Bernd Kohlhepp in seiner Rolle als "Hämmerle" Fotos: Morlok Foto: Schwarzwälder Bote

Coronakrise: Interview mit Dorothee Jakubowski und Bernd Kohlhepp / Aussichten für die Herbstsaison sind gemischt

Horb. Die Komödiantin Carolin Kebekus stellte für sich fest: "Es ist fünf vor zwölf in der Veranstaltungsbranche. Es muss sich etwas ändern, sonst ändert sich alles in unserer schönen Kulturlandschaft." Bernd Kohlhepp, auch als "Herr Hämmerle" bekannt, und die Schauspielerin, Regisseurin, Theaterpädagogin und Tanztherapeutin Dorothee Jakubowski berichten von ihren Erfahrungen.

Wie sieht es derzeit Ihnen aus? 

Kohlhepp: Mir flattern immer noch Absagen ins Haus. Bei 80 Veranstaltungen habe ich aufgehört zu zählen.  Die Pessimisten dachten, erst im Herbst würde alle besser werden. Nun sind die Pessimisten schon zwölf Monate weiter.   Aber es gibt auch sehr viele schöne Beispiele, gerade auch in unserer Gegend, dass Theaterveranstalter und Künstler Hand in Hand durch die Krise gehen. Jakubowski: Auch bei uns sind fast alle Veranstaltungen und theaterpädagogischen Kurse entweder auf 2021 verschoben oder ganz abgesagt worden. Aber die Veranstalter, die den Aufwand der Hygienemaßnahmen nicht scheuen und ihrem Publikum auch jetzt kulturelles Angebot bieten möchten, werden belohnt. Die Menschen sind froh, wieder Veranstaltungen wahrnehmen zu können." Auch wir haben auf diesem Weg Vorstellungen realisiert, in Horb-Dettingen und in Glatt. Und unser Publikum hat uns für diese Entscheidung Recht gegeben. Auch unser Auftritt beim Kinderfestival in Rechberghausen konnte unter den Hygienemaßnahmen gut umgesetzt werden.

Bei jedem Auftritt zu überdenken, was geht und was nicht, erfordert ein Um- und Neudenken. Hoffen, dass uns diese Mühe in der kommenden Zeit / Herbst und 2021 erspart bleibt, halte ich für illusorisch. Also besser die Herausforderung annehmen und daran denken, dass wir durch die Hygienemaßnahmen die Chance haben, die Gesundheit der anderen und unsere zu schützen. Nicht immer liegt diese Möglichkeit in unserer Hand.

Sollte man hier in der Gegend auch zu einer Demo einladen und wenn ja, welches Ziel sollte die Demo haben?

Kohlhepp: Seit dem Hinz und Kunz demonstriert, bin ich mir da nicht mehr so sicher. Es ist sicher gut, etwas zu tun. Es ist auch gut, sich mit anderen zu verbinden. Aber ob das ein ausreichendes Medieninteressen hervorruft, da bin ich mir nicht so sicher. Ich finde, dass Grundrente und Absicherung ein Thema sein sollte. In Baden-Württemberg ist nicht alles so schlecht gelaufen, doch bei der Corona-Soforthilfe hat man nicht gewusst, auf was man sich da einlässt. Amtsschimmel und Einhörner passen halt nicht so gut zusammen. Was gut wäre: Ein breites Votum für die Kunst, und zwar seitens aller Vertreter der Gesellschaft. Er fügte auch noch an: Das Wörtchen "systemrelevant" gefällt mir nicht. Ich sage lieber, ein wertvoller Teil unseres Lebens. Dorothee Jakubowski: " Ich bin nicht für eine Demo. Die Wertschätzung der Kultur in der Bevölkerung ist seit Corona größer geworden, zumindest nehme ich das so bei Begegnungen wahr. Vielen Branchen geht es auch nicht gut, da müssten viele auf die Straße gehen."

Haben Sie Auftrittsmöglichkeiten beziehungsweise Chancen auf ein Engagement?

Kohlhepp: Ich muss nun mein Spektrum erweitern. Viele sehr gute Musiker geben zum Beispiel Unterricht. Ich frage mich seit Monaten, wie es für mich weiter gehen kann. Einzige sichere Antwort: Man muss den Kontakt zu seinem Publikum behalten und auch intensivieren. Das sind ja auch die Menschen, für die man das macht! Jakubowski: In Oberndorf wurde mit großem Engagement einer privaten Firma und weiterer Unterstützer der Kultursommer veranstaltet. Zusammen mit dem Pina Bucci Teatro waren wir auch Teil des Veranstaltungsprogramms. Generell sind die Kulturämter noch zurückhaltend mit Engagements für 2021. Was tatsächlich von den auf 2021 verschobenen Veranstaltungen realisiert wird, wissen wir momentan noch nicht.

Fürchten Sie sich vor dem Corona-Herbst? 

Kohlhepp: Es hilft ja nichts. Man muss den Stier bei den Hörnern packen. Ich habe ausreichend Engagements. Aber viele handeln die Gage jetzt noch herunter und es gibt immer noch Absagen, Absagen, Absagen. Jakubowski: Solange man Ideen hat, gibt es einen Weg. Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Baden-Württemberg gibt uns Kulturschaffenden momentan mit zusätzlichen Förderprogrammen immer wieder die Möglichkeit, sich für Projekte mit neuen Ideen zu bewerben. Auch wir machen das. Eine Förderung ist uns bereits zugesagt worden, worüber wir uns sehr freuen.

Die Open-Air-Saison ist zu Ende. Wie geht’s dann weiter. Gibt es hier Trends?

Kohlhepp: Der Sommer wird lang wie nie. Ich spiele noch am 27. September mit der SWR Bigband in Sindelfingen. Ansonsten gilt: Abwarten und keinen Alkohol trinken. 

Jakubowski: Wir werden zusammen mit kleineren Veranstaltern nach neuen Veranstaltungsmöglichkeiten unter Einhaltung der Hygienemaßvorschriften suchen.

Wie sieht es mit staatlicher Unterstützung aus? Fließen die Zuschüsse noch?

Kohlhepp: Zunächst kam die Corona-Soforthilfe, das ging unkompliziert. Aber erst im letzten Monat haben wir die Bedingungen erfahren. Das Geld darf nur für betriebsbedingte Ausgaben nehmen. Also Essen gehen mit dem Veranstalter unter Umständen: ja. Mit den Kindern was essen: Nein. Da haben die Politiker gar nicht verstanden, wie wir leben. Es gibt eine neue Grundsicherung: drei Monate lang 1040 Euro. Wie weit soll man damit kommen? Und der Steuerberater verlangt für die Bearbeitung des Antrags zwischen 500 und 700 Euro. Jakubowski: Ich weiß, dass man bis Ende September 2020 noch die Corona Überbrückungshilfe beantragen kann, doch ich habe mich dafür noch nicht entschieden.

Was sollte geschehen, um die Veranstaltungskultur, aber auch die Menschen am Leben zu halten?

Kohlhepp: Die Künstler brauchen eine politische Vertretung. Verordnungen müssen mit viel Augenmaß erlassen werden. Dazu muss auch mit den Beteiligten gesprochen werden. Die Politik ist sehr weit weg vom Künstleralltag entfernt. Und meiner Ansicht nach kommen wir auf kurz oder lang nicht um das bedingungslose Grundeinkommen vorbei. Aber das ist etwas das geht über den Veranstaltungssektor hinaus. Mein Rat: mehr kleine Veranstaltungen, mehr Mut bei den Veranstaltern, mehr Flexibilität bei den Künstlern. Jakubowski: Es sind Ideen gefragt, was und wie umgesetzt werden kann. Wir müssen bereit sein, auch vor weniger Publikum zu spielen, zu veranstalten. Keine Scheu haben vor dem Mehraufwand, der durch die Hygienemaßnahmen entsteht. Der Fokus ist: An die Menschen denken, die gerne kulturelles Angebot annehmen.

  Die Fragen stellte Peter Morlok