Michael Widmann hat ein textiles Kunstwerk geschaffen, das in der Mühringer Friedenskirche hängt.Foto: Ev. Kirchengemeinde Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: Das Blau für Wasser und Himmel und ein roter Faden: Michael Widman spricht über sein Textilkunstwerk in der Kirche

Horb-Mühringen. Michael Widmann zählt zu den Personen, die trotz der Krise derzeit sehr aktiv sind. Er ist der Migrationsbeauftragter des Kirchenbezirks Sulz und seit 1. April auch für das Haus der Begegnung des Kirchenbezirks Sulz zuständig. Der 53 Jahre alte Sozialpädagoge und Textilkünstler lebt in Horb. Dort organisiert er ehrenamtlich und mit viel Herzblut den Art-Park auf dem Gelände des ehemaligen Friedhofs.

Für die evangelische Kirchengemeinde hat er im vergangenen Jahr an Pfingsten die Friedenskirche in Mühringen mit Tüchern gestaltet. Jetzt soll die Aktion Kunst-in-der-Kirche zum zweiten Mal stattfinden. Zu den Hintergründen beantwortet Widmann einige Fragen.

Was hat Sie gereizt, zum zweiten Mal die Friedenskirche in Mühringen als Kunstwerk mit Ihren Tüchern zu gestalten?

Da gibt es mehrere Gründe. Zum einen habe ich das Gefühl, dass die Kirchengemeinde offen, dynamisch und aktiv ist. Die Gemeinde belebt und regt an. So wie meine Kunst auf Zeit, welche schon 2019 durch die Gemeinde und die Besucher belebt wurde. Wenn ich während der Zeit der Installation in der Kirche verweilte, war immer ein Besucher vor Ort und ich wurde aktiv angesprochen. Bei diesen Begegnungen in der Kirche kam die Begeisterung der Gemeinde mir entgegen. Auch Touristen auf dem Rad machten Pause, um diese Installation auf Zeit aus allen Perspektiven zu betrachten. Ein weiterer Grund ist der Ort selbst. Dieser regt die Kreativität an, gibt Kraft und Friede. Ein Ort der Inspiration nach innen und außen.

Wie würden Sie das diesjährige Kunstwerk beschreiben? Hat es ein Thema oder besonderen Titel?

2020 und Pfingsten sollen im Zeichen des Lebens stehen. Es wird überwiegend Blau zu sehen sein. Eine Farbe für Wasser und Himmel. Weiter werden wir die Farbe Rot bemerken und antreffen – Rot als der "Rote Faden" in meinem Leben. Den Lebensweg, den ich gestalten kann und darf. Und es werden weitere Farben und Formen auftauchen, punktuell und in Gruppen. Ein Symbol der Vielfalt, Farbe in meinem Leben, Farben und Vielfalt geben Gestaltungsmöglichkeiten in mir und um mich herum.

Was finden Sie an der Friedenskirche in Mühringen interessant? Macht es für Sie einen Unterschied, ob Sie in einer Kirche Ihre Kunst zeigen oder in einem musealen Ausstellungsraum?

Die Friedenskirche ist etwas Besonderes. Sie ist klein, überschaubar und offen. Zudem inspiriert mich das Gebäude selbst. Eine Kirche im Quadrat mit Licht von fast allen Seiten. Ein Gebäude am Hang, ein Hang der grün ist, blüht und gedeiht. Belebt und wahrgenommen vom benachbarten Kindergarten und Rathaus. Mit direktem Blick zum Friedhof am anderen Ende der Stadt. Die Kirche selbst steht nicht im Zentrum der Gemeinde, wird jedoch gut sichtbar von der Ferne und wahrgenommen als Zentrum für soziales und christliches Engagement.

Eine besondere Herausforderung für mich als Aktionskünstler: Jede Installation, jedes Werk, welches von allen Seiten betrachtet werden kann und darf, ist eine Besonderheit. Der Künstler kann und darf nichts verstecken. Es wird wahrgenommen in jeder Situation, in den unterschiedlichen Lichtverhältnissen, in jeder Stimmungslage. Kunstobjekte haben ein Eigenleben, wenn sie unter wechselnden Bedingungen ausgestellt werden. Sie entwickeln eine Eigendynamik, so wie wir Betrachter selbst.

Textilkunst ist eher ungewöhnlich. Was ist das Besondere an dem Material, das Sie reizt?

Textilien sind sehr alt und der Menschheit bekannt. Textilien schützen, sie kleiden, sie bilden unser persönliches Erscheinungsbild nach außen. Textilien treten mit dem Gegenüber in Kontakt, in Begegnung. Sie kommunizieren mit uns – bewusst oder unbewusst – provokant oder brav. Textilien sind in Form und Farbe, in Qualität und Material für sich selbst betrachtet schon ein Kunstwerk. Sie sind vielseitig, bewegend und warmherzig, beschützend. Mit Textilien kann ich meine Inspiration, meine Kreativität, meine Aussagen gestalten und kommunizieren.

Beeinträchtigt die derzeitige Corona-Krise Ihr Kunstwerk in der Friedenskirche oder eröffnet die Krise vielleicht sogar neue Sichtweisen?

Die sogenannte Krise beeinträchtigt meine Kreativität und den Aktionismus in der Kunst nicht. Jedoch beobachte ich, dass die Menschen andere Dinge entdecken. Das Joggen, Radfahren, Laufen. Alles Dinge für sich selbst und für die Gesundheit. Bei diesen Bewegungen ist der Mensch in der Natur und diese wird nun intensiver wahrgenommen. Das zarte Grün der jungen Triebe, das aufblühen der Blumen im Garten, die Farben der Natur wirken plötzlich intensiver.

Die Ruhe in der Krise war anfangs beängstigend. Weniger Züge, weniger Autos, weniger Fluglärm, weniger Geräusche aus den Fabriken in der Nachbarschaft. Die Stimmen klingen angenehmer, Musik wird voller und runder. Wir sehen die Nachbarn, die Eltern, die Kinder, wir sehen... Wir nehmen das soziale Miteinander war und erleben eine christliche Solidarität.

Durch diese andere Wahrnehmung bin ich gespannt wie nun eine textile Kunstinstallation auf Zeit betrachtet wird. Die Interpretation liegt beim Betrachter und die Kommunikation darüber bei den Besuchern. Für mich ist das eine gute Erfahrung in der Friedenskirche von Mühringen.   Die Fragen stellte Johannes Unz