Der 1. Mai wird als verkaufsoffener Sonntag in diesem Jahr Teil des Nagolder Frühlings sein. Der Nagolder Gemeinderat schaffte dafür die rechtliche Voraussetzung. Unser Archivfoto entstand beim letzten verkaufsoffenen Sonntag im Frühling im Jahr 2019. Foto: Fritsch

Wirklich einfach hat sich der Gemeinderat diese Entscheidung nicht gemacht: Ausgerechnet am 1. Mai – dem Tag der Arbeit und der Arbeiterbewegung, und am 2. Oktober wird es in diesem Jahr verkaufsoffene Sonntage in Nagold geben. Vor allem das erste Datum erregte die Gemüter erheblich.

Nagold - Bereits in der Vorwoche, als das Thema auch im Verwaltungsausschuss des Gemeinderats ausführlich diskutiert wurde, zeichnete sich der Widerstand vor allem der SPD-Fraktion gegen einen verkaufsoffenen 1. Mai ab. "Die SPD wird dem Vorschlag nicht zustimmen", sagte SPD-Fraktionssprecher Daniel Steinrode dann auch jetzt im Gemeinderat. "Das ist völlig aus der Zeit, an so einem Tag für die Familie einen verkaufsoffenen Sonntag zu veranstalten."

Schäfer: "Mit geballten Fäusten"

Zuvor hatte auch Wolfgang Schäfer als CDU-Fraktionssprecher seinen grundsätzlichen Unmut mit einem verkaufsoffenen Sonntag explizit am 1. Mai klar gemacht: "Wir haben ein Problem damit, ausgerechnet einen Tag wie den 1. Mai für den Verkauf zu öffnen" – und damit mit einer Konkurrenz zu versehen für die klassischen Veranstaltungen und Nutzungen dieses Tags der Arbeit. "Wir haben in der Fraktion das Thema ausführlich diskutiert", so Schäfer schließlich, und man werde die verkaufsoffenen Sonntage in der vorgeschlagenen Form am Ende aber trotz aller Bedenken doch mittragen. "Aber mit geballten Fäusten", so Schäfer: "Für eine glückliche Entscheidung halten wir das nicht."

Plaschke: "Corona geschuldet"

Weshalb schließlich Siegrid Plaschke (FWV), selbst Weinhändlerin in der Nagolder Innenstadt und Vorsitzende des Cityvereins, zu einem ziemlich leidenschaftlichen Plädoyer pro der beantragten verkaufsoffenen Sonntage – auch am 1. Mai – ansetzte. Der ungewöhnliche Termin im Frühjahr sei einzig und allein "Corona geschuldet". Man habe erst ab dem April und der Aufhebung der meisten Corona-Maßnahmen eine solche Großveranstaltung planen können, "da war kein anderer Termin mehr möglich!" Und der Nagolder Handel brauche diesen verkaufsoffenen Sonntag mit dem zugehörigen Event, den "Nagolder Frühling" - der in Verbindung mit einem Frühlingsmarkt in der Marktstraße, Turmstraße, Hirschstraße und der Waldachstraße stattfinden werde. Ergänzt würde die Veranstaltung noch durch einen Biergarten auf dem Longwyplatz.

"Die Situation im Handel ist sehr prekär", so Plaschke. Der Krieg in der Ukraine, die Preisexplosionen in so vielen Bereichen würden für "eine große Verunsicherung" bei den Kunden und Konsumenten sorgen. Sie wisse: "Die Mitarbeiter" - im stationären Handel der Nagolder Innenstadt - "stehen hinter uns". In dieser Situation "kann man die alte Gewerkschaftsweisheit nicht aus der Versenkung holen", der 1. Mai sei grundsätzlich arbeitsfrei. Dem Nagolds Oberbürgermeister Jürgen Großmann unbedingt beipflichtete: "Wir sind in einem Ausnahmejahr", wobei der Schultes auch versprach: "Das wird keine Regel werden."

OB: "Da stehen viele mit dem Rücken zur Wand"

Gleichzeitig warnte der OB ausdrücklich vor einem negativen Votum des Gemeinderats zu den beiden verkaufsoffenen Sonntagen in diesem Jahr in Nagold: "Damit zeigen Sie dem Handel die kalte Schulter." Und mit ordentlich Dramatik in seiner Stimme: "Da stehen viele mit dem Rücken zur Wand!" Was zumindest Bärbel Reichert-Fehrenbach (FDP) sichtlich beeindrucken konnte: "Dieses Jahr ist eh alles anderes", so die Senior-Chefin der Nagolder Stadt-Apotheke. "Da sollten wir uns zu dieser Entscheidung wirklich durchringen." Was Oliver Mayer (CDU) als hiesigen Hausarzt zu dem schon irgendwie resignierend klingenden Statement animierte: "Hoffen wir auf schlechtes Wetter" am 1. Mai, damit die Leute auch wirklich in die Läden flüchten würden – denn bei "gutem Wetter gehören alle Familien unbedingt raus in die Natur."

Vier Gegenstimmen

Schließlich rief der OB seinen Gemeinderat mit den beeindruckend flehentlichen Worten: "Ich bitte um Ihre Mehrheit!" zur Abstimmung auf – die, gemessen an den Diskussionen zuvor, dann doch relativ eindeutig ausfiel: vier Gegenstimmen, eine Enthaltung – also mit großer und deutlicher Mehrheit wurden die beiden verkaufsoffenen Sonntage am 1. Mai und 2. Oktober genehmigt und auf den Weg gebracht. Womit jetzt die Planungen für den "Nagolder Frühling" und den "Urschelherbst" richtig starten können.

Auch der Urschelherbst wird parallel in der Marktstraße einen Kunsthandwerkermarkt und in der Turm- und Hirschstraße einen Bauernmarkt erleben. Und auch der Biergarten auf dem Longwyplatz ist ebenfalls wieder vorgesehen.

Info: 1. Mai

Der 1. Mai ist unter anderem in Deutschland ein gesetzlicher Feiertag. Er wird auch als Tag der Arbeit bezeichnet. Erstmalig wurde der Feiertag am 1. Mai 1919 begangen. Dann erst wieder unter den Nationalsozialisten ab dem 1. Mai 1933. Als weltweiter "Protest- und Gedenktag" wurde der 1. Mai erstmals 1890 mit Massenstreiks und Massendemonstrationen in der ganzen Welt begangen und erinnerte damit an die blutigen und zum Teil tödlichen Auseinandersetzungen der "Haymarket Affair" in den USA 1886.