Am Tag vor der Oberbürgermeisterwahl halten wir von der Zeitung eine Wahlruhepause ein – Ruhe ist so schön! Findet zumindest unsere Kollegin Karina Eyrich.
„Luja, sog i!“ hat einst Alois Hingerl, Dienstmann Nummer 172 auf dem Münchner Hauptbahnhof, geschimpft, als er unversehens zum „Münchner im Himmel“ wurde und gegen das ewige Frohlocken und „Hosianna“ Singen, das dort zu seinen Aufgaben gehörte, gewettert hat.
„Luja!“ denken auch die Anwohner der Marktstraße und wir vom Schwarzwälder Boten inzwischen fast täglich, wenn Musizierende in der Fußgängerzone ihren Talenten ungebremst freien Lauf lassen. Leonard Cohens „Halleluja“ – angeblich der meistgespielte Song der Welt – ist jedes Mal dabei, wenn eine junge, gut aussehende und wirklich sympathische Violinistin ihr Instrument an den Verstärker anschließt und loslegt, aber auch das eingängige „Call me Señorita“, „Bésame mucho“ und John Legends „All of Me“, das bestimmt zu den schönsten Liebesliedern überhaupt gehört, wenn jene, die es spielen, die Töne treffen. Zugegeben: Die junge Musikerin wird besser von Tag zu Tag. Kunststück: Sie übt ja fast jeden Tag.
Es soll ja Musiker geben, die zu Hause üben
Nun gibt es Musiker, die das zu Hause tun. Die Nachbarn kann das allerdings schnell nerven: immer dieselben Songs! Also lieber in die Fußgängerzone. Dort wechseln die Passanten und somit die Zuhörer. Beim Einkaufsbummel von etwas Musik begleitet zu werden, soll angeblich sogar die Kauflust steigern, was ja wiederum gut ist für den innerstädtischen Handel. Alles prima also – außer für die Anlieger, die das Repertoire der Violinistin inzwischen auswendig kennen, vorwärts und rückwärts.
Gut, dass wenigstens der Trompeter sein Blasinstrument beiseite gelegt hat. Vielleicht hat es ihm auch jemand weggenommen, so genau weiß das niemand. Allerdings singt er – nachdem er monatelang in kurzen Abständen zur höheren Ehre Gottes geistliche Lieder gespielt hat – nun dieselben, anstatt sie zu blasen. Nicht, dass er singend die Töne besser träfe! Und in Sachen Lautstärke hat er ebenfalls nichts verloren.
Ab und zu Platzwechsel – das mag die Stadt den Talenten nicht zumuten
Eine amtliche Genehmigung, in der Marktstraße musizieren und singen zu dürfen, hat der selbstbewusste Herr nie gehabt. Ob die Violinistin eine hat, ist nicht bekannt. Uns Dauerschleifenzuhörern wäre das auch egal, wenn sich die beiden Talente an die schöne Regel hielten, alle 30 Minuten den Platz zu wechseln und so weit weg umzuziehen, dass sie an dem Ort, den sie zuvor beschallt haben, nicht mehr zu hören sind.
Da an diesem Ort auch das Rathaus in unmittelbarer Nähe steht, wäre es nun ein Leichtes für die Mitarbeiter des Ordnungsamtes, die Musizierenden auf diese Regel hinzuweisen und sie gegebenenfalls auch zu bitten, sich eine Genehmigung vom Amt zu holen. Auf Eigeninitiative hin jedoch geschieht das nicht. Höchstens auf telefonische Hilferufe entnervter Anlieger hin.
Die fragen sich längst, wie die Stadtverwaltung eigentlich die großen Probleme Albstadts in den Griff bekommen will, wenn sie noch nicht einmal einzelne Musiker zu einem Platzwechsel bewegen kann. „Luja, sog i!“