Der Botschafter verabschiedete sich mit herzlichen Worten vom "Bruckwirt" Karl Koch. Rechts davon das Enkelkind und die Frau des Botschafters, ganz links der persönliche Referent des Botschafters. Foto: Archiv Morgenstern

In Zeiten des Ukraine-Krieges weckt eine Begegnung in Schiltach besonderes Interesse: der russische Botschafter war 1967 zu Gast im Kinzigtal.

Schiltach - Es ist nur ein kleiner Zeitungsausschnitt, im Stadtarchiv Schiltach "versteckt" in einer Akte namens "Reichs- und Bundessachen" abgelegt. Doch während darin in der Hochzeit des Kalten Kriegs immer wieder vor Kontakten mit der "Ostzone" (DDR) und dem "Ostblock" gewarnt wird, fällt ein ausgeschnittener Artikel des Schwarzwälder Boten vom 4. Juli 1967 auf.

Ungezwungen im Gespräch

Unter dem Titel "Botschafter Zarapkin in der Brücke" liest man von einem Zwischenhalt des Botschafters der Sowjetunion in Schiltach zwei Tage zuvor. Semjon Konstantinowitsch Zarapkin, seit 1966 Chef der Vertretung der Siegermacht des Zweiten Weltkriegs in Bonn und damit in Zeiten des westdeutschen Alleinvertretungsanspruchs einziger Botschafter der gesamten sozialistischen Staatenwelt in der Bundesrepublik, ist ungezwungen im Gespräch mit den Kinzigtälern. Gerade in unseren Tagen erscheint das geradezu unglaublich. Waffenklirrend stehen sich damals Ost und West gegenüber, aber hier ist Raum für Begegnung.

In einer Eisenhütte tätig

Geboren 1905 im südukrainischen Mykolajiv, heute ein Ziel russischer Bomben, steigt Zarapkin rasch auf. 1945 ist der aus einer Arbeiterfamilie stammende und zunächst selbst in einer Eisenhütte tätige Diplomat einer der Unterhändler bei den Verhandlungen zur Charta der UNO. Nachdem er danach in den USA eingesetzt wurde, erfüllt er nun den wahrscheinlich hinter Washington wichtigsten Botschafterposten seines Heimatlandes.

Auf der Rückfahrt vom Bodensee

Nach Schiltach führt ihn offensichtlich ein Zufall. Seit 1966 veranstaltet der Rallye-Club Bodensee eine Autotour zwischen Moskau und Konstanz – und ermöglicht damals seltene Ost-West-Begegnungen. Nun, im Juli 1967, ist Zarapkin auf der Rückfahrt von seinem Besuch in der Bodenseestadt. In Schiltach kehren Zarapkin, seine Frau, die Enkelin und sein Referent für eine Pause ins Gasthaus "Zur Brücke", geführt von Kurt Koch, ein.

Die Umgehungsstraße ist noch Jahrzehnte entfernt, so müssen die Reisenden auch die Schramberger Straße passieren. Im Gespräch sollen neben den Lebensverhältnissen der Schiltacher vor allem die schulischen Verhältnisse und die Lage der Lehrer besonderes Interesse bei dem "russischen Botschafter" (so die damals übliche Ausdrucksweise) hervorgerufen haben.

Dauerhafter Frieden gewünscht

Bei den Nachrichten der Gegenwart machen die Worte von Frau Zarapkina besonders nachdenklich: "Jeder Krieg ist eine schlechte Sache. Wir Russen wünschen einen dauernden Frieden wie alle Völker dieser Erde."

Schließlich machen sich die prominenten Gäste wieder auf den Weg – ein kräftiger Händedruck und ein Lächeln verabschieden den Vertreter Moskaus. Im Amt bleibt Zarapkin bis 1971. Nicht nur in Schiltach wird er in seiner langjährigen diplomatischen Laufbahn mit seiner freundlichen Art Sympathien gewinnen. Der Zeitungsausschnitt erinnert an diese Episode und mahnt zugleich, wie wichtig der Austausch auch über tiefe Gräben ist. Abgelegt wurde er mitten in einer Akte voller Warnungen vor unvorsichtigen Kontakten.