Am morgigen Mittwoch haben die meisten Apotheken – hier die Lahrer Apotheke am Storchenturm – geschlossen. Foto: Blessing

Niedrige Honorare, Lieferengpässe und Fachkräftemangel: Um auf die Probleme der Branche aufmerksam zu machen, sind die Apotheken am Mittwoch zu. Gerald Albrecht, Vorsitzender der Ortenauer Apotheker, erklärt, was sich dringend ändern muss.

Wer am Mittwoch nach 13 Uhr Medikamente kaufen möchte, wird bei den meisten Apotheken vor verschlossenen Türen stehen: Auch die Ortenauer Apotheker beteiligen sich an der bundesweiten Protestaktion gegen die Politik von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.

 

„So geht es nicht weiter, Deutschlands Apotheken geht die Luft aus. Wir können uns nicht kaputt sparen lassen“, betont Gerald Albrecht, Vorsitzender der Region Ortenau des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg, im Gespräch mit unserer Redaktion.

Albrecht, der auch Inhaber der Stadt-Apotheke in Kehl mit zehn Mitarbeitern ist, sieht drei große Missstände: Die Honorare, die Lieferengpässe und den Fachkräftemangel.

Seit elf Jahren gab es keine Honoraranpassungen

„Jeder denkt, den Apotheken geht es gut“, so Albrecht, „aber das ist seit Langem nicht mehr so.“ Bereits im Juni hatte deshalb die gesamte Branche gestreikt und auf die Probleme aufmerksam gemacht. „Wir haben erwartet, dass die Politik aufwacht und sich Gedanken macht“, erklärt er. „Lauterbach hat aber offenbar eine Aversion gegen Apotheker an sich.“ Mit sechs Fragen habe sich die Branche nun an den Minister gewandt und verlangt am morgigen deutschen Apothekertag, 27. September, Antworten. „Die Apotheken werden schließen, um zu erfahren, wie Lauterbach sich die künftige Versorgung der Bevölkerung vorstellt.“

Seit elf Jahren habe es „keinen Cent Honoraranpassungen“ gegeben – und das trotz der „explodierenden Kosten“. „Deshalb wollen wir, dass die Honorare stets an die wirtschaftliche Gesamtentwicklung angepasst werden“, erklärt der Apotheker. Ein weiteres Problem seien die Lieferengpässe. „Es gibt Hunderte nicht lieferbare Arzneimittel“, klagt er an. Der Gesundheitsminister Lauterbach sehe dieses Problem nicht. Für den Apotheker wird es im Arbeitsalltag deutlich – die „simpelsten Sachen“ wie Nasenspray und Antibiotika würden fehlen.

Apotheker fordert bessere Löhne

„Wir kämpfen jeden Tag und versuchen, bei den Lieferanten die Mittel zu bekommen.“ Sogar im Notdienst müssten Patienten mit einem Rezept wieder weggeschickt werden. „Deutschland wird so kaputt gespart, dass die Lieferanten lieber in lukrativere Länder liefern“, erklärt der Apotheker.

Er kritisiert auch die Rabattverträge, bei denen die billigsten Hersteller der Medikamente den Zuschlag erhalten würden. Wenn es bei dieser Firma zu Problemen komme, sei ein Medikament nicht mehr lieferbar, weil die anderen Firmen sie nicht mehr herstellen würden. „Wir brauchen in der täglichen Arbeit mehr Flexibilität so wie zu Corona-Zeiten, um Versorgungsprobleme aufgrund der Lieferengpässe durch einen sinnvollen Austausch unkompliziert zu lösen.“

„Außerdem können die Mitarbeiter nicht angemessen bezahlt werden. Die Löhne müssen mit denen anderer Gesundheitsberufe vergleichbar sein“, so der Kehler Apotheker. Der Anreiz, in einer öffentlichen Apotheke zu arbeiten, fehle somit. „Es gibt einen extremen Fachkräftemangel, wir suchen monatelang nach einer Kraft.“ Das Ergebnis sei das Sterben der Apotheken. „Irgendwann kann die Bevölkerung nicht mehr entspannt versorgt werden, vor allem im ländlichen Raum.“ Die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung sei eigentlich Aufgabe der Politik, kritisiert er, „doch die lässt uns eiskalt hängen.“

Ab 13 Uhr schließen die Apotheken am Mittwoch

Wegen dieser Missstände soll es am Mittwoch um 13 Uhr losgehen: Bis auf die Notdienste seien alle Ortenauer Apotheken bei der halbtägigen Schließung mit dabei. „Ich kenne niemanden, der nicht mitmacht“, so Albrecht. Laut Webseite des Landesapothekerverbands werden im Kreis insgesamt rund 100 Apotheken betrieben.

Neben der Forderung der Antworten des Gesundheitsministers wolle man auch die Bevölkerung über die Lage der Apotheken aufklären. „Ich werde auch am Mittwoch draußen vor der Apotheke stehen und mit Kunden und Passanten ins Gespräch kommen“, kündigt Albrecht an. Bereits im Juni habe er großen Zuspruch erhalten. „Es merkt ja auch jeder, wenn er selber Probleme hat und wichtige Arzneimittel in der Apotheke nicht mehr bekommt.“

Dass bei dem Streik im Juni und auch bei der anstehenden Aktion alle innerhalb der Branche an einem Strang ziehen, stimmt den Kehler Apotheker optimistisch. „Wir hören am Mittwoch gut zu“, kündigt er an. Für Lösungen sei man offen. „Wenn es aber so weitergeht wie bisher, müssen wir den Druck erhöhen.“ Dann könne es auch weitere Proteste und Streiks geben.

Apotheken mit Notdienst

Notdienst haben am Mittwoch, 27. September, in der Region die Lahrer Schloss-Apotheke auf dem Schloßplatz 16, die Einhorn-Apotheke Caunes in der Hauptstraße 88 in Offenburg, die Kloster-Apotheke in der Klosterstraße 2 in Haslach sowie die Paracelsus-Apotheke auf dem Hindenburgplatz 1 in Appenweier.