Foto: Asprion Foto: Schwarzwälder Bote

Landtags-Kandidat der Grünen holt Tübingens OB zur ersten Digital-Veranstaltung / Hilfen für Händler sind Thema

Er selbst gilt in Horb als Rebell: Winfried Asprion. Er wechselte spektakulär in die grüne Partei, nachdem der Dießener bis 2009 SPD-Stadtrat war. Als erster Prominenter für den Wahlkampfauftakt des grünen Landtagskandidaten war Boris Palmer zu Gast.

Freudenstadt/Mannheim/Horb-Dießen. Die Videokonferenz mit Boris Palmer, der im leeren Mannheimer Lokal nach einem TV-Dreh saß, zeigt eins: Bei den gut 30 Teilnehmern der Videokonferenz der Kreis-Grünen wird immer noch gestrickt. Zumindest bei einem Teil der Damen, die zuhören. Palmer spricht, wie immer Klartext. Und da fiel nichts durch die Maschen.

Der grüne Landtagskandidat Asprion hatte ihn eingeladen, sagt: "Boris Palmer ist für mich ein Vorbild. Er zeigt, dass man als Kommunalpolitiker mit eigenen Ideen Erfolg haben kann!"

Asprion war aus der SPD ausgetreten. "Für mich hatte diese Partei nicht mehr die Kraft, eine wirksame Klima- und Sozialpolitik zu machen. Wir brauchen eine sozial-ökologische Transformation. Glaubwürdig können das die Grünen."

Klimaschutz Boris Palmer – so erzählt er aus Mannheim – hat es geschafft, die Tübinger und den Gemeinderat zu überzeugen, ein umfassendes Klimaschutzpaket zu starten. Mit dem Anschlusszwang an die Fernwärme. Palmer: "Bei der Heizung haben wir noch nicht viel erreicht. Der einzige Weg das zu schaffen, ist, den Energieträger zu wechseln. Dämmung ist gut, aber nicht schnell genug. Deshalb hat der Gemeinderat einstimmig dem Anschluss und Benutzungszwang für die Nah- und Fernwärme zugestimmt. Das ganze wird mit Zuschüsse für die Eigentümer versüßt, die früher umsteigen. Wir bauen jetzt die zentralen Heizungsanlagen aus, mit Solarthermie, Holzhackschnitzel. Geplant ist auch, mit Ökostrom Geothermie zu nutzen. Oder Abwärme aus dem Klärwerk im Winter. Je nachdem, welche Anlagen gerade Wärme liefern, werden die Heizungen in Zukunft CO2-neutral laufen."

Grünen-Landtagskandidat Asprion: "Mich hat dabei besonders beeindruckt, dass es vor dem Beschluss dieses Klimaschutzkonzeptes anderthalb Jahre intensive Bürgerbeteiligung mit Expertenrunden, Turnhallenformaten und Befragungen gegeben hat. Und dass der Beschluss für das Klimakonzept einstimmig gefallen ist. Das zeigt, dass ein kluger Kopf mit Charisma viel bewegen kann."

Charismatische, kluge Köpfe. Die hat es für Asprion früher auch in der kommunalen SPD gegeben. Der Landtagskandidat: "Wenn Rainer Prewo in Nagold nicht vorangegangen wäre und die Umfahrung vorfinanziert hätte, wäre Nagold jetzt so tot wie Horb! Erwin Reichert (1992 bis 2008 OB, d. Red.) hat in Freudenstadt eigentlich ein Denkmal verdient. Er hat mit viel Überzeugung dafür gekämpft, dass der Marktplatz verkehrsfrei wird. Heute ist er ein Schmuckstück!"

Palmer erzählt von den kostenlosen Bussen am Samstag in der Stadt. Hat schon im Visier, nach einer Evaluation den Nahverkehr der Stadt komplett kostenfrei zu machen. Beispielsweise mit Mitteln aus der City-Maut, die derzeit noch nicht erlaubt ist.

Asprions Vorgänger Wolf Hoffmann (holte bei der Landtagswahl 2016 mit knapp 21,3 Prozent Platz zwei hinter Norbert Beck (CDU, 30,8 Prozent) ist jetzt OGL-Gemeinderat in Horb und Grünen-Fraktionschef im Kreistag: "Im Kreis läuft es so: Wenn wir Glück haben, können wir in den nächsten Jahren zwei Millionen Euro bereitstellen. Zu mehr konnte sich der Kreis nicht durchringen. Die Angst, hier eventuell in die Schulden gehen zu müssen, ist übermächtig. Die Ideen sind da, der Mut fehlt."

Trotzdem hakt der aktuelle grüne Landtagskandidat Winfried Asprion nach: "Aus Wörnersberg komme ich nicht ohne Auto weg. Was rätst Du uns im Landkreis?" Palmer antwortet: "Ich bin OB geworden und nicht Landrat. Deshalb tue ich mich schwer, dort besserwisserisch eine Strategie zu übertragen. Ganz vorne aus meiner Sicht wäre eine Pedelec-Strategie – die schaffen bis zu 45 km/h auf gut ausgebauten Radwegen. Das wäre das interessanteste Verkehrsmittel für Entfernungen wie im Landkreis Freudenstadt. Da wird meiner Meinung nach zu wenig drüber geredet!"

Stirbt der Handel? Asprion macht sich Sorgen um die Innenstädte und gibt damit die nächste Vorlage für den bundesweit bekannten Gast. Palmer: "Das ist einmal eine Frage der Bundespolitik. Die war bisher hundsmiserabel. Ohne Nachbesserungen werden viele Geschäfte nicht mehr aufmachen können. Wenn die zu lange zu sind, kommt es zu Strukturbrüchen. Die Leute gehen jetzt ins Internet. Wenn diese 20 Prozent der Kunden auf Dauer weg bleiben, besteht die Gefahr, dass es viele Leerstände in den Innenstädten gibt."

Motivation für Wahlkampf

In Tübingen will Palmer ein Programm aus dem Frühjahr wieder aufsetzen: Wenn der Vermieter dem Händler die Miete um einen Euro nachlässt, gibt die Stadt noch mal 70 Cent drauf. Tübingens OB: "Mit diesem Programm konnten wir 800 000 Euro Entlastung für die Innenstadt erreicht. In der zweiten Welle werden wir diese Programm wieder auflegen müssen."

Asprion über Palmer: "Er zeigt, wie man erfolgreiche Politik vor Ort macht. Als charismatischer Kopf mit blitzgescheiten Ideen geht er dabei voran und überzeugt!"

Und das motiviert Asprion für den kommenden, schwierigen Wahlkampf. Der Landtagskandidat der Grünen: "Wegen Corona werden die Wahlbenachrichtigungen wohl ab Anfang Februar verschickt werden. Spätestens ab diesem Tag beginnt der Wahlkampf."

Und wie soll das gehen bei Kontaktverboten? Asprion: "Ich freue mich natürlich auf die zahlreichen Online-Podiumsdiskussionen, zu denen beispielsweise die Fridays for Future in Freudenstadt oder der Jugendgemeinderat Horb einlädt. Dazu werde ich Besuche machen, bei denen es nicht nur um Good-Will geht." Asprion hat schon die Spitalstiftung Horb besucht (wir berichteten).