Am 24. Juli 2005 stürzte K. betrunken auf einen Stein, fiel ins Koma. Die Folge: Ein hirnorganisches Psychosyndrom. Die Verletzungen des Hirns wurden mehrmals im Krankenhaus behandelt – ohne große Besserung. Salabasidis: "Ich habe keinen Zweifel an dieser krankhaften seelischen Störung." Dazu kommt noch seine Herion-, Methadon- und Alkoholsucht. Salabasidis: "Durch das Schädel-Hirn-Trauma wurden die kognitiven Fähigkeiten geschädigt. Und die Neuronen, die die Informationen speichern, werden durch den Alkoholismus weiter geschädigt."

Die Folge, so der Gutachter: Selbst, wenn Sascha K. nüchtern ist, zeigt er das typische Verhalten dieser Symptome: "Er ist latent reizbar, leicht übergriffig, reagiert ungehalten und impulsiv. Seine Persönlichkeitsstruktur ist auf schnelle Bedürfnisbefriedigung ausgerichtet. Er kann sich auch nichts merken. Er ist konfus und widersprüchlich –jetzt auch in den kurzen Gesprächen in der Pause. Er kann seine Probleme nicht anders lösen als durch aggressives Verhalten. Das zieht sich durch seit dem Jahr 2002."

Der Angeklagte hatte immer wieder auf einer Therapie bestanden. Gutachter Salabasidis sagt jedoch: "Das ist aufgesetzt und vordergründig. Kognitiv ist er durch seine Symptomatik nicht in der Lage für eine Therapie. Deshalb wurde er in der Vergangenheit schon aus einer Fachklinik in Tübingen entlassen. Eine Heilung oder deutliche Besserung des Zustands ist meiner Meinung nach nicht abzusehen."

Ein hoffnungsloser Fall? Staatsanwalt Grundke will wissen, welche Prognose der Gutachter dem "Bahnhofs-Pöbler" gibt. Salabasidis gibt zu bedenken: "Ein besseres Bild als hier im Gericht werden wir nicht erleben. Seit 2005 wird es immer schlimmer mit ihm. Das geht nicht mehr weg."

Wolfgang Wieser, Verteidiger des Angeklagten, will wissen, ob Medikamente helfen könnten. Salabasidis: "Unter den Psychopharmaka haben wir nichts, um diese Symptomatik zu bessern. Es gibt höchstens Mittel, um die emotionalen Schwankungen etwas auszugleichen." Wieser: "Was wäre mit einer Therapie?" Salabasidis: "Damit könnte man ihm ein bisschen mehr auf die Spur helfen, ihn ein bisschen motivieren. Die Hirnschäden sind nicht mehr rückgängig zu machen." Der Verteidiger: "Und wenn er dauerhaft den Alkohol weg lässt?" Der Gutachter: "Auch ohne Alkohol ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er wieder aggressiv wird. Sobald der Angeklagte wieder entlassen wird, wird es nicht lange dauern, bis er wieder trinkt! Schon in der jetzigen Unterbringung in der Psychiatrie Reichenau kommt er schnell an seine Grenzen!"

Am Montagvormittag soll nach dem Plädoyer des Verteidigers das Urteil fallen.