Die orthodoxen Popen kämpften gegen die Ehe für alle, konnten sie aber nicht verhindern. Jetzt nehmen die Gottesmänner Rache.
Nirgendwo in Griechenland wird das Osterfest größer gefeiert als auf der Insel Korfu. Am Ostersamstag werfen die Bewohner unter dem Beifall Tausender Zuschauer große, mit Wasser gefüllte Tonkrüge aus den Fenstern und von den Balkonen auf die Straße. Der Brauch, „Botides“ genannt, soll den Sieg des Lebens über den Tod symbolisieren.
Zerschlagenes Porzellan vor dem Osterfest
In diesem Jahr allerdings gibt es schon Wochen vor dem Fest, das in Griechenland am 3. Mai gefeiert wird, jede Menge zerschlagenes Porzellan auf der Insel. Der orthodoxe Bischof von Korfu, Nektarios, exkommunizierte diese Woche zwei Parlamentsabgeordnete, die am 15. Februar für den Gesetzentwurf zur Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe gestimmt hatten. Die beiden Politiker, einer gehört der oppositionellen Pasok an, der andere dem radikalen Linksbündnis Syriza, dürfen nicht mehr am Abendmahl teilnehmen, und sollte ihnen etwas zustoßen, können sie kein kirchliches Begräbnis erwarten.
Nach langen und kontroversen Debatten hatte das griechische Parlament vor drei Wochen mit 176 von 300 Stimmen die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe legalisiert und homosexuellen Paaren volle Elternrechte eingeräumt. Griechenland ist das erste orthodox geprägte Land, das die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare legalisiert. Der konservative Premier Kyriakos Mitsotakis hatte die Reform vor der jüngsten Parlamentswahl im Sommer 2023 angekündigt und sich persönlich für die Gesetzesänderung eingesetzt. Auf Widerstand stieß er damit vor allem beim orthodoxen Klerus, aber auch beim rechten Flügel seiner eigenen Partei. Der orthodoxe Erzbischof Hieronymos schlug der Regierung ein Referendum über das Thema vor. Die lehnte das mit der Begründung ab, über Fragen der Grundrechte könne man nicht in einer Volksabstimmung entscheiden.
In Athen protestierten Tausende gegen die Reform
In Athen protestierten Tausende Menschen mit Kruzifixen und Ikonen gegen die Reform. Meinungsumfragen zeigten eine knappe Mehrheit in der Bevölkerung für die Reform. Mitsotakis bezeichnete die Verabschiedung des Gesetzes als „Meilenstein für die Menschenrechte“. Kleriker sprechen von einer „dämonischen Entscheidung“ und riefen zum „Heiligen Krieg“ auf. Die orthodoxe Kirche gibt sich nicht geschlagen.
Auch der Bischof von Piräus verstieß Abgeordnete, die für das Gesetz gestimmt hatten, aus der Kirche. Ambrosios, der frühere Bischof von Kalavryta, bezeichnet die Befürworter der Reform als „Organe des Satans“ und rief zu einer „Revolution gegen jene, die das Gesetz Gottes missachten“. Die Heilige Synode, Griechenlands Kirchenleitung, verlegte einen Gottesdienst zum 24. März, dem Sonntag der Orthodoxie, von der Athener Kathedrale in eine kleine Kirche. Reservierte Plätze für die politische Führung des Landes, die stets an der Messe teilnahmen wird es dort nicht geben. Auch eine Einladung der Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou zum traditionellen Abendessen im Präsidentenpalais schlug die Kirchenleitung aus. Begründung: Sakellaropoulou sei in einem Restaurant gesehen worden, dessen Besitzer offen schwul ist. Wenn schon den Befürwortern der gleichgeschlechtlichen Ehe im Klerus so viel Hass entgegenschlägt, fragt man sich, was jenen blüht, die eine solche Ehe eingehen. Premier Mitsotakis schärft mit seinem persönlichen Engagement für die Änderung des Eherechts sein Profil als liberaler Reformer. Das dürfte ihn allerdings Sympathien konservativer Wähler kosten. Vor allem in ländlichen Regionen hat der orthodoxe Klerus großen Einfluss. Ein Gradmesser könnte die Europawahl im Juni werden.