Mittelalterliche Musik und traditionelle Tanzstücke aus dem gesamten, europäischen Raum gab es von "MinneZit". Foto: Köncke

Zu einer spannenden Reise in vergangene Zeiten hatte das Altensteiger Schlossmuseum eingeladen.

Altensteig - Auf dem Außengelände und in der Burg wurde geschnitzt, gebohrt, gefilzt, mittelalterlicher Musik gespielt und an einer Rittertafel aufgetischt.

Drei Jahre waren die beiden Zugänge zum "Historischen Handwerkerhof" wegen Corona geschlossen. Museumsleiterin Sandra Seltenreich - sie trug aus aktuellem Anlass ein Original-Kettenhemd - und viele Mitstreiter hatten sich deshalb besonders ins Zeug gelegt.

Abstriche wegen Brandgefahr

33 Handwerker und Händler wurden engagiert, Standplätze vergeben und eingeteilt, Musikgruppen verpflichtet, ein Kinderprogramm auf die Beine gestellt, Kuchen für das dekorierte Schlosscafè gebacken, für genügend Getränke- und Essensstände gesorgt, beim kulinarischen Angebot auch an die Vegetarier gedacht, Brandwachen für das oberste Stockwerk der Burg eingeteilt, der Sanitätsdienst geregelt, Flyer gedruckt und verteilt.

"Ich war seit Anfang des Jahres mit den Vorbereitungen beschäftigt", erinnert sich die Museumsleiterin und musste auch mit einer kurzfristigen Absage - das Duo Erdrauch hatte sich mit Corona infiziert und fiel aus - und dass der Ofen in der Schmiedewerkstatt wegen Brandgefahr nicht beheizt werden darf, klar kommen.

Es gab an beiden Tagen auch so genug zu sehen und zu erleben. Im oberen Schlossgarten hatte Landschaftsmaler Wolfram Paul seinen Stand aufgeschlagen mit Gemälden, die das Altensteiger Schloss aus unterschiedlichen Blickwinkeln zeigen. Auf dem Tisch lagen Pigmente - Siena, Oliv, Azur, Ruß und andere -, die zur Herstellung von Farben benötigt werden sowie ein dickes Buch. In der Schedelschen Weltchronik wird die Geschichte von Anbeginn der Welt bis ins Jahr 1493 dargestellt.

Drechsler von der Nagolder Holzwerkstatt

Auf der gegenüberliegenden Seite werkelte Holzbildhauer Uwe Thaler an Masken für zwei Fasnetsvereine im Waldachtal, die Maierhofschäfle und die Schafhofhexen aus Lützenhardt. Zuerst, erklärte der Künstler, fertigt er eine Skizze an und gestaltet aus einer Knetmasse ein Modell, das ihm als Vorlage für die Bearbeitung mit Stecheisen und Knüpfel dient.

Die Drechsler von der Nagolder Holzwerkstatt, Arnold Schick aus Mindersbach und Roland Walter aus Emmingen präsentierten Gewürzmühlen, Kreisel, Schalen und - als Spezialität - Hüte aus Holz. Ein bekanntes Gesicht beim Historischen Handwerkerhof ist Zimmermeister Gerhard Gleiser aus Grömbach. Mit einem Breitkeil bearbeitete er drei bis fünf Meter lange Balken, überwiegend aus Kiefernholz. Sein Sohn Florian und am Sonntag Tochter Stefanie zeigten, wie man bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts Wasserleitungen durch das Drehen eines Teuchelbohrers aushöhlte. Den Bohrer aus dem eingravierten Jahr 1845 habe man beim Ausräumen des Feuerwehrhauses in Grömbach entdeckt.

Waldseifenmanufaktur in Wörnersberg

Die Blumenbinderin aus Öschingen war nach 2019 zum zweiten Mal in Altensteig. Auf dem Schlosshof hätte Schmiedemeister Dieter Walz aus Walddorf gerne demonstriert, wie man heiße Eisen mit der Zange aus dem Ofen holt, auf den Amboss legt und mit kräftigen Hammerschlägen zu Klammhaken, Fenstergittern, Blumensteckern und anderen Kleinoden formt. Wegen eines möglichen Funkenflugs blieben ihm aber nur verbale Erklärungen über das altehrwürdige Handwerk übrig. Nebenan kneteten Frauen aus Emaille-Schüsseln Rosen, Lavendel, Meersalze und andere Rohstoffe zu Naturseifen. Susanne Albert schaute ihnen dabei zu. Sie und ihr Mann, erzählte die Standbetreiberin haben vor vier Jahren das alte Schulhaus im 220 Einwohner-Dorf Wörnersberg gekauft und eine Waldseifenmanufaktur eröffnet.

Auf allen vier Stockwerken der Burg erhielten die Besucher Einblick in kunstvolle Fertigkeiten alter, traditioneller Berufe. Besonders umlagert waren die Auslagen von Holzbildhauer Wolfgang Schulte aus Spielberg. Auf besonderes Interesse stießen bei Groß und Klein seine Zauberkisten und Geduldsspiele, aber auch Holzkämme in unterschiedlichen Größen und Formen sowie Massagebürsten aus Rotbuche und Obstbäumen.

Die Kunst des Klöppelns

Birgit Rothfuß aus Bösingen wartete mit formschönen Textil-Näharbeiten auf, Erika Walz aus Schellbronn (bei Pforzheim) hat inzwischen ihr 15. historisches Buch geschrieben mit dem Titel "Auf ewig - zwischen den Zeiten". Die Illustrationen in Echt stammen von ihrem Mann, Goldschmid Roland, von seiner Tätigkeit lebt das Paar. Im obersten Stock demonstrierten Frauen unter Leitung von Erika Schnäker die Kunst des Klöppelns. Auch in anderen Räumen gab es viel zu sehen und zu bewundern.

An Kinder wurde ebenfalls gedacht mit einem Streichelzoo und dem Mitmachprogramm Filzen, außerdem konnten sie sich in der Ritterstation mittelalterlich verkleiden und von Hoffotograf Günter Klink ablichten lassen. Auf der Wiese an der Friedrich-Boysen-Realschule warteten Pony Salome und Araberpferd Alia vom Achal-Tekkiner-Gestüt aus Wildberg-Gültlingen auf junge Gäste fürs Aufsitzen.

Kein Handwerkerhof ohne Musik: Nach der pandemiebedingten Absage von Erdrauch war es gelungen, die fünfköpfige Gruppe "MinneZit" aus Neuried im Ortenaukreis als Ersatz zu verpflichten. Mit Schlüsselfidel, Drehleier, Laute, Schalmei, Schlagwerk und unterschiedlichen Flöten unterhielten und verzauberten sie die Zuhörer. Gespielt wurden überwiegend mittelalterliche Musik und traditionelle Tanzstücke aus dem gesamten, europäischen Raum. Angesagt wurden sie von Türmer Martin Spreng in passendem Wams. Im Rahmenprogramm lud er auch zu Turmführungen und Vorträgen von Regnum Salici über Textilien, Kleidung, Tischsitten, Ständewesen und die Ernährung im Mittelalter ein und zu einer ritterlichen Tafel (mit Kostproben aus Grünkernbrei).

Positives Fazit

Besonders die Folklore auf Schwäbisch und Englisch von Liedermacher, Gitarrist, Mundharmonikaspieler und Volkssänger Thomas Nature aus Wiernsheim-Iptingen (Enzkreis) auf der Freilichtbühne zog die Zuhörer in ihren Bann. Nach zwei Tagen Handwerk neu erleben mit vielen Programmpunkten zog der Heimat- und Geschichtsmuseum als Veranstalter ein durchweg positives Fazit und Museumsleiterin Sandra Seltenreich freut sich schon heute auf den nächsten, Historischen Handwerkerhof - dann hoffentlich ohne Corona und nicht erst in drei, sondern wie bisher üblich in zwei Jahren.