Zukunftsängste, Schulabsentismus und Selbstverletzung – durch die Verlagerung des Unterrichts in die virtuelle Welt sind einige neue Probleme entstanden und bestehende noch verstärkt worden. "Corona wirkt wie ein Brennglas", sagt Schulsozialarbeiterin Karolina Witek im Gemeinderat.
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Sulz - Beratung und Einzelfallhilfe, Krisenintervention und Prävention – das sind die Standbeine der Schulsozialarbeit in Sulz. Ines Hütter und Karolina Witek sind für insgesamt 1562 Schüler zuständig, davon 365 an der Grund- und Werkrealschule, 498 an der Lina-Hähnle-Realschule und 699 am Albeck-Gymnasium.
2020 wurden 181 Personen beraten, rund 50 Prozent davon Schüler, 30 Prozent Lehrkräfte und 20 Prozent Eltern. Themen waren zu 36 Prozent Konflikte mit Mitschülern und zu jeweils zehn Prozent psychische Erkrankungen/Ängste und Konflikte mit den Eltern. Weitere Probleme waren Lernschwierigkeiten, Mobbing, Integration, Selbstwert, Lebensfragen, Sucht und Selbstverletzung.
Schwänzen nimmt zu
2020 gab es lediglich 22 von 36 Schulwochen, in denen die Schüler – teils wechselweise – Präsenzunterricht hatten. Der Lockdown habe den Zugang zu den Schülern erschwert, so Ines Hütter. Konflikte hätten sich andere, virtuelle Wege gesucht, dafür hätten die Ängste deutlich zugenommen.
Die Mediennutzung habe neben einiger Vorteile auch viele Nachteile gehabt, etwa Erpressungen, demütigende Challenges, Mobbing und den Kontakt zu Fremden, die zum Versenden von Bildern aufforderten.
Ein großes Problem sei bei einigen Schülern die Abwesenheit vom Unterricht geworden, erklärte Karolina Witek. Wer schon vorher aus fehlender Motivation, Organisation oder Selbstständigkeit dazu tendiert habe, der Schule fernzubleiben, bei dem habe sich das Problem durch den Fernunterricht intensiviert.
Keine Kapazitäten für Präventionsangebote
Bedauerlicherweise fehlten der Schulsozialarbeit auch die personellen und zeitlichen Kapazitäten für Präventionsangebote, meinte Witek. "Wir lindern seit Monaten nur die größte Not."
"Das ist ja eine Sisyphusarbeit", meinte Stadtrat Heinrich von Stromberg (CDU). Die Corona-Zeit werde bei den Kindern Schäden hinterlassen, ist er sich sicher. Diese Bedenken teilt auch Cornelia Bitzer-Hildebrandt (FWV). Die Ärztin berichtete, dass 2020 erfreulich wenige Krankmeldungen für Kinder nötig gewesen seien – umso mehr allerdings in den vergangenen Monaten. Dabei könne man nur schwer nachvollziehen, ob dies an der Erschöpfung der Eltern oder an psychischen Problemen der Kinder liege.
Udo Schubert (AfD) fragte, ob die psychischen Erkrankungen bei den Kindern signifikant zugenommen hätten. Ines Hütter erwiderte, dass es von 2019 auf 2020 einen Anstieg von rund sieben Prozent gegeben habe. Sie vermute, dass sich der Trend so fortsetzen werde. Insbesondere Kinder mit sprachlichen Defiziten hätten große Schwierigkeiten. Das Verstehen der Verordnungen und die Unterstützung beim Homeschooling gestalteten sich meist schwer. Bei einigen Schülern habe man auch den Kontakt zur Kinder- und Jugendpsychiatrie hergestellt.
Schulsozialarbeiterin Ines Hütter ist für gewöhnlich in der Grund- und Werkrealschule anzutreffen, Karolina Witek im Albeck-Gymnasium. In der Lina-Hähnle-Realschule fehlten bislang noch geeignete Räume, die ein niederschwelliges Angebot möglich machten. Eberhard Stiehle (FWV) fragte nach, wo man sich dann mit den Schülern treffe. Er gab den Tipp: "Bleiben Sie dran, und löchern Sie die Verantwortlichen!"
Ein eigener Raum fehlt
Momentan nutze man entweder ein Klassenzimmer oder einen Raum, den man sich mit der Beratungslehrerin teile. Deshalb müsse man sich immer absprechen und könne den Schülern keinen Platz anbieten, an den sie einfach so kommen könnten, ohne dass ein Lehrer den Kontakt vermitteln müsse. Ursprünglich war der Schulsozialarbeit ein Raum zugeteilt, sagte Schulsachgebietsleiterin Selina Albert. Weil in diesen aber ein größerer Server kommen soll, muss nach einer Alternative gesucht werden.
André Amon wollte wissen, wie man als Schulsozialarbeiter damit umgehe, wenn ein Kommunikationsproblem zwischen Schüler und Lehrer bestehe, für das ein Lehrer verantwortlich sei. So etwas sei bisher tatsächlich nicht vorgekommen, meinte Karolina Witek. Im Gegenteil, die Lehrer gäben sich die größte Mühe, die Schüler an den Bildschirm zu holen und zu begeistern.
2020 hatten die Schulsozialarbeiterinnen auch einige Klassenangebote organisiert, etwa einen Kennenlerntag, ein Projekt zur gewaltfreien Kommunikation, aber auch Teambuilding-Maßnahmen.
Wie es nun weitergehe, sei eine Wundertüte. Wichtig sei aber, die Rückkehr zum Präsenzunterricht sozialpädagogisch zu begleiten, betonte Witek. Die Themen Konflikt- und Gewaltprävention werden ihrer Einschätzung nach einen hohen Stellenwert bekommen müssen. "So weiterzumachen wie man aufgehört hat, wird nicht funktionieren."