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Durch Millionenschäden wird der Ruf nach mehr Hochwasserschutz in Ditzingen laut.
 

Stuttgart - Die Pumpen laufen und laufen: Auch drei Tage nach den verheerenden Überschwemmungen im Strohgäu sind die Feuerwehrleute im Dauereinsatz, um geflutete Keller, vollgelaufene Tiefgaragen und versunkene Sporthallen trocken zu legen. Durch Millionenschäden wird der Ruf nach mehr Hochwasserschutz laut.

Auf der Ditzinger Lache hätten am Sonntag auch ambitionierte Kajakfahrer ihren Spaß haben können. Durch die heftigen Regenfälle war der normalerweise als harmloses Rinnsal durch die Stadtmitte fließende Wasserlauf zum reißenden Wildbach angeschwollen, von sommerlicher Trockenheit konnte bei mehr als 100 Liter Regen pro Quadratmeter keine Rede sein.

"Ich habe vom Oberbürgermeister schriftlich, dass Ditzingen nicht an der Elbe liegt - und jetzt sehen Sie diesen Schlamassel an", schimpfte ein mit dem Auspumpen seines Heizraums beschäftigter Hausbesitzer lauthals auf die Rathausidee zur Freilegung des Gewässers. Vor sechs Jahren war der zuvor im Untergrund verdolte Bach aus ökologischen Gründen ans Tageslicht geholt worden - jetzt drückten an der Mündung des Beutenbachs in die Lache gewaltige Wassermassen in die Ablaufschächte.

"Geld wäre sehr gut angelegt gewesen"

Den Vorwurf, allein der offene 300-Meter-Abschnitt hätte die Überflutung in Ditzingen ausgelöst, weist der Ditzinger OB Michael Makurath zwar vehement zurück: "Der Bach selbst ist am Sonntag nicht über seine Ufer getreten", erklärt der Rathauschef. Gedanken über einen verbesserten Hochwasserschutz macht sich die Stadt nach den millionenschweren Überflutungsschäden aber "Wir müssen uns dringend um den Ausbau der Rückhaltebecken kümmern - auch wenn wir für einen wirkungsvollen Schutz auf unsere Nachbarn angewiesen sind", fordert Makurath ein Umdenken.

Der Hintergrund: Dass in Ditzingen am Sonntag nicht nur Stadthalle und Klärwerk, sondern auch das komplette Schulzentrum überflutet wurden, lag nicht allein am über der Stadt niedergehenden Regenguss. Die Strohgäukommune bekam auch die Wassermassen ab, die auf Gerlingen und die nördlichen Stadtteile Stuttgarts prasselten - nachdem 118 Keller und die beiden Untergeschosse des Gerlinger Rathauses vollgelaufen waren, leitete das natürliche Gefälle die Überschwemmung über den Beutenbach und das Scheffzental unweigerlich in den Nachbarort Ditzingen weiter.

Pikant ist an den Hochwasserschäden, dass ein Schutzkonzept längst in der Schublade liegt - bisher aber an der Verteilung der finanziellen Kosten scheiterte. "Leider haben wir aus Gerlingen noch kein grünes Licht erhalten. Und auch im Stuttgarter Gemeinderat steht trotz positiver Signale der formale Beschluss noch aus", klagt der Ditzinger OB über die Hängepartie. Bereits vor 17 Jahren hatte das damalige Wasserwirtschaftsamt bei den drei Kommunen ein Rückhaltebecken für den Beutenbach angemahnt, um Überflutungen zu verhindern. Im Scheffzental sollte ein Stauwerk mit 4,70 Meter Höhe einen kontrollierten Abfluss der Wassermassen ermöglichen - das etwa 1,2 Millionen Euro teure Bauwerk hätte 57.000 Kubikmeter Wasser wenigstens zeitweise zurückhalten können.

Passiert aber ist seither nichts. "Bei den Schäden durch das Hochwasser wird klar, dass das Geld sehr gut angelegt gewesen wäre", sagt Makurath. Unterdessen hat die Landesvereinigung Bauwirtschaft das vielfach nicht ausreichende Fassungsvermögen des Kanalnetzes kritisiert. "Zahlreiche Überflutungsschäden sind vermeidbar, wenn die Dimension der Rohre stimmt", erklärte Geschäftsführer Dieter Diener. Ein wachsendes Problem sei auch der marode Zustand der Rohre - in Baden-Württemberg gelten 17 Prozent als schadhaft.