Doktorandin, Gründerin, Speakerin beim Weltphysiokongress: Anna-Julia Bay von der Hochschule Furtwangen Foto: Jigal Fichtner

Anna-Julia Bay studiert an der Hochschule Furtwangen,erreichte in ihrer Masterthesis die Traumnote 1,3 und stellt auf dem Weltphysiokongress in Tokyo eine ganz besondere App vor.

Mit einem neuartigen Konzept, das Arztbesuche und Physiotherapieanwendungen mit Telemedizin kombiniert, startet an der Hochschule Furtwangen (HFU) eine besonders engagierte Studentin durch. Anna-Julia Bay erreichte in ihrer Masterthesis die Traumnote 1,3. Sie begann mit ihrer Dissertation an der HFU – und hat nebenbei ein Produkt entwickelt, das die Behandlung von knie- oder hüftoperierten Patienten revolutionieren könnte.

 

Dabei war ihr Lebensplan ursprünglich ein anderer. Anna-Julia Bay wusste schon früh, dass sie Medizinerin werden möchte. Ihr Vater lebte ihr als Chirurg die Leidenschaft vor, Menschen helfen zu können. So begann Anna-Julia Bay ein Medizinstudium, und zwar bei der Bundeswehr. Als sie sich nach zwei Jahren entschied, dort auszusteigen, musste jedoch eine Übergangslösung her. Bay begann Physiotherapie zu studieren, „eigentlich als Überbrückung zum Medizinstudium“, und erlebte eine Überraschung. „Ich fand absolut unglaublich, wie effektiv man Menschen helfen kann, ohne invasiv einzugreifen, ohne Medikamente, ohne Eingriffe“, erinnert sie sich.

Sie sieht ihre Arbeit als erfüllend an

In ihrem Bachelorstudium stürzte sich Bay mit Begeisterung auf die Grundlagenarbeit zu oberen Extremitäten. „Krass, wie wenig wir über orthopädische Krankheitsbilder wissen“, staunt sie noch heute. Um ihr Wissen sofort anzuwenden, startete Bay früh in die Praxisarbeit und widmete sich ganz ihrer neuen Berufung. „Das war sehr erfüllend. Allerdings habe ich auch immer weiter Fortbildungen gemacht und mich auch über den Beruf hinaus für Forschungsthemen in diesem Bereich interessiert. Und schnell gemerkt: Ich will weitermachen!“

Über eine Freundin entdeckte Bay den Masterstudiengang „Angewandte Gesundheitsförderung“ an der HFU. „Mir war klar: Das ist es! Ich möchte mein Arbeitsfeld nicht verengen, sondern noch erweitern“, berichtet Bay, der es auch darum geht, dass viel zu viel kurativ behandelt werde, statt präventiv.

Zuhause diskutiert sie mit ihrem Vater

Nicht nur im Studium beschäftigte sie sich intensiv mit der Frage nach der Effektivität des Gesundheitswesens, auch zuhause diskutierte sie dazu mit ihrem Vater, der seine Sicht als Spezialist für Knie- und Hüftchirurgie mit einbrachte. Gemeinsam überlegten die beiden, ob es nicht gelingen könnte, solche Eingriffe länger aufzuschieben beziehungsweise die Behandlung von Patienten wirksamer zu gestalten. „Stationäre Rehas sehe ich kritisch“, sagt Bay, „und der konservative Behandlungsplan mit drei Monaten Therapie vor der OP überzeugt mich nicht, viele Patienten haben einen längeren Verlauf. Ich dachte mir: Alle beschweren sich über das System, da entwickle ich doch etwas, was das besser macht“, sagt die junge Frau resolut. Und entwarf ein telemedizinisches Konzept, eine App, die Patienten drei Monate vor und neun Monate nach einer OP begleiten soll. „Das hat alles so zusammengepasst und immer mehr Sinn ergeben. Ich bin geradezu durch den Master geflogen“, sagt sie begeistert. Viele Studieninhalte habe sie direkt in ihr Konzept integrieren können.

Mit einem Team will sie ihr Ziel durchsetzen

Einen nächsten großen Schritt machte die Gründerförderung der HFU möglich. Anna-Julia Bay errang eine erste Fördersumme für ihre Idee, und fand außerdem Mitstreiter für die Bereiche, die sie selbst nicht abdecken konnte: den psychologischen Faktor und das technische Know-how. „Heute arbeite ich mit meiner Mitgründerin Amelie Horn, einer Ingenieurpsychologie-Studentin, und Gideon Faber, einem Informatiker, in einer Arbeitsgruppe zusammen. Gemeinsam setzen wir die Idee meiner Masterthesis, die App, um“.

Betreut wird das Team von Kirsten Steinhausen und Christophe Kunze von der HFU. Die Anwendung soll ein Hilfsmittel sein, von dem hauptsächlich Patientinnen und Patienten profitieren. Sie erhalten mit Aufklärungseinheiten und Beispielvideos viele Informationen und Anleitungen, um ihrer Erkrankung wirksam zu begegnen.

Aber auch Ärzte, Pflegepersonal und Therapierende profitieren von der schlauen Entwicklung – „wenn die Patienten schon über die Grundlagen Bescheid wissen und regelmäßige Übungen machen, dann können sich Ärzte und Therapeuten auf die individuellere Betreuung konzentrieren“, beschreibt Bay.

Medizintechnik-Branche zeigt sich interessiert

Es geht Schlag auf Schlag mit ihrem Geschäftskonzept. Viele positive und interessierte Rückmeldungen auch aus der Medizintechnik-Branche erreichten Bay inzwischen.

Mittlerweile unterstützt auch ein Stipendium der „Female Founders“ das vielversprechende Projekt, Bay und ihre Mitstreiter nehmen Kontakte zu den Krankenkassen auf, und die Sportklinik in Ravensburg ist als Projektpartner dazugestoßen. Als Nächstes steht dann die anspruchsvolle Zulassung als Medizinprodukt an und die Gebrauchstauglichkeitsprüfung des Produkts, berichtet Bay.

Trotz des enormen Tempos fand sie irgendwie auch noch Zeit, sich mit ihrer Idee als Speakerin für den Weltphysiokongress zu bewerben, der in diesem Sommer in Tokyo stattfindet – und wurde prompt angenommen.