Die Zahl der Kollegen mit künstlicher Intelligenz wird in Zukunft sicher wachsen – dennoch hat die gute alte Nähmaschine noch nicht ausgedient. Foto: Hochschule Albstadt-Sigmaringen/Korinth

Masterstudenten der Hochschule Albstadt-Sigmaringen haben sich mit dem Thema Industrie 4.0 befasst.

An der Hochschule Albstadt-Sigmaringen haben sich zwei interdisziplinäre Projektgruppen der Masterstudiengänge Textil- und Bekleidungsmanagement sowie Systems Engineering während des Sommersemesters mit dem Thema Industrie 4.0 beschäftigt. Eine Gruppe arbeitete an einer KI-basierten optischen Kategorisierung von Alttextilien, die andere setzte ein Manufacturing Execution System (MES) zur vernetzten und automatisierten Fertigung einer Citybag samt Laptop- und Tablet-Tasche ein. Die Ergebnisse haben sie nun, zum Semesterende, vorgestellt.

 

Die können sich sehen lassen. Das auf die Sortierung und Weiterverwertung von Altkleidern spezialisierte Unternehmen Striebel Textil hatte sich von der ersten Gruppe eine automatisierte Vorsortierung gewünschte, erstens, um die Zahl der Fehlzuordnungen zu verringern, und zweitens, um den Fachkräftemangel zu kompensieren. Beim Versuch, den Sortierprozess mittels Künstlicher Intelligenz zu automatisieren, konnten die Studenten auf Erkenntnisse aus einem Vorläuferprojekt mit dem Schülerforschungszentrum Bad Saulgau zurückgreifen.

Mehr als 6000 Textilien fotografiert

Für die Katalogisierung der Kleidungsstücke bauten sie eine Fotobox mit einer hochauflösenden Industriekamera und fotografierten darin mehr als 6000 Kleidungsstücke, um die KI zu „trainieren“. Für dieses Training schrieben sie eine eigene Software, welche die KI befähigte, Muster zu erkennen und den eigenen Lernerfolg in wiederholten Selbsttests zu überprüfen. Wie sich zeigte, stieg mit der Zahl der gelabelten Textilien auch die Trefferquote.

Ordnung scheint die KI zu irritieren

Dass trotzdem noch Luft nach oben bleibt, zeigte sich beim Praxistest. Die KI konnte ein Schuhpaar, das achtlos und ohne Ordnung in der Fotobox platziert war, überraschend eindeutig identifizieren – doch wenig später ordnete sie ein Paar parallel angeordneter Schuhe der Kategorie „Kinderhose“ zu. Die Projektgruppe führt das auf eine unzureichende Datenbasis zurück: Um die KI hinlänglich zu trainieren, müssten Zehntausende von Textilien aller Kategorien eingespeist werden. Ungelöst bleibt vorerst auch die Frage, wie die KI-gestützte Vorsortierung in den Betriebsablauf des Projektpartners integriert werden kann.

Die zweite Projektgruppe, die ein MES, ein vernetztes System für eine automatisierten Produktion, implementieren musste, wurde von der Firma TechCrafters unterstützt, deren Gründer und Chef Philipp Schinacher selbst Absolvent der Hochschule ist. Er hat sich aus dem letztjährigen Projekt heraus mit einem Start-up selbstständig gemacht und unterstützt nun Firmen in aller Welt bei der Entwicklung maßgeschneiderter Lösungen für automatisierte und vernetzte Fertigungsprozesse.

Je weniger Nähte das Muster hat, desto besser

Die Studierenden entwarfen zunächst verschiedene Prototypen; ihr Ziel war ein Schnittmuster mit möglichst wenig Nähten. Danach widmeten sie sich dem Arbeitsablauf – er sollte so flexibel wie möglich auf wechselnde Produktions- und Marktbedingungen reagieren können, wofür sich der Einsatz des MES unbedingt empfiehlt: Ressourcen lassen sich in Echtzeit zuweisen, die Produktionsschritte sind leicht zu überwachen, und es werden zahlreiche Daten erhoben, die bei der weiteren Optimierung der Produktion von Nutzen sein können. Bei der Live-Demo wurden mit beachtlichem Tempo mehrere Taschen und Inlays von und gleichbleibend hoher Qualität gefertigt – das Publikum war beeindruckt.