Vor dem Landgericht Rottweil muss sich ein Mann aus Nordstetten für mehrere Straftaten verantworten. Foto: Müssigmann

Psychiatrisches Gutachten: 35-Jähriger bei seinen Taten durch Krankheit stark beeinflusst.

Horb-Nordstetten/Rottweil - Der Prozess um den sogenannten "Autokratzer von Nordstetten" neigt sich seinem Ende zu. Für den morgigen Donnerstag wird das Urteil erwartet. Am gestrigen Dienstag gab ein Gutachter Einblick in die Psyche des 35-jährigen Angeklagten.

Dem Mann aus Nordstetten, der sich vor dem Landgericht Rottweil verantworten muss, wird vorgeworfen, mehrere Straftaten zwischen Mai 2016 und Juli 2017 verübt zu haben – darunter Körperverletzungen, Beleidigungen und Schabeschädigungen.

Ein Facharzt für Psychiatrie des Freudenstädter Klinikums, wo der 35-Jährige zwei Mal in stationärer Behandlung war, gab am Dienstag vor Gericht eine Stellungnahme ab. Erster Aufenthalt sei im Jahr 2016 vom 8. Februar bis 26. April gewesen. Dort habe man ihn unter polizeilicher Begleitung eingewiesen. Kurzzeitig habe man den Mann auch "fixieren" müssen, da er "sehr gereizt und angespannt" gewesen sei. Der Angeklagte habe Stimmen gehört und die Diagnose paranoide Schizophrenie sei gestellt worden.

Bezüglich seiner ersten Behandlung habe der 35-Jährige seine Krankheit nicht akzeptieren wollen. "Er war für die Medikamenteneinnahem nicht offen und hat bei Ausgängen Cannabis konsumiert", so der Facharzt. Nach seiner Entlassung wollte der Mann aus Nordstetten sich weiter behandeln lassen, doch habe er die Medikamente nicht oder nicht regelmäßig genommen.

Erneut mit Polizeieinsatz wurde der 35-Jährige am 4. August 2017 nach Freudenstadt gebracht. "Er hörte wieder Stimmen und er wurde nach Gerichtsbeschluss gegen seinen Willen behandelt", schildert der Facharzt weiter. Daraufhin habe man festgestellt, dass die Behandlung wirke. "Er hat sich dann seiner Krankheit eher geöffnet – war konzentrierter und ausgeglichener." Entlassen wurde der Angeklagte am 31. August. Im September 2017 hatte die Staatsanwaltschaft beschlossen, dass der 35-Jährige in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht werden muss.

Neben dem Facharzt für Psychiatrie wurde ebenfalls ein Gutachter gehört, der den Zustand des Angeklagten eingeschätzt hatte. Dieser erklärte, dass der 35-Jährige bereits 2012 mehrmals in Calw kurzzeitig in Behandlung war, zudem auch im Jahr 2013 in einer tagesklinischen Behandlung in Böblingen. Grund sei in dieser Zeit schon eine psychische Erkrankung gewesen. Damals wurde jedoch noch keine klare Diagnose gestellt. Der Angeklagte sei aber jedes Mal "notfallmäßig eingeliefert" worden. Der Gutachter bestätigte, dass er bei dem 35-Jährigen eine paranoide Schizophrenie sehe. Eine "drogendozierte Psychose" durch den Cannabiskonsum des Mannes erkenne er jedoch nicht. Zu den Tatzeitpunkten sei der Angeklagte direkt durch seine Krankheit beeinflusst gewesen. "Einen Beweis für die paranoide Schizophrenie sehe ich auch darin, dass die Medikamente schon zu einer Besserung geführt haben", so der Gutachter, der den 35-Jährigen für therapierbar hält.

Der Gutachter empfahl, dass der Mann mindestens für ein Jahr in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht werden sollte. Danach würde eine ambulanter Behandlung ausreichen, eine dauerhafte Betreuung sei nicht vonnöten. "Er kann aus seinem Leben noch etwas machen, wenn er die Finger von den Drogen lässt." Eine Integration in den Arbeitsmarkt sah er jedoch als schwierig an, da sich der Angeklagte bei seinen früheren Jobs eher "sprunghaft" gezeigt hatte.

Vor der Urteilsverkündung am Donnerstag hatten der Staatsanwalt und der Verteidiger bereis am Dienstag ihre Plädoyers gehalten. Der Staatsanwalt ging dabei auf die verschiedenen Tatkomplexe ein. Die schlimmste Tat sah er im Angriff mit der Bügelsäge, was sich am 1. Januar 2017 ereignet hatte. Dem Gutachten des Psychiaters folgend, erklärte der Staatsanwalt, dass er den Angeklagten ebenfalls für vermindert schulfähig halte. Insgesamt forderte er eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Zudem beantragte er eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.

Der Verteidiger des 35-Jährigen erklärte bezüglich der abweichenden Aussagen seines Mandanten und der Schilderungen der Zeugen, dass das Erinnerungsvermögen des Angeklagten durch seine Krankheit nicht klar sei. Er beantragte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr. "Ein Jahr bedeutet, dass er eine Perspektive hat und ein Licht am Ende des Tunnels sieht." In seinem Schlusswort entschuldigte sich der 35-Jährige für seine Taten und sagte, dass er hoffe, bald wieder in Freiheit leben zu können.

Bei der Verhandlung am Dienstag wurden zudem mehrere Zeugen zu Sachbeschädigungen an Fahrzeugen gehört, die in der Nacht vom 15. auf den 16. November verübt worden waren (wir werden noch berichten).