Aziz Seker steht in seiner Werkstatt neben dem einzigen Auto, das keinen Schaden genommen hat. Der Golf war schon vor dem Hochwasser aufgebockt. Foto: Müssigmann

Werkstattbetreiber aus Mühringen hat mit den Folgen des Hochwassers zu kämpfen. Ärger mit Versicherungen.

Horb-Mühringen - Das Hochwasser vom 1. Juni hat alles weggespült, was sich Aziz Seker in den letzten sieben Jahren aufgebaut hat: In seiner Mühringer Autowerkstatt stand das Wasser fast 40 Zentimeter hoch. Seither kann er nicht mehr arbeiten, weil die Versicherung wichtige Geräte mitgenommen hat.Aziz Seker (41) blickt ins Leere. Im wahrsten Sinne des Wortes. In seiner Werkstatt, "Checkers Autoservice", steht kein Kundenfahrzeug wie sonst an einem Donnerstagnachmittag. Seit viereinhalb Wochen ist seine Werkstatt lahmgelegt. Und wenn er anfängt zu erklären, warum, dann landet er immer wieder bei der Versicherung. "Bei Sonnenschein geben sie dir einen Regenschirm, und wenn’s regnet, dann nehmen sie ihn dir wieder weg", sagt er.

Seine Schweißgeräte und andere Maschinen wurden von der Versicherung abgeholt, um sie zu untersuchen, ob sie noch zu retten seien. "Zwei Wochen später hab ich angerufen, und gefragt, was jetzt los ist", erzählt Seker. "Dann sagen sie mir: Die Maschinen sind kaputt. Das hätte ich denen gleich sagen können. Die standen komplett im Wasser." Seker schüttelt den Kopf. Und er hat noch mehr solcher Geschichten auf Lager: Die Versicherung hat ihm einen Putztrupp geschickt, der die Bremsentestanlage im Werkstattboden gereinigt hat. Erst danach ist ein Fachmann beauftragt worden, der feststellte, dass auch diese – nun fein säuberlich gereinigte – Anlage kaputt ist.

Geld, das Seker dringend bräuchte, um Ersatz zu beschaffen, hat er noch nicht ausgezahlt bekommen. Für die Schadensauflistung habe er 26 Ordner durchgewühlt. Nach Kosten einzelner Maschinen und denen, die für den Einbau des Kundenempfangs in der Hallenecke angefallen sind. Was ihm die Versicherung aber bisher gegeben hat, ist nicht mehr als ein schlechtes Gefühl: Für Sekers Ohr schwingt in den unzähligen kritischen Fragen der Gutachter die nicht ausgeschlossene Variante mit, dass er aus dem Unglück Profit schlagen wolle. Warum er drei Schweißgeräte habe? Seker gerät in Rage und sagt ironisch: "Klar, ich hatte einen guten Riecher, wusste dass Hochwasser kommt und hab noch das Schweißgerät von einem Kumpel hier reingelegt." Er schüttelt nur den Kopf. Seker glaubt, dass alles schneller abgewickelt würde, wenn er ein großes Unternehmen mit Rechtsabteilung wäre, das in einem Glaspalast sitzt. "Aber da steht ja nur einer in seinen Arbeitsklamotten. Nicht mal 1,70 groß", sagt Seker und meint damit sich selbst. "Sehr wahrscheinlich komme ich um einen Rechtsbeistand nicht herum."

Es gibt Momente, in denen er verzweifelt: "Mental, psychisch, seelisch bin ich dem allem hier nicht gewachsen", sagt er und hält inne. "Für mich ist das einfach zu viel." Aziz Seker sitzt niedergeschlagen hinter dem Tresen im Empfangsraum. Doch es gibt auch Momente, die ihn aufgebaut haben: ein Anruf einer mitfühlenden Kundin, Bekannte, die ihm Hilfe anbieten und stundenlang in der Werkstatt rackern.

2006 hat Seker die Werkstatt eröffnet, ganz klein habe er angefangen und sei seither stetig gewachsen. Bis zum 1. Juni. Am besagten Samstag macht Aziz Seker um 16.30 Uhr Feierabend, sein Lieblingsauto, einen metallic-grünen Audi fährt er noch aus der Senke im Hof, in der sich gerne Regenwasser sammelt, an eine leicht erhöhte Stelle gefahren. Und er läuft extra noch zur Eyach, der Pegel ist nicht alarmierend hoch. Es hat aufgehört zu regnen. "Da kommt nichts mehr", sagt er sich und fährt nach Hause, nach Ergenzingen. Am Abend erreicht ihn ein Anruf als er auf einer Hochzeitsfeier ist: "Ihre Werkstatt steht unter Wasser." Er glaubt an einen schlechten Scherz, bis er bemerkt, dass er mit der Polizei spricht.

Er rast nach Mühringen und kann gerade noch seine Computer retten, die auf der Schreibtischplatte stehen. Vieles andere ist längst abgesoffen. Im Hof stehen 21 Autos im bis zu 78 Zentimeter tiefen Wasser. 14 davon gehören ihm selbst, Gebrauchtwagen, die er herrichten wollte, darunter sogar Oldtimer. Nicht angemeldet, nicht versichert. "Wenn man im Schnitt 2000 Euro Wert annimmt, weiß man, was kaputt ist." Rund 28 000 Euro also allein auf dem Hof verloren.

Seit der Flut hat er mit etlichen Helfern geputzt und aufgeräumt, telefoniert und Gutachter durch die Halle geschleust. Zehn- oder Elfstundentage an sieben Tagen pro Woche habe er seit dem Unglück. Im Empfangsraum liegt ein vier mal zusammengeklappter Perserteppich auf dem Boden, darauf liegen zwei zerknautschte Decken. Seine zweieinhalbjährige Tochter hat hier Mittagschlaf gemacht, als er mit seiner Frau und etlichen Helfern tagelang geputzt hat. "Das hat mir in der Seele weh getan. So etwas sehen die Gutachter halt nicht." Abschalten kann er zur Zeit nur noch beim Tischtennistraining.

Drei Monate wird es dauern, bis die Werkstatt wieder normal läuft, schätzt er. Inzwischen hat er begonnen zu improvisieren, um kleinere Aufträge zu erledigen. Er hat dieser Tage schon bei einem befreundeten Werkstattmeister Reifen ausgewuchtet, um sie einem seiner Kunden montieren zu können. Ihm selbst fehlt das Gerät. "Treue Kunden gehen nicht neben raus, die warten noch, aber ewig kann man sie nicht hinhalten", sagt er.

Bei allem, was er erzählt, ist ihm eines wichtig: "Ich will kein Mitleid." Seker setzt einen beharrlichen Blick auf. Er mag zwar keinen Regenschirm mehr haben. Aber seine Hoffnung hat er behalten. "Irgendwie geht’s weiter. Nach jedem Regen kommt Sonnenschein."