Mittleres Nachfragepotenzial, das bedeutet in der Konsequenz zunächst einmal eine vertiefende Potenzialanalyse und eine Machbarkeitsstudie, bevor man weitere Schritte angehen kann. Haben also durch die Einstufung in Klasse C alle Haigerlocher und Horber Träume von einer Reaktivierung der Eyachtalbahn einen Dämpfer erhalten? Mitnichten, wie "Bahn-Aktivistin" und Haigerlocher Gemeinderätin Anne Judersleben die Aussagen und Ergebnisse der gut zweistündigen Video-Konferenz des Ministeriums am Dienstag mit Kommunalpolitikern aus dem ganzen Land deutet.
Nach wie vor sieht sie viele starke Argumente, die für Personenverkehr zwischen Eyach und Hechingen sprechen. Zuvorderst: Das Schienennetz ist dank der Nutzung und Pflege durch SWEG/HzL laut Judersleben "in einem Eins-a-Zustand", in die Ertüchtigung zweier Bahnübergänge in Stetten und Bad Imnau werden schon jetzt sechsstellige Summen investiert. Die Bahnhöfe in Eyach und Hechingen seien zudem Drehkreuze für Fahrten in Richtung Horb/Schwarzwald, oder in die Zentren Reutlingen und Tübingen.
Und auch in anderen Punkten hat man aus ihrer Sicht gegenüber potenziellen Mitbewerbern die Nase leicht vorn. Die für Kategorie C geforderte Machbarkeitsstudie liegt bereits vor, diese wurde 2004 vom Regionalverband Neckar-Alb angefertigt. Zu prüfen ist allerdings, ob sie noch zeitgemäß ist oder überarbeitet werden muss. Anne Judersleben hat die Studie deshalb an Petra Strauss von der PTV weitergeleitet.
Und noch etwas hält die Haigerlocher Kommunalpolitikerin für wichtig. Die einmal genannte Schranke, dass von den eingereichten 42 Projekten nur 15 gefördert würden, ist längst gefallen, das hat auch Gerd Hickmann vom Verkehrsministerium in der Videoschalte bestätigt.
Zudem hat Verkehrsminister Hermann betont, dass Projekte aus niederen durchaus in höhere Kategorien aufsteigen können. Dann nämlich, wenn erkennbar sei, dass die betreffende Region oder Kommune hinter dem Projekt stehe. Wer Entschlossenheit zeige und rasch handle, kommt laut ihm nach dem "Windhundprinzip" auch schnell dran.
Auch hier sieht Anne Judersleben das Projekt Eyachtalbahn gut aufgestellt: "Mit den positiven Beschlüssen der Gemeinderäte Haigerloch, Horb, Hechingen und Rangendingen haben wir bereits eine breite politische Basis geschaffen." Dass nichts von heute auf morgen passiert, darüber macht sie sich keine Illusionen: "Es braucht einen langen Atem". Wobei sie schon so ehrgeizig ist und als Zeithorizont für ein mögliche Reaktivierung der Eyachtalbahn die nächsten fünf Jahre nennt.
Auch für Horb ist der "Eyachtäler", wie die Bahn im Volksmund genannt wird, interessant – momentan vor allem für den Urlaub- und Freizeitverkehr: An Sonn- und Feiertagen fährt ein Zug vier Mal zwischen Hechingen und Eyach hin und zurück, es gibt ein paar Güterzüge, doch ansonsten herrscht Ruhe auf den Gleisen im Eyachtal.
Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung Ende Juli einstimmig die Unterstützung einer Resolution der Stadt Haigerloch zur Reaktivierung der Bahn beschlossen.
Eine attraktivere Eyachtalbah n – was würde sie für Horb bringen? In der Resolution gibt es ein Argument: "Alle Bewohner entlang der Bahnstrecke können durch eine Anbindung via Schienenpersonennahverkehr an die lokalen Verdichtungsräume Hechingen, Horb und Rottenburg profitieren. Außerdem ist ein Anschluss an die Ballungsgebiete Tübingen, Reutlingen und Stuttgart ressourcenschonend möglich."
Eine Machbarkeitsstudie aus den Jahren 2001 bis 2004 zeigte schon damals auf, dass ein erhöhtes Nachfragepotenzial vorliegt. "Leider wurde das Projekt damals nicht weiterverfolgt, weswegen dem Projekt eine neue Chance gegeben werden soll", argumentiert die Stadt Haigerloch.
Auch der Horber SPD-Stadtrat Dieter Rominger-Seyrich setzt sich für die weitere Belebung der Eyachtalbahn für den Personenverkehr ein. Er sieht die Potenzanalyse des Landes und ihre Einteilung in die Nachfrage-Kategorien A bis C als bedingt aussagekräftig. A steht für hohes Nachfragepotenzial, zum Beispiel für die Strecke "A01" von Reutlingen nach Kleinengstingen. Rominger-Seyrich, der aus Reutlingen stammt, wundert sich: "Dort liegen nicht mal mehr Schienen."
Ein Eintrag auf Wikipedia bestätigt: "Der 15,28 Kilometer lange nördliche Teilabschnitt Reutlingen–Kleinengstingen ist heute stillgelegt, dieser Abschnitt wurde größtenteils zu einem Bahntrassenradweg umgewidmet."
Ganz anders die Eyachtalbahn mit ihrem guten Zustand. "Man könnte die Eyachtalbahn eins zu eins reaktivieren", ist sich Rominger-Seyrich sicher. Er glaubt sogar, dass die Aussichten für eine Reaktivierung der Bahnstrecken noch nie so gut gewesen seien wie jetzt. Die Fördersätze seien hoch. "Jetzt müssen wir in die Puschen kommen", meint Rominger-Seyrich. Stadt und Gemeinderat sollten sich für die Eyachtalbahn einsetzen.
Die Bahn
Bei der Eyachtalbahn handelt es sich um eine Trasse, die von der SWEG (ehemals Hohenzollerische Landesbahn, HzL) betrieben wird. Züge, oder vielmehr Schienenbusse, fahren von Mai bis Oktober an Sonn- und Feiertagen zwischen 11 bis 17 Uhr mit jeweils vier Fahrten je Richtung. Die erste Bahn von Eyach Richtung Hechingen geht um 11.04 Uhr, letzte Rückfahrmöglichkeit ab Hechingen ist um 16.14 Uhr. Außerdem fahren auch Güterzüge auf der Bahn. Am Bahnhof Eyach besteht Anschluss an das Schienennetz in Neckartal
Baulicher Zustand
Das Gleisbett des "Eyachtälers" ist laut der Stadt Haigerloch in einem guten Zustand. Über die Jahre hinweg ist fortlaufend in den Erhalt und die Instandsetzung investiert worden. In den beiden kommenden Jahren werden die Bahnübergänge in Stetten und Bad Imnau erneuert. Technisch gesicherte Bahnübergänge, die den Anforderungen der heutigen Zeit entsprechen, werden installiert. Als weitere Infrastruktur, die eingerichtet werden muss, sieht die Stadt Haigerloch Haltestellen und Park-and-Ride-Plätze.
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