Mit flotten Pinselstrichen hat der Maler des Motivbildes das Hochwasser vor dem Ihlinger Haus in Szene gesetzt. Repro: Geßler Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Ein kleines Votivbild erinnert an frühere Hochwasser des Neckars / Dramatische Berichte von Katastrophen

Horb. Dass die Hochwasser im Neckartal vor 250 Jahren ungeahnte Ausmaße haben konnten, bezeugen nur sparsame Berichte. Doch auch Bilder erzählen von der Angst vor den Fluten. In der Zeit vor den heutigen amtlichen Wetterprognosen behalf man sich früher in katholischen Gegenden damit, die Not mit Bildern zu bannen.

Solche Bilder wurden auf Bestellung gemalt, mit der Anrufung eines Heiligen, der in einer Notlage helfen sollte. Dieser Beistand erforderte dann selbstverständlich vom Bittsteller eine milde Gabe. In unserem Fall, einem großen Hochwasser, kam das Unglück vom Neckar. Diese Gefahrensituation zeigt ein seltenes, vielleicht das einzige noch erhaltene "Votivbild" unserer Region. Das kleine Gemälde befindet sich in Ihlingen.

Auf dem Votivbild wurde der Patron der Ihlinger Kirche, der Heilige Jakobus, der bekannte Pilgerfahrer von Santiago de Compostela, angerufen. Er thront deshalb über dem Geschehen auf einem Himmelsgewölk. Deutlich ist er zu erkennen an den beiden Muscheln, seinem Attribut an dem Schulterumhang. Jakobus hält schützend seine Hand über das gefährdete Projekt: ein Fachwerkhaus. Im Bildvordergrund strömen tosende Wassermassen an dem Gebäude vorbei. Die aufgewühlten, gefährlichen Wellen, drücken die Ängste des Bildstifters aus, dass er sein Haus verlieren könnte. Leider ist sein Name nicht überliefert. Doch auf die Hauswände sind zwei Botschaften geschrieben. Auf der rechten Seite lesen wir die Jahreszahl 1769 und links das genaue Datum eines vorigen Hochwassers vom 7. August 1767. Das Gebäude hat demnach zwei Hochwasser heil überstanden. Wir können annehmen, dass das Haus nahe der Neckaraue stand. Wahrscheinlich in der Gegend, wo der später gebaute "Grüne Baum" heute steht.

Wenn schon den namenlosen Ihlinger Bildstifter in jenen Jahren die Angst vor Hochwasser umtrieb, konnte es in Horb nicht anders gewesen sein. Tatsächlich erfahren wir aus der Hauschronik der Dominikanerinnen für die Neckarstadt einen korrekten Wetterbericht. Am 25. Oktober 1778, ist dort zu lesen, wurden abermals viele Häuser und Felder hinweggeschwemmt. Der Schwerpunkt dieses Textes steckt in dem Wort "abermals", das auf ständig wiederkehrende Hochwasser in diesen Jahren hinweist. Weiter wird berichtet, dass das Wasser "stromweis" zu dem Nordstetter Tor hereingelaufen sei; dass die Häuser in der Neckarstraße so tief im Wasser standen, dass ihre Bewohner im oberen Stockwerk das Wasser mit der Hand haben "langen können". Die "Leuth" sind in "großem Schröcken gewesen, weil sie alle Augenblicke nicht gewusst, wann es ihre Häuser fortreisset". An diesem Tag wurden auch beide Neckarbrücken weggespült. Der Grund dafür waren Holzstämme (etliche hundert Klafter!), die von Sulz heruntergeschwemmt wurden. Dieses Holz lag ursprünglich in Stapeln bei der dortigen Saline und war eigentlich für die Feuerung der Salzsiedepfannen bestimmt. Aus jener Zeit berichtet die Dominikanerin auch von dem Wetterphänomen einer Windhose über dem Neckar.

Aus einer anderen Quelle ist zu erfahren, dass das Horber "Hornaukirchle" beim Neckar ab dem Jahr 1765 ständig Ausgaben verursachte, die von Überschwemmungen herrührten. Schließlich beschloss die Stadt 1784, diese Erhardskapelle auf der Au abzureißen, weil sie wegen der Hochwasser äußerst ruinös sei. Der Bischof hatte zuvor dazu seine Bewilligung gegeben.

Nach den örtlichen Unterlagen kann man demnach von einer beständigen, über die Jahre 1765 bis 1778, stattgefundenen Hochwasserfolge des Neckars sprechen. Das deckt sich auch mit dem Bericht eines Chronisten jener Zeit, wo im Schwarzwald normale Bäche zu reißenden Flüssen anschwollen und die Häuser mit sich rissen (Köhlersche Papiere). Insofern war der Ihlinger Stifter der Votivtafel nicht der einzige mit der Hochwasserangst geplagte Mensch. Aber immerhin ist wegen seiner Furcht uns ein kleines Gemälde überliefert, das die hautnahe Gefahr jener Zeit aufzeigt, von der wir heute weitestgehend befreit sind.