Keine extravagante Hutkreation: Martina Hehl fällt ein fallender Engel auf den Kopf. Fotos: Morlok Foto: Schwarzwälder-Bote

Ausstellung: Von dunkel-melancholisch bis fröhlich-frisch: Werkschau des Kunstvereins zeigt große Spannbreite

Der Kunstverein Oberer Neckar lud am Sonntag zu seiner Jahrespräsentation "Aktuelles" in die vereinseigene Galerie im oberen Stock des Horber Klosters ein.

Von Peter Morlok

Horb. 16 Künstler, die ihren Jahresbeitrag im Verein entrichten, stellten überwiegend aktuelle Arbeiten aus. Zum ersten Mal präsentiert sich neben Bildhauern und Malern auch ein Literat.

Für Walle Sayer, den Helden des minimalistischen Wortspiels, wurde sogar eine der begehrtesten Flächen, die Wand rechts von der Wendeltreppe beim Aufgang hoch zur Galerie, frei gemacht. Grauer Untergrund, weiße Buchstaben, scheinbar sinnloser Text – die meisten der Besucher gehen daran vorbei ohne es zu bemerken. Sie zieht es in den großen Raum der Galerie, in dem vor drei großformatigen Farblandschaften des Balinger Malers Joachim Wörner das Kuentz-Trio, eine Freudenstädter Jazz Formation, ihre Instrumente aufgebaut hat. Volker Kuentz (Piano), Carl Hermann Graf (Bass) und Harald Rapp (Drums) wurden nicht von ungefähr zum wiederholten Mal zwecks musikalischer Umrahmung einer Vernissage nach Horb geholt. Ihre Art von musikalischem Können swingt, trägt zum Wohlgefühl bei, lässt Raum für Gespräche und ist doch sowas wie eine Art Marker, der die Schönheit der ausgestellten Kunst unterstreicht.

Schaut man sich ein wenig im Raum um, so kommt man sehr schnell zu dem Schluss, dass man über Kunst nicht wirklich streiten kann. Viel zu unterschiedlich sind die einzelnen Ansätze und zu stark die Handschriften, um sich überhaupt noch ums Detail zu kümmern. Entweder es gefällt oder nicht.

Ein Blick über die ausgestellten Werke, und schon weiß man, in welcher Ecke man gelandet ist. Trüb, fast schon depressiv, wirken zwei dunkel gehaltene Ölbilder von Nikola Lukincic. Doch tröstlich, für seine Verhältnisse fast schon heiter und klar strukturiert, ist sein "Raum", der hell daherkommt und voller erkennbarer Menschen ist.

Etwas versteckt, aber trotzdem prägnant: vier Werke von Katrin Kinsler

Gegenüber hängen die runden Bilder von Barbara Jäger, die jedoch vom Entstehungsdatum her nicht mehr ganz so aktuell sind. Läuft man durch die Gänge, kommt man an drei fröhlich frischen Hehl-Bildern in einem der Nebenzimmer vorbei, die alle den etwas augenzwinkernden Titel "Just got paid" (Wurden gerade bezahlt) tragen. Auch findet man etwas versteckt vier typische Kinsler, die durch ihre eigene Formensprache, durch die Raumaufteilung und die filigrane Ausführung Fans der Horber Grafikerin auffallen, ansonsten in der Fülle der ausgestellten Werke – es sind laut Preisliste 61 Exponate – leider etwas untergehen.

Im rechten hinteren Raum, den man erreicht, wenn man sich von den Stockhus Beiträgen losgerissen hat, durfte sich unter anderem die Entdeckung des Jahres 2014, Martina Hehl, präsentieren. Ihre fallenden Engel, Adaptionen zum stürzenden Ikarus, der sich zu nahe an die Sonne wagte und daraufhin abstürzte, könne man getrost als eine Art Gesamt-Metapher für alle die Arbeiten, die bei "Aktuelles" zu sehen sind, betrachten. Jeder Künstler arbeitet in seinem Atelier, um sich aus der Gefangenschaft seiner Inspiration zu befreien. Man malt, sägt, formt, schreibt, druckt, radiert mit Eifer, doch in größter Abgeschiedenheit. Jedoch nicht um abzustürzen, sondern um sich wegen seiner Kunst, seiner Art sich auszudrücken, feiern zu lassen. Man möchte gesehen werden, seine Kunst ausstellen, mit Bewunderern darüber sprechen, sich beklagen, dass das eigene Bild nicht bei der Vorbesprechung in der Zeitung kam und es sich ein paar Stunden einfach gut gehen lassen. Man feiert sich selbst. Bei Vernissagen gibt’s immer eine Rede, diesmal von Benno Müller, der zurückblickte, der in der Gegenwart verweilte und in die Zukunft abschweifte. Es wird smallgetalkt, sich präsentiert und Wein getrunken. Dazu passen die ebenfalls von einem Künstler hergestellten und eigens für den Kunstverein Oberer Neckar kreierten und gebackenen Miniatur-Selen von Helmut Kipp genauso gut wie seine unnachahmlichen Flachswickel. Vor jeder Vernissage des Kunstvereins steht er sonntags in aller Herrgottsfrühe auf und produziert diese kleinen, großartigen Kunstwerke. Er ist der Künstler, der seit Jahren mit am meisten zu den Vernissagen des Kunstvereins beiträgt, der aber dem aktuellen Redner noch nicht einmal eine Erwähnung am Rande wert war. Ein Konditor ist kein Gedicht wert, seine Werke sind zu vergänglich – er ist das 17. Rad am Wagen der Ausstellungen des Kunstvereins. Schade – aber er ist in bester Gesellschaft.