Der Bau der Hoffnungshäuser – hier die Ansicht von der Haiterbacher Straße aus – ist bereits weit fortgeschritten. Foto: Fritsch

Fremde sollen zu Freunden werden – das ist das Motto der Hoffnungsträger-Stiftung. Flüchtlinge, sozial schwache und normalverdienende Paare, Singles und Familien, leben in "Hoffnungshäusern" Tür an Tür und lassen Gemeinschaft entstehen. In sieben Städten im Land steht bereits ein solches Haus – und auch in Nagold wird Hoffnung gebaut.

Nagold - Im "Hasenbrunnen" entsteht Hoffnung in Form von 17 Wohnungen, die in Zukunft etwa 60 bis 65 Menschen beherbergen können. Das Konzept der "Hoffnungshäuser" entstand in Leonberg, als ein Herzensprojekt des "Hoffnungsträger"-Gründers Tobias Merckle. Nach einem Besuch in Syrien realisierte er, was es überhaupt bedeute zu flüchten: In ein fremdes Land zu kommen, dessen Sprache man nicht spricht, keinen bezahlbaren Wohnraum zu finden und ein Fremder zu sein. Die "Hoffnungshäuser" sind jedoch nicht ausschließlich auf Geflüchtete ausgerichtet. In diesen sollen auch sozial schwache Familien mit einem Wohnberechtigungsschein und Normalverdiener einziehen – Singles, Paare, oder Familien.

Bezahlbarer Wohnraum

"In unseren Häusern soll sich die breite Gesellschaft widerspiegeln", sagt Thomas Röhm, der Bereichsleiter für internationale Programme bei der Hoffnungsträger-Stiftung und selbst Leiter eines der "Hoffnungshäuser" in Leonberg. Bezahlbaren Wohnraum schaffen ist eines der Kernpunkte des Projektes – die Mieten einer Wohnung im "Hoffnungshaus" befinden sich demnach zu 33 Prozent unter der örtlichen Vergleichsmiete.

Von Jordanien nach Nagold ins "Hoffnungshaus"

Eine der Wohnungen in den neuen Hoffnungshäusern in Nagold ist schon vergeben. Einziehen wird dort das Ehepaar Eva und Christoph Hartmann mit ihrer Familie. Sie werden die Standortleitung des "Hoffnungshauses" in Nagold übernehmen. Die beiden haben bereits Erfahrung in sozialer Arbeit. In Jordanien waren sie bei der Entwicklungshilfe tätig, haben dort mit Flüchtlingen gearbeitet und Integrationsarbeit geleistet. Diese wollen sie nun in Nagold fortsetzen, weshalb sie sich bei den Hoffnungsträgern um die Stelle als Standortleiter bewarben. Nun sind sie bei der Stiftung seit Oktober angestellt.

Als Standortleiter sind sie in erster Linie Ansprechpartner. Dazu unterstützen sie die Bewohner etwa bei der Suche und Vermittlung für Praktikums- und Ausbildungsplätze. Und: Sie sind für das Führen der intensiven Vorstellungsgespräche der Bewerber zuständig. "Wir fragen uns bei den Menschen: Haben sie die Motivation, zusammen in Frieden zu leben?", erklärt Christoph Hartmann. "Wir müssen schauen, wie die Bewerber damit klar kommen, wenn nebenan jemand von einer völlig anderen Kultur wohnt. Wenn Sunniten neben Schiiten wohnen, Türken neben Kurden. Denn das gibt es in einem Hoffnungshaus." Nach Hartmann sollten sich Bewerber vor ihrer Bewerbung klar sein, was es bedeutet, in ein solches Projekt zu ziehen: "Es ist notwendig zu wissen, worauf man sich einlässt", sagt der Standortleiter. Auch Röhm bestätigt das: "Um hier zu leben, braucht es eine innere Offenheit für Leute, die nicht meiner Kultur sind."

Offene Balkone für eine offene Gemeinschaft

Ein Schlüssel-Faktor für Offenheit ist die Architektur der Häuser selbst. Zwischen den Balkonen der jeweiligen Wohnungen befinden sich keine Trennwände. Theoretisch kann also jeder Nachbar zu jeder Zeit anklopfen und sich auf einen Kaffee einladen. "Der Gemeinschaftssinn hier macht es eben aus", sagt Röhm. "Ruhe gibt es in einem Hoffnungshaus nicht. Zurückgezogen leben, ist nicht. Das muss man wissen."

Das Projekt der Hoffnungshäuser soll die Integration in Deutschland fördern und einen Gemeinschaftssinn aufbauen. Dazu gibt es im Mietvertrag eine Zehn-Stunden-Klausel. Jeder der Bewohner muss sich für zehn Stunden im Moment für den gesellschaftlichen Zweck einsetzen. Dabei sei es egal, ob Kuchen backen oder Rasenmähen. Das wichtigste ist: Kontakt herstellen. "Jeder muss sich einbringen, egal ob Flüchtlingsfamilien, oder die, die mitten im Leben stehen", erklärt Hartmann. Denn genau auch das zählt mitunter zu Integration: Zu lernen, was zu einer schwäbischen Kehrwoche dazugehört, schmunzeln Röhm und Hartmann. Ein Limit für wie lange man im "Hoffnungshaus" verweilen darf, gibt es übrigens keins. "Die Leute hier machen einen Prozess durch. Wenn sie sich familiär vergrößern, oder einen Ausbildungsplatz gefunden haben, ziehen manche nach einigen Jahren wieder aus", sagt Röhm.

Individuelle Ausstattung

Die Hoffnungshäuser sollen dabei auch einen Teufelskreis durchbrechen, in dem sich die Bewerber – vor allem Migranten und Flüchtlinge – oft befinden, so Röhm. "Vor allem im Großraum Stuttgart ist es unmöglich für eine siebenköpfige Familie aus Syrien bezahlbaren Wohnraum zu finden", hat er bereits die Erfahrung gemacht. Erfolgreiche Integration sei dabei ein Ding des Unmöglichen.

Die Wohnung ausstatten und einrichten, dürfen die Bewohner selbst. Diese ist bei Einzug nahezu komplett leer – bis auf ein Badezimmer und eine Einbauküche. "Uns ist es wichtig, dass sich jeder individuell einrichten darf. Es soll sich ja auch jeder wohlfühlen", so Röhm.

Da die Stiftungserlöse für den Erhalt der Häuser nicht ausreichen, ist die Hoffnungsträgerstiftung mit ihrem karikativen Ansatz auf ein Netzwerk von Spendengebern angewiesen. Dazu hat die Stiftung sogar eine eigene Fundraiserin angestellt. Je größer das Netzwerk an einem jeweiligen Standort ist, desto besser. Hartmann und Röhm hoffen auch am neuen Standort Nagold auf zahlreiche Unterstützung der ortsansässigen Industrie und Bürgern. "Auch wenn es nur eine kleine Sachspende ist: Wir brauchen Unterstützung", so Röhm.