Die alte Kaserne in Horb: Hier stehen bereits 50 Notfallbetten zur Verfügung. Foto: Lück

Schnelles Krisenmanagement. Stadt Horb ist auf möglichen Anstieg der Zahl von Corona-Infizierten vorbereitet.

Horb a. N.ckar - Horb war Vorreiter im Corona-Krisenmanagement. Stadtoberhaupt Peter Rosenberger und sein Team sind weiter vorne dran: Unaufgefordert hat das Rathaus schon ein Notfall-Klinikum eingerichtet!

"Man darf keine Ängste spüren, aber man muss sagen: Es ist ernst." Klare Worte von Horbs OB Peter Rosenberger. Am gestrigen Freitag sagte er im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten, wie das Führungsteam der Stadt, die Verwaltung und der Gemeinderat zusammengerückt sind, um Horb zu rüsten.

Für Überlastung der Krankenhäuser vorbereitet

Die wichtigsten Botschaften: Horb hat in der Kaserne schon 50 Betten installieren lassen, um hier für eine Überlastung der normalen Krankenhäuser vorbereitet zu sein.

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OB Rosenberger: "Wir haben das letzten Freitag abgeschlossen. Der Fachbereich fünf war damit zwei Tage mit Fachleuten wie Architekten beschäftigt, um diese Infrastruktur hinzustellen. 50 Betten stehen schon - in zwei oder Vier-Bett-Zimmern. Das kann man auf 300 bis 400 Betten in diesem Gebäude aufstocken. Rein flächenmäßig, weitere Betten existieren im Moment noch nicht. Damit haben wir ein Plus an Infrastruktur geschaffen - für den Landkreis. Natürlich Insbesondere zur Nutzung durch die Raumschaft Horb. Die Kaserne ist aus Sicht der Stadt besser geeignet, als Feldbetten in einer Turnhalle aufzustellen. Wir haben das auch der kassenärztlichen Vereinigung gemeldet. Damit senden wir das klare Signal: Die Raumschaft Horb ist bereit und stellt Räumlichkeiten zur Verfügung, um möglicherweise überlaufende Krankenhäuser zu entlasten. Im Landkreis steigen die Fallzahlen derzeit rasant!" Das hat Rosenberger auch vergangene Woche so dem Landrat angeboten.

Das ist ein wichtiges Signal. Auch, wenn jetzt die Fieberambulanz des Landkreises in Dornstetten eröffnen wird. Denn anhand der Erfahrungen aus Italien weiß man, dass dort die Sterblichkeit an Covid-19 so hoch ist, weil die Krankenhäuser dort extrem überlastet sind.

Horb hat ohne gefragt zu werden Zusatzbetten aufgestellt.

Horb hat - ohne gefragt zu werden - von sich aus schon vor einer Woche Zusatzbetten aufgestellt. Obwohl die große Welle, in der die Überlastung der Krankenhäuser droht, möglicherweise erst in ein bis zwei Wochen losgehen könnte.

Diese "Not-Klinik" Horb - die medizinische Infrastruktur ist noch zu stellen - kann auch  wichtig werden, um die Versorgung normaler Patienten zu gewährleisten. Nicht umsonst hatte Michael Bamberg, Chef der Uni-Klinik Tübingen auch gefordert, dass die Politik die Rahmenbedingungen dafür schaffen sollte, dass Patienten, die nur noch eine leicht stationäre Pflege benötigen, in Pflegeheimen untergebracht werden könnten.

Thomas Müller, Stiftungsdirektor der Spitalstiftung, die zwei Heime in Horb betreibt: "Derzeit könnten wir dafür sieben Kurzzeitpflegeplätze anbieten. Aber klar ist natürlich: Wir würden es ablehnen, positiv getestete Corana-Fälle aufzunehmen. Wir würden auf einem definitiven Negativ-Test bestehen."

Ob bald genügend Testkapazitäten dafür da sein werden, dürfte auch fraglich sein. Und: Falls in einem der Horber Pflegeheime auch ein Fall wie in Würzburg mit elf Toten im Pflegeheim eintritt, tut auch ein Backup in der Kaserne gut.

Rosenberger sagt deshalb auch: "Ich möchte an die Politik appellieren, nach knapp einer Woche Kontaktsperre nicht panisch anzufangen, über Lockerungen zu spekulieren. Ich gehe davon aus, dass diese Beschränkungen noch länger dauern werden. Wir müssen das länger aushalten - und unsere Gesellschaft schafft das auch. Meine größte Sorge ist: Man geht zu früh in den normalen Modus und bekommt negative Effekte wie in Japan: Dort hat man zum Kirschblütenfest die Sperren ausgesetzt und hat jetzt das Drama. Solche Fehler sollte man jetzt nicht machen."

Die Finanzen

Es gibt Experten, die erwarten einen Einbruch des Wirtschaftswachstums um 20 Prozent. Steuerschulden sollen gestundet werden, Gewerbesteuer auch. Kurzarbeit, weniger Einkommensteuer. Was kommt da auf Horb zu?

Rosenberger: "Aus den Erfahrungen der Finanzkrise 2008 gehen wir derzeit davon aus, dass uns diese Effekte drei bis vier Millionen Euro jährlich an weniger Einnahmen bringen würden. Für zwei bis drei Jahre. Derzeit haben wir im aktuellen Haushalt gut zehn Millionen Euro für Investitionen geparkt. Mit dieser Summe können wir die aktuelle Liquidität aufrecht erhalten. Ich kann  mir vorstellen, dass man im Sommer oder Herbst mit dem Gemeinderat zusammentreten könnte, um auch über einen möglichen Nachtragshaushalt zu beraten. Selbstverständlich dokumentieren wir Mehrausgaben oder Mindereinnahmen aufgrund der Corona-Krise. Bleibt zu hoffen, dass es auch einen Rettungsschirm für Kommunen gibt."

Schon jetzt ist für das Stadtoberhaupt klar:  "Wir werden uns wieder verschulden. Es ist gut, dass unser Haushalt jetzt schuldenfrei ist. Ich stehe zu dem antizyklischen Denken: In guten Zeiten die Wirtschaft machen lassen und Schulden abbauen, in schlechten Zeiten muss die Kommunen als Auftraggeber bereit stehen, um die Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen. Deshalb auch meine klare Botschaft an das Handwerk: Wir werden alle Rechnungen zahlen. Und wir werden weiterhin euer Auftraggeber sein."

Dennoch kann es sein - um den Gesamthaushalt nicht zu überlasten -  dass auch geplante Projekte auf der Kippe stehen könnten.

Rosenberger: "Ich denke mal, bei der Kinderbetreuung werden wir eher weiter ausbauen. Die Neubau der Kita in Grünmettstetten bleibt - aus meiner Sicht - prioritär. Ebenso wie die Sanierung des Neckarbades."

Auf Nachfrage kann sich OB Rosenberger beispielsweise vorstellen, dass sich die Frage stellt, wie man mit der Sanierung der Panoramastraße umgeht. Um die Anwohner nicht unnötig in einer Finanzkrise zu belasten.

In alle großen Entscheidungen Gremium einbeziehen

Am Dienstag ist Ältestenratssitzung. Rosenberger: "Dort werden wir zunächst die geplanten Tagesordnungspunkte für März nehmen und gemeinsam entscheiden, was jetzt wirklich wichtig ist. Und ob und wie wir darüber diskutieren - in einem Not-Parlament mit reduzierter Mitgliederzahl und Beschlussfähigkeit. Oder ob wir das in einer Turnhalle mit allen machen. Eins ist mir jedenfalls wichtig: in allen großen Entscheidungen der nächsten Tage, werden wir das Gremium einbeziehen. Mit den Fraktionsvorsitzenden kann auch telefonisch agiert werden. Wir haben schon jetzt ein gutes Miteinander. Das funktioniert nur, wenn alle mit an Bord sind. Das Rathaus hat – auch jetzt in der Krise – kein Interesse daran, Alleingänge mitzumachen."

Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl – das empfindet das Stadtoberhaupt auch bei den verschiedenen Gruppierungen im Gemeinderat. Rosenberger: "Ich finde es großartig, dass alle miteinander abgemacht haben, dass sie derzeit nichts unter ihrer Rubrik im Mitteilungsblatt schreiben. Sie verzichten auf lokalpolitische Meinungen und Klein-Klein und zeigen damit: In der Krise: Wir ziehen alle an einem Strang."

Zu diesem Zusammenhalt in der Krise gehört auch, dass es ab nächster Woche einen Newsletter erstellt wird, der vor allem die Ortschaften näher an das Geschehen im Rathaus anbinden soll. Rosenberger: "Damit auch unsere Mitarbeiter draußen am Ball bleiben."

Die Verwaltung

Derzeit gibt es acht Quarantäne-Fälle, ein Mitarbeiter ist positiv getestet. Rosenberger: "Der hat sich gleich nach dem Urlaub gemeldet und zu Hause testen lassen. Dieser Mitarbeiter war nicht im Rathaus - das beruhigt auch die Mannschaft."

Das Bangen: Wie viele habe ich morgen noch an Bord? Was tue ich, um die Wirtschaft und die Bürger zu unterstützen?

Rosenberger: "Alles, was keine Öffentlichkeitsbeteiligung benötigt, kann im Moment ganz normal abgearbeitet werden. Beispielsweise Bauanträge. Ein Zweier-Team ist gerade in Betra unterwegs, um Daten zu sammeln. Hier wollen wir ein Sanierungsgebiet einrichten. Dazu haben wir die Grundreinigung der Schulen und des Neckarbades vorgezogen. Jeden Tag tagt der Verwaltungsstab. Er bestimmt, ob Mitarbeiter abgeordnet werden  für umgehend zu erledigende Aufgaben. Der Rest der Verwaltung arbeitet alles andere ab. Dazu haben wir nicht nur Home-Office Mitarbeitern erlaubt, die sich selbst als Risikogruppe einschätzen, sofern das sinnvoll möglich ist, sondern auch für Mitarbeiter, die beispielsweise auch zu Hause Aktenberge abarbeiten können."

Letzte Frage: Finanzkrise, Haushaltslöcher, Schulden. Was ist mit den Gebühren? Rosenberger: "Ich sehe nicht, dass wir Abgaben und Gebühren erhöhen sollten. Das gehört auch zum antizyklischen Verhalten. Wir wollen so wenig wie möglich die Menschen belasten, die jetzt in eine Notsituation kommen könnten."

Das Krisenmanagement

Die Stimmung hoch zu halten. Ernste Ansagen zu machen. Was macht das persönlich mit Peter Rosenberger?

Der OB: "Ich habe mit Ralph Zimmermann mal eine Bilanz gemacht. Weil es keine Veranstaltungen mehr gibt, arbeiten wir insgesamt weniger Stunden. Aber es ist viel anstrengender: Wir müssen jede Entscheidung ganz genau hinterfragen. Gerade jetzt in der Krise darf man keine  Fehlentscheidungen treffen. Wenn wir die Lage falsch einschätzen oder einen Tag oder eine Woche zu spät handeln, können die Folgen für Horb enorm sein. Dazu müssen wir die Mitarbeiter auch mitnehmen. Nicht nur mit Argumenten, sondern auch mit Empathie ihnen erklären, warum ihre eigentlich gute Idee jetzt nicht umgesetzt werden kann."