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Kinderbetreuung: Hofstettens Bürgermeister kritisiert "leise Beerdigung" der Förderung und reicht Petition ein

Die mangelnde Förderung für den Ausbau der Kinderbetreuung lässt Hofstettens Bürgermeister Martin Aßmuth keine Ruhe. Jetzt hat er sich mit einer Petition an den Deutschen Bundestag gewandt.

Hofstetten. Unter Hofstetter Federführung hatten mehrere Bürgermeister bereits vor einigen Wochen Alarm geschlagen (wir berichteten). Aßmuth hat sich nun noch einmal an die Bundesregierung gewandt.

Der Grund: Vor Kurzem hatte der CDU-Bundestagsabgeordnete Peter Weiß vermeldet, dass das Bundesfamilienministerium ihm mitgeteilt habe, dass es bislang keine Pläne für ein Anschlussprogramm gibt. "Über dieses Schreiben aus dem Ministerium habe ich mich richtig geärgert", sagt Aßmuth am Donnerstagvormittag in einem Pressegespräch. Und wundert sich: In einem Schreiben aus dem November an das Familienministerium hatte Roger Kehle, geschäftsführender Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg, noch von einem "Signal, das Förderprogramm nach dessen Auslaufen nochmals fortführen zu wollen", gesprochen.

Nun kam also die gegenteilige Information aus dem Familienministerium – "ich bin aus allen Wolken gefallen", sagt Aßmuth. Der Hofstetter Gemeinderat habe auf die zunächst positiven Signale aus Berlin gebaut, als der Grundsatzbeschluss zum Kindergartenneubau fiel. Auch das Regierungspräsidium Freiburg habe auf die Fortführung der Förderung gesetzt.

Da das Problem in Hofstetten mit dem anstehenden Neubau des Kindergartens zwar drängend ist, in Aßmuths Augen aber grundsätzlich alle Kommunen in Baden-Württemberg betroffen sind, hat er am Montag eine Petition eingegeben. In dieser fordert er: "Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass der Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen vom ersten Lebensjahr bis zum Schuleintritt substanziell und nachhaltig gefördert wird."

Zwar soll eine Umschichtung der bislang nicht abgerufenen Mittel erfolgen, was noch einmal rund 90 Millionnen Euro freigeben würde. Das ist für Aßmuth jedoch ebenfalls nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Allein im U 3-Bereich fehlen mehr als 320 000 Betreuungsplätze. Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung hat im November den öffentlichen Bedarf an Investitionen im Bereich der frühkindlichen Bildung für die kommenden zehn Jahre mit 50 Milliarden Euro beziffert. Beide Argumente führt Aßmuth zur Begründung der Petition ins Feld.

"Mit der leisen Beerdigung des Förderprogramms werden Eltern und Kinder im Stich gelassen", kritisiert Aßmuth. Er wundert sich darüber, dass ein von der SPD geführtes Ministerium derart agiert, denn sozial gerecht sei diese Handlungsweise nicht.

Im Pressegespräch betont Aßmuth, dass Peter Weiß das Anliegen sehr unterstützt habe. Von Johannes Fechner, SPD-Abgeordneter des hiesigen Wahlkreises, habe er bislang keine Rückmeldung erhalten. Das wiederum sorgt bei Fechner für Verwunderung. "Ich habe mehrfach mit Martin Aßmuth über dieses Thema gesprochen", sagt Fechner am Donnerstagnachmittag, "zuletzt auf dem Neujahrsempfang des Landkreises". Daher habe ihn diese Aussage sehr überrascht.

"Natürlich unterstütze ich den Vorstoß", sagt Fechner. Der Bund habe einen Haushaltsüberschuss in Höhe von 13,5 Milliarden Euro. "Ich werde mich dafür einsetzen, dass das Förderprogramm fortgeführt wird." Zudem soll es einen Termin im Familienministerium geben. Auch die Petition hält er für eine gute Sache.

Grundsätzlich sieht Aßmuth den Bund in der Pflicht. Aber auch das Land könne sich nicht komplett aus der Verantwortung ziehen, meint Aßmuth. Andere Bundesländer hätten ebenfalls Projekte zum Ausbau der Kinderbetreuung angestoßen. Die Landtagsabgeordnete Sandra Boser (Grüne) hatte kürzlich in einem Redaktionsgespräch mit dem Schwarzwäder Boten zwar unter anderem "PiA" und die Ausweitung der Leitungszeiten angeführt, "aber das reicht nicht aus", so Aßmuth.

Hofstettens Bürgermeister erwartet, "dass der Bund sich zu seiner Verantwortung bekennt und das Land sich nicht aus dieser zieht". Und auch wenn er die Petition jetzt im Alleingang eingereicht hat, hofft er weiter auf Unterstützung im Kollegenkreis. Die Rückmeldungen nach dem ersten Vorstoß seien jedenfalls überwiegend positiv gewesen.

Martin Aßmuth hat die Petition zur Veröffentlichung am Montag an den zuständigen Ausschuss eingegeben. Der Petitionssausschuss des Deutschen Bundestags überprüft nun, ob sie den formalen Kriterien entspricht. Diese Prüfung kann mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Wenn die Petition veröffentlicht wird, braucht es 50 000 Unterzeichner, damit sie im Bundestag behandelt wird. Ob sie diese erreicht, ist laut Aßmuths Einschätzung "fraglich". "Aber ich habe alles getan, was mir im demokratischen Prozess möglich ist, um auf diese Ungerechtigkeit hinzuweisen."

Dass das Bundesfamilienministerium bislang nicht anstrebt, den Ausbau der Kinderbetreuung weiterhin zu unterstützen, ist ein starkes Stück. Immerhin besteht seit 2013 ein gesetzlicher Anspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. Dass die Bundesregierung ihren Internetauftritt zum Gesetzesanspruch mit dem Satz "Eine gute Kinderbetreuung und frühe Förderung für alle Kinder gehören zu den wichtigsten Zukunftsaufgaben in Deutschland" einleitet, ist in diesem Zusammenhang geradezu zynisch. Kein Wunder, dass Kommunen wie Hofstetten, die sich nach Kräften mühen, diesem Anspruch gerecht zu werden, sich allein gelassen fühlen. Ob die Petition erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten. Mit deren Eingabe hat Bürgermeister Martin Aßmuth jedenfalls erneut ein deutliches politisches Signal gesendet: "So leicht lassen wir uns nicht unterkriegen." Steter Tropfen höhlt bekanntlich den Stein. Vielleicht ist es in diesem Fall auch so. Profitieren würden am Ende immerhin die Familien – nicht nur in Hofstetten.