In den vergangenen Jahren fiel die AfD im Kreis Freudenstadt politisch eher nicht groß auf. Foto: Killing

Bei Treffen im Steiglehof wird klar, dass sich Partei anders aufstellt. Flüchtlingsthema nimmt größeren Raum ein.

Horb - Die AfD will jetzt auch die Kommunalparlamente erobern und ist deshalb auf Werbetour für potenzielle Kandidaten. Am Mittwochabend stellte sich der erste vor: Uwe Hellstern aus Horb.

Der Steiglehof: Der Saal links neben der Theke ist voll. Vor gut zwei Jahren hatte genau hier der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann im Landtagswahlkampf 2016 für seine Partei geworden. Die rechtspopulistische Partei hat auch hier ihre Anhänger. Bei der Bundestagswahl im September 2017 holte die AfD im Wahlkreis Calw-Freudenstadt 15 Prozent. An manchen Orten erreichte sie mehr als 20 Prozent.

Partei bislang im Kreis wenig aufgefallen

In den vergangenen Jahren fiel die AfD im Kreis Freudenstadt politisch eher nicht groß auf. "Ein bewusst anderer AfD-Wahlkampf", hieß die Überschrift des Schwarzwälder Boten über den Landtagskandidaten 2016, Roland Tischbein. Die damalige Flüchtlingskrise war kaum ein Thema. "Wir machen bewusst einen anderen Wahlkampf. Wir plakatieren unsere Themen wie TTIP, Windkraft oder direkte Demokratie", sagte Tischbein damals.

Und heute? Die AfD im Kreis Freudenstadt scheint nun dem Trend der Bundespartei zu folgen. In den Redebeiträgen wird auch an diesem Abend immer wieder ein Bezug zum Thema Flüchtlinge hergestellt. Und die hiesige AfD möchte immer mehr in die Köpfe und Parlamente der Region.

Alle vier Wochen Veranstaltung

Heinrich Kuhn, der sich Ende 2016 als Alterspräsident des Landtags aus gesundheitlichen Gründen zurückgezogen hat, ist der prominenteste AfD-Politiker aus dem Kreisverband Calw-Freudenstadt. Er sagt: "Wir machen jetzt alle vier Wochen eine Veranstaltung, um zu schauen, ob und welche Kandidaten wir für die Kommunalparlamente bekommen. Ob es nur für den Kreistag reicht oder auch für Gemeinderäte, ist noch unklar. Es will uns niemand auf der Liste haben."

Uwe Hellstern will es auf jeden Fall versuchen. Er sagt: "Es ist der Anspruch der AfD, in alle Parlamente einzuziehen. Wenn ich heute die Leute sehe, die im Gemeinderat oder im Kreistag sitzen, dann spiegeln sie nicht den repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung wieder. Ich hätte gerne eine Liste, die breit in der Gesellschaft verankert ist. Wir müssen wieder mehr Beteiligung haben – es gibt keine verkehrte Meinung in einer Demokratie."

Auch zum Trend, dass hauptsächlich Verwaltungsfachleute zu Bürgermeistern oder Oberbürgermeistern gewählt werden, hat Hellstern eine klare Meinung: "Es geht um einen Bürgermeister. Also einen gewählten Bürger, der der Verwaltung auf die Finger schaut. Wie Michael Theurer. Wenn das aber Leute aus der Mitte der Verwaltung sind, dann gilt das alte Sprichwort: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus." Ob Michael Theurer dieses Lob freut? Der Horber FDP-Bundestagsabgeordnete hat sich immer deutlich von der AfD distanziert.

Große Weltpolitik im beschaulichen Horb

Doch wie präsentiert sich die AfD bei ihrer Kommunal-Offensive? Hellstern hat eine Präsentation zum Thema "Globalisierung" mitgebracht. Große Weltpolitik im beschaulichen Horb. Los geht es erst einmal mit Adam Smith und David Ricardo. Hellstern: "Die Auswirkungen treffen jeden. Die Grundlagen sind kompliziert, doch in der politischen Diskussion wird nur mit Sprüchen agiert. Die AfD will, dass der Bürger an dieser Diskussion teilnimmt." Der weltweite Wettbewerb habe zu einem Raubbau geführt. Hellstern: "Wollen wir dem mit Raubbau begegnen?" Die Zuhörer antworten ihm: "Nein."

Hellstern macht sich Sorgen: "Der deutsche Staat spart deshalb an Investitionen in Bildung oder Straßen, damit andere Staaten Schulden machen können. Und die Belastung der deutschen Steuerzahler steigt. Das führt dazu, dass immer weniger Familien investitionsfähig sind. Wenn ich heute durch den Schwarzwald fahre und die vielen schmucken Privathäuser sehe, frage ich mich, wie viele sich das in Zukunft noch leisten können."

Einen Tag nach Alice Weidels Bundestagsrede, in der sie vom Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble für ihre "Kopftuchmädchen"-Aussage gerügt wurde, legt Hellstern nach: "Eigentlich sollte es die Aufgabe von jedem Staat sein, den Wohlstand des eigenen Volkes zu mehren. Völlig fatal, in dieser Situation Migranten zu importieren, von denen 95 Prozent nicht lesen und schreiben können. Dann brauche ich auch nicht bis 70 zu arbeiten, wenn andere mit 30 Prozent Jugendarbeitslosigkeit in ihrer Hängematte ausruhen!" Solche Worte kommen in der Runde gut an.

Fluchtursachen bekämpfen

Hellstern beschäftigt auch, wie man Fluchtursachen bekämpfen kann. Eine Lösung könnten höhere Zölle sein – beispielsweise für afrikanische Länder, so Hellstern: "Große Unternehmen investieren durch den Abbau der Zölle in Afrika, stürzen dort die Landwirtschaft in einen ruinösen Wettbewerb. Die Menschen dort fliehen in die Städte und dann zu uns."

Dann wieder der Schwenk zur Innenpolitik. Ein Zuhörer fragt, was die AfD vom bedingungslosen Grundeinkommen hält. Hellsterns Antwort: "Wir haben eher das Problem, dass die Bildung vernachlässigt wird." Kuhn wird noch deutlicher und greift wieder das Thema Flüchtlinge auf: "Wir brauchen keine Zuwanderung. Sondern wir müssen unsere Menschen befähigen, mit der Weiterentwicklung der Wirtschaft Schritt zu halten. Dazu gehört eine hervorragende Allgemeinbildung an den Schulen – denn sie ist die Grundlage, um sich später flexibel weiterbilden zu können. Es ist schon absurd: China überschwemmt die Welt mit Technik und Investitionen, und wir bezahlen 580 Millionen Euro Entwicklungshilfe an die." Hellstern: "Die Bürokraten haben aus der EU eine Bürokratisierungsmaschine gemacht und damit die Ungleichheit gefördert." Ein Zuhörer erhebt seine Stimme: "Es ist eine Frechheit, über die schwarze Null zu reden und über die riesige Staatsverschuldung redet keiner."

Dann wird nach der Industrie 4.0 gefragt. Der Zuhörer: "Ich habe das Gefühl, das ist eine Lüge der Bundesregierung. Als Ablenkung von der Tatsache, dass die gerade unsere Autoindustrie ruinieren." Und wieder das Thema Flüchtlinge, diesmal von einem Zuhörer: "Dazu holt man 1,5 Millionen Flüchtlingen ins Land, die in anderthalb Jahren nicht nur Lesen und Schreiben lernen sollen. Dabei dauert das schon bei Kindern drei Jahre. Wie kann eine Politik so verantwortungslos sein?" Hellstern hat eine einfache Radikalisierungsformel parat: "Und diese Flüchtlinge sind dann frustriert. Werden radikal und zum Terrorproblem, weil sie den Anforderungen unserer Gesellschaft nicht gewachsen sind." Heinrich Kuhns Fazit zum Vortragsthema: "Das Wort Globalisierung verschleiert die Verantwortungslosigkeit der Staaten für ihr Volk!"

Atmosphäre hat sich aufgeheizt

Dann ist die öffentliche Fragerunde zu Ende. Die Atmosphäre im Raum? Sie hat sich aufgeheizt. Man spürt die Wut der Besucher, unter denen auch alle drei Ratsmitglieder der ULH-Fraktion (Hermann Walz, Rodolfo Panetta und Martin Raible) sind.

Und was ist die Bilanz der AfD nach der Veranstaltung in Horb für den Einzug in die Kommunalparlamente? Hellstern ist optimistisch: "Der Besuch in Horb war gut. Ich schätze, bis zu 40 Leute sind gekommen. Wie man hört, gibt es hier sehr kritische Bürger."