Uwe Bamberrger Foto: Lück

Corona-Krise: Der Physiotherapeut Uwe Bamberger hatte zunächst dicht gemacht, nun geht es doch weiter

Der Physiotherapeut Uwe Bamberger steckt in einem Dilemma. Eigentlich möchte er in der Corona-Krise seine Praxis am liebsten schließen, andererseits bleibt ihm wohl nichts anderes übrig als weiterzumachen. Nun hat er sich für die Arbeit komplett ausgerüstet.

Hor b. Eineinhalb Meter Abstand. Direkten Kontakt verhindern. Das sind die Vorgaben in Zeiten der Corona-Krise. Im Arbeitsalltag ist das für Bamberger nicht möglich. Denn als Physiotherapeut besteht nicht nur Kundenkontakt, sondern meistens Hautkontakt.

Nachdem sich die allgemeine Situation verschärfte, entschloss er sich deshalb, erst einmal die Praxis in Dettingen zu schließen und auch alle Besuche in Pflegeheimen abzusagen. Bamberger: "Wenn ich keinen Kontakt habe, dann gehe ich auch nicht das Risiko ein, den Patienten oder seinen Verwandten zu gefährden."

Telefonate mit Ordnungs- und Gesundheitsamt sowie auch dem Bundesverband der Physiotherapeuten ließen ihn jedoch verzweifeln. Denn die Bundesregierung hatte am Sonntag erklärt, dass auch Physiotherapeuten zu den medizininsche Einrichtungen dazugehören und somit systemrelevant sind. Eine Linie, die Bamberger nur schwer nachvollziehen kann: "Die Patienten warten wochen- oder monatelang, bis sie einen Termin beim Orthopäden haben. Dann warten sie auch noch Wochen, bis sie einen Termin bei einem Physiotherapeuten bekommen. Mir kann jetzt keiner sagen, in unserem Job geht es nun um Leben oder Tod."

Doch die Konsequenzen wären hart, wenn er weiterhin schließen würde. "Dann würde ich sicher nichts von den finanziellen Hilfen abbekommen." Wobei er betont: "Mir geht es eigentlich in erster Linie um das Wohl der Patienten." Das bestätigt Ute Merz, Referatsleiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Verbands für Physiotherapie (ZVK) und selbst Physiotherapeutin. "Ich kann die Bedenken des Kollegen verstehen. Es schlagen zwei Herzen in der Therapeutenbrust. Aber die Versorgung muss gesichert sein. Es ist seine persönliche Entscheidung zu schließen." Mögliche Entschädigungen nach dem Infektionsgesetz könne der Physiotherapeut allerdings nicht abrufen. Diese greifen, wenn überhaupt, nur nach amtlicher Schließung der Praxis.

"Die therapeutische Betreuung für erforderliche Behandlungen, muss auch in der Krise gewährleistet werden", sagt Merz. "Physiotherapeuten sind medizinisch ausgebildet. Es gibt klare Vorgaben des Robert-Koch-Instituts. Es gibt eine klare Aussage der Bundeskanzlerin, dass medizinisch-notwendige Behandlungen weiter möglich sein sollen."

"Physio-Deutschland" hat auf seiner Homepage ein Handlungsschema zum Patienten- und Hygienemanagement in Corona-Zeiten veröffentlicht. Daraus wird klar: Patienten, die ohne Erkältungssymptome sind und nicht zuvor in einem Risikogebiet waren, dürfen weiter behandelt werden, wenn dies aktuell erforderlich ist – außer sie gehören zur Risikogruppe. Ist das der Fall und ist der Behandlungsbedarf niedrig, sollen Termine vorerst verschoben werden. Ist der Behandlungsbedarf hoch, muss der Patient aus der Risikogruppe selbst sein Einverständnis geben. Dann sind erhöhte Hygienestandards Pflicht. "Diese minimieren das Risiko. Die Hygienemaßnahmen müssen beachtet werden und genügend Materialien vorhanden sein." Falls es Lieferschwierigkeiten gebe, müsse sich der Physiotherapeut an das jeweilige Gesundheitsamt wenden.

Allerdings kämpft der Bundesverband derzeit noch darum, unter den Rettungsschirm der Bundesregierung zu kommen. "Der Rettungsschirm für Krankenhäuser und andere medizinische Bereiche bezieht leider noch nicht die Heilmittelerbringer, ein. Wir versuchen gerade, dass sich das noch ändert. Die Zeit drängt dabei." Denn: Physiotherapeuten haben zwischen 60 bis 90 Prozent Ausfallquote, wie die ersten Rückmeldungen zeigen. Denn viele Patienten sagen selbst ab. Somit bleiben den Physiotherapeuten wohl nur die Mittel der Kurzarbeit und Kredite. "Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen. Wir werden auch mit den Krankenkassen reden", so Merz.

Bamberger hat mittlerweile reagiert. Ab Montag öffnet er seine Praxis wieder. Komplett ausgestattet mit Hygieneartikeln, die er sich an mehreren Stellen besorgt hat. "Ab Montag bin ich sehr gut aufgestellt. Medizinisch ist zwar überall alles ausverkauft, Masken, Handschuhe und anderes. Aber das gab es noch in anderen Branchen, die man vergessen hat wie die Gipsermasken, FFP1 und FFP2 sogar. Bei mir gibt es jetzt sogar Krankenhausausrüstung", erzählt Bamberger. Patienten werden in der Praxis "Medi-Well" in Dettingen an der Tür abgeholt. "Patienten mit offenen Rezepten werden von uns kontaktiert." Und natürlich wird Bamberger streng nach dem Vorgaben des vom Bundesverbandes vorgeschlagenen Patientenmanagements vorgehen. "Mir fällt so moralisch und existenziell ein Stein vom Herzen. Not macht nicht bloß erfinderisch, auch ideenreich", sagt Bamberger, der seinen Optimismus langsam wiederfindet.