"Gott kennt mich" – Pfarrer Timo Weber spricht ein Gebet bei der Wiedereröffnung der Hochturmkapelle. Foto: Hildebrand

Religion: Musikalische Feierstunde zur Wiedereröffnung der Hochturmkapelle / Psalm 139 nimmt einen zentralen Raum ein

Rottweil. 120 Leute sind am Wochenende ins Rottweiler Münster gekommen und damit der Einladung der Gemeinde Heilig-Kreuz gefolgt, an der Feier zur Wiedereröffnung der Hochturmkapelle teilzunehmen.

Der international tätige Rottweiler Künstler Tobias Kammerer und Armin Gaus mit seinem Ensemble "Collegium Cantorum Rottweil" hatten eine besondere Feierstunde vorbereitet. Es sollte die Finissage eines künstlerischen Werkes sein, das vor 20 Jahren mit Glasarbeiten in der Kapelle seinen Anfang nahm und welches der Künstler nun mit der farblichen Ausgestaltung des Innenraums beenden durfte.

Gespräch mit Häftlingen

Im Mittelpunkt stand der Psalm 139. Kammerer erzählte, dass er bereits im Jahr 2000 bei der Gestaltung einer Kapelle in der JVA Kassel bei Gesprächen mit den Häftlingen bemerkte, wie diese in ihrer bedrückenden Situation aus den Texten dieses Psalms Mut und Hoffnung schöpften. In diesem Psalm steht, Gott wisse alles und sei allgegenwärtig: "Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten. Spräche ich: Finsternis möge mich decken und Nacht statt Licht um mich sein, so wäre auch Finsternis nicht finster bei dir, und die Nacht leuchtete wie der Tag. Finsternis ist wie das Licht."

Die Aussagen "Gott kennt mich" und "Gott sei immer da" hätten ihn besonders berührt, und so habe er unter diesem Eindruck die Hochturmkapelle ausgestaltet.

Armin Gaus versuchte eine musikalische Interpretation dieses Psalms zu einer Videoschau von Marius Keller, die Tobias Kammerer bei der Arbeit zeigte, wie er die Kapelle ausmalte. Das große Kreuz von 1400 stand ihm dabei oft im Weg, wenn er an der Wand malen sollte. Der Künstler erzählte, dass es manchmal ganz besondere Momente für ihn gewesen seien, wenn er allein mit diesem Christus in der Kapelle war, ihm ganz nahe kam, er ihn manchmal sogar umarmen musste, um mit dem Farbpinsel an die Wand dahinter zu kommen. In seiner Größe hätte er fast wie ein echter Mensch gewirkt.

Detailaufnahmen von diesem gekreuzigten Christus ließen die Zuschauer dieser Skulptur nahe kommen.

"Gott kennt mich", heißt es im Psalm. Armin Gaus suchte einen musikalischen Zugang zur Beziehung Gott-Mensch und den Möglichkeiten, wie sich der Mensch Gott nähern kann. Er fand, dass man sich im Sakrament der Eucharistie Gott nähern könne. Und so erklangen einige Vertonungen des Tantum ergo, dem Hymnus zu Fronleichnam, geschrieben von dem großen Kirchenlehrer Thomas von Aquin und meisterlich gesungen vom Ensemble "Collegium Cantorum Rottweil" unter der Leitung von Armin Gaus. Dazwischen spielte er zeitgenössische Orgelwerke, etwa von Olivier Messiaen oder Jehan Alain sowie eine Fantasie über eine für dieses Werk komponierte Melodie.

Werkzeichnung und Wein

Mit großem Applaus bedankten sich die Anwesenden für diese musikalische Andacht. Die Feier fand dann bei der Kapelle ihren Abschluss, wo Pfarrer Timo Weber mit einem Segensgebet die Hochturmkapelle, im Volksmund auch Judas-Thaddäus-Kapelle genannt, offiziell nach einer langen Corona-Pause wieder eröffnete.

Tobias Kammerer erklärte an einer Werkzeichnung, wie er bei den Arbeiten vorging und welche Bedeutung die Farben im Raum haben.

Im persönlichen Gespräch konnte man dann noch verweilen bei einem Glas Wein, gespendet von Michael Grimm.