Thüringens AfD-Chef strapaziert die Meinungsfreiheit immer wieder. Nun hat ihn das Landgericht Halle zu einer hohen Geldstrafe verurteilt.
Björn Höcke ist nun also erst mal mit dem Makel belegt, kein völlig unbescholtener Bürger dieses Landes mehr zu sein. Das Landgericht in Halle hat den Thüringer AfD-Chef zu einer Geldstrafe verdonnert, und die ist mit 100 Tagessätzen zu je 130 Euro ziemlich heftig ausgefallen. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig, das Aushängeschild der AfD wird weiter um einen Freispruch kämpfen und mit hoher Wahrscheinlichkeit den Bundesgerichtshof, womöglich auch noch das Bundesverfassungsgericht bemühen. Aber wie das oft so ist in den Augen einer breiten Öffentlichkeit, das „verurteilt“ wird im Gedächtnis haften bleiben, das „nicht rechtskräftig“ im Erinnerungsnebel verschwinden. Zumindest vorerst.
Das Gesagte ist gut dokumentiert
Es war im Mai 2021, als Höcke zum Abschluss des Landtagswahlkampfs in Sachsen-Anhalt auf eine Bühne stieg und zu rund 250 Zuhörern sprach – als letzter einer ganzen Reihe von Rednern seiner Partei. „Alles für Sachsen-Anhalt, alles für die Heimat, alles für Deutschland“, das waren die Schlussworte seiner Rede. „Alles für Deutschland“, das war auch die Parole der nationalsozialistischen Sturmabteilung (SA), einer paramilitärischen Organisation der NSDAP. Das bewusste Verwenden von Nazi-Parolen ist in Deutschland verboten. Paragraf 86a des Strafgesetzbuches stellt das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen unter Strafe. Parolen werden wie Kennzeichen behandelt.
Das Gesagte ist in diesem Fall bestens dokumentiert gewesen, fraglich war hingegen, stets, ob Björn Höcke gewusst hat, was er da sagt. Während der insgesamt vier Verhandlungstage hatte der ehemalige Geschichtslehrer versucht, diesen Vorwurf zu entkräften. Höcke hatte Bücher präsentiert, die viel über das dritte Reich aussagen – aber nicht in einem Satz diesen Spruch erwähnen. Er hat Sachverständige aufgefahren, die erklärten, dass diese Parole nicht zu den bekannten gehört. „Alles für Deutschland“, der Spruch sei weitgehend in Vergessenheit geraten gewesen, als ihn Höcke benutzt habe, sagte einer seiner drei Anwälte in seinem Plädoyer und forderte einen Freispruch. Das Gericht konnte er damit nicht überzeugen.
Ein „intelligenter Mann“ der weiß, was er sagt
„Sie sind ein redegewandter, intelligenter Mann“, so der Vorsitzende Richter Jan Stengel in seiner Urteilsbegründung. Ein Lob, das Höcke nicht zum Vorteil gereichte. Denn der Richter setzte hinzu: „Ein Mann, der weiß, was er sagt“. Das Gericht stimmte Höcke zu bei dessen Behauptung, dass der Spruch spontan verwendet worden sei – allerdings sah der Vorsitzende Richter eine andere Intention dahinter: „Mal sehen, wie weit ich gehen kann“. Höcke, so Jan Stengel, sei jemand, der den Deckmantel der Meinungsfreiheit stark strapaziere.
Ein Vorwurf, der nicht neu ist für den AfD-Rechtsaußen. Dass er mit verbalen Entgleisungen, mit Tabubrüchen und zahlreichen Provokationen immer wieder gezielt die Grenzen des Sagbaren verschiebe, das haben ihm schon zahlreiche Wissenschaftler entgegen gehalten, die Höckes Reden analysierten. Und dabei gibt es immer wieder Anlehnungen an Nazi-Vokabular. So etwa die Bezeichnung „Volksverderber“ für den ehemaligen SPD-Chef Sigmar Gabriel. Der „augenscheinlich fundierte NS-Sprachschatz des Angeklagten deutet auf Täterwissen hin“, erklärte auch Staatsanwalt Benedikt Bernzen in Halle. Die Anklage hatte eine sechsmonatige Freiheitsstrafe gefordert gehabt.
Höcke zündelt immer wieder
Die Forderung nach einer Freiheitsstrafe begründete die Staatsanwaltschaft unter anderem mit dem Nachtatverhalten Höckes – konkret mit einem Auftritt in Gera, im Dezember vergangenen Jahres. Da hatte der Thüringer AfD-Chef bei einer Rede „Alles für“ gesagt, und das Publikum dazu animiert, „Deutschland“ zu brüllen. Aus diesem Grund ist bereits eine weitere Anklage vor dem Landgericht in Halle zugelassen.
Ursprünglich sollten die Fälle gemeinsam verhandelt werden, wurden dann aber auf Antrag von Höckes Verteidigung wieder getrennt. Als der Vorfall in Halle geschah, wurde bereits gegen Höcke ermittelt – auf Nichtwissen kann sich der ehemalige Geschichtslehrer dabei also nicht mehr berufen.
Und es muss nicht die letzte Anklage dieser Art sein. Wie das Portal „T-online“ berichtet, soll Höcke eine ähnliche Situation wie in Gera auch am 1. Mai dieses Jahres in Hamm provoziert haben. Zu diesem Zeitpunkt hatte Höcke sogar schon den ersten Prozesstag im nun entschiedenen Verfahren als Angeklagter hinter sich.