Das schwere Erdbeben im Himalaya hat vor allem Nepal getroffen. Foto: dpa

Hunderttausende campieren im Freien, Nachbeben erschüttern weiter die Region. Den Überlebenden machen darüber hinaus schwere Regenfälle zu schaffen. Die Zahl der Opfer steigt stetig, 4100 Tote sind bisher zu beklagen.

Kathmandu  - Die Zahl der Todesopfer nach dem schweren Erdbeben in Nepal hat sich auf mehr als 4000 erhöht. In den entlegenen Erdbebengebieten des Himalaya kommen die Retter nach der Katastrophe nur schwer voran. Hilfsorganisationen berichten, dass Erdrutsche und armbreite Risse viele Straßen des bergigen Landes unpassierbar machen.

 

Einzelne Flugzeuge mit Hilfsgütern mussten umkehren, weil der einzige internationale Flughafen Nepals überlastet war. Selbst in der Hauptstadt Kathmandu gab es kaum Strom und Benzin.

Bislang seien mehr als 4100 Tote gezählt worden, davon 4010 in Nepal, die übrigen in den Nachbarländern Indien und China, teilten die Behörden am Montag mit. Die Zahl der Opfer werde voraussichtlich noch deutlich steigen. Aus Angst vor Nachbeben verbrachten hunderttausende Menschen eine weitere Nacht im Freien. Nach Regierungsangaben sollten am Montag massenhaft Leichen verbrannt werden, um Seuchen zu verhindern.

Das Erdbeben der Stärke 7,8 am Samstag war das stärkste in Nepal seit mehr als 80 Jahren. Das Epizentrum lag etwa 80 Kilometer nordwestlich von Kathmandu.

Der frühere nepalesische Premierminister Baburam Bhattarai flog zum Epizentrum des Bebens in seine Heimatregion Gorkha. Zu einem Bild, das ein komplett zerstörtes Dorf an einem Hang zeigt, schrieb er auf Twitter: "Noch keine Rettungs- und Hilfsaktionen in entlegenen Bergdörfern! Sendet sofort kleine Helikopter mit Hilfsgütern." Nepal ist ein armes Land, das nur über sechs Hubschrauber verfügt, hinzu kommen 20 private. Indien schickte sechs Helikopter zur Hilfe ins Nachbarland.

Bergsteiger Messner: "Zwei-Klassen-Rettung"

Bergsteiger Reinhold Messner kritisierte, es gebe eine "Zwei-Klassen-Rettung". "Es ist zynisch, dass man um die Bergsteiger am Mount Everest, die sich für 80.000 bis 100.000 Dollar diese Besteigung kaufen können, einen solchen Hype macht", sagte er im Radiosender hr-Info. In erster Linie müsse man den Menschen in Kathmandu helfen und nicht den Bergsteigern.

"In dem bergigen Land ist der Transport von Gütern immer eine Herausforderung - auch wenn es kein Erdbeben gibt", sagte Unni Krishnan, Katastrophenteam-Chef der Hilfsorganisation Plan. Klar sei bislang nur, dass Tausende Häuser zerstört seien, aber nicht, wo genau wie viele. "Deswegen ist es nicht möglich, Hilfspakete aus der Luft abzuwerfen", sagte er. Das wichtigste sei es nun, die Menschen mit Zelten und Licht wie etwa Solarlampen zu versorgen. Denn es regnet immer wieder, und die Meteorologen sagen mehr Regen voraus.

Unterdessen erschütterten weitere Nachbeben die Erde im Katastrophengebiet. Die Menschen trauen sich aus Angst vor weiteren Einstürzen nicht in ihre Häuser zurück. Zahlreiche Parks und öffentliche Plätze in Kathmandu glichen Zeltstädten - Hunderttausende schlafen im Freien. Der Premierminister Sushil Koirala appellierte an seine Landsleute, alle Läden und Apotheken offen zu halten, um die Versorgung sicherzustellen.

Zahlreiche Staaten und Organisationen entsandten Helfer. Indien war besonders aktiv: 400 Tonnen Material seien eingetroffen, teilte die indische Botschaft in Nepal mit. Eine Maschine der Luftwaffe habe aber wegen "Überlastung" des Flughafens umdrehen müssen, erklärte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Neu Delhi. Deswegen würden nun alle Maschinen neu getimt. Auch Deutschland schickte Experten. Am Mittag sollte ein Team des Technischen Hilfswerks (THW) in Kathmandu eintreffen.

Nepals Regierung spricht von mehr als 7500 Verletzten durch das Beben. Krankenhäuser sind heillos überfüllt, Ärzte arbeiten rund um die Uhr. Viele Verletzte müssen auf der Straße versorgt werden. Die Regierung rief die Bürger am Montag zu Blutspenden auf.

Das Tourismusministerium versicherte, ein Fokus der Hilfskräfte sei es auch, die festsitzenden Urlauber in Sicherheit zu bringen. Allein aus dem Basislager am Mount Everest seien 82 Menschen ausgeflogen worden, sagte Suresh Man Shrestha vom Ministerium. Dort waren mindestens 19 Bergsteiger und Helfer in einer Lawine gestorben. Dutzende saßen zunächst noch am höchsten Berg der Welt fest.

Drei Millionen Euro Soforthilfe von der EU

Die Europäische Kommission versprach Nepal drei Millionen Euro Soforthilfe. Am dringendsten würden medizinische Helferteams und Nothilfe-Lieferungen benötigt, erklärte der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe, Christos Stylianides. Die Asiatische Entwicklungsbank versprach drei Millionen US-Dollar für Zelte, Medikamente und Trinkwasser.

In dem betroffenen Gebiet - das am dichtesten besiedelte Nepals - leben nach UN-Angaben 6,6 Millionen Menschen. "Wir versuchen Telefonleitungen zu reparieren und Strom wiederherzustellen", sagte Nepals Kommunikationsminister Minendra Rizal.

Vom Flughafen Berlin-Schönefeld sollte am Montag ein Flug mit 60 Tonnen Hilfsgütern nach Nepal starten, wie das Deutsche Rote Kreuz mitteilte. Ein Hilfsflug von I.S.A.R. Germany mit 52 Experten war schon am Sonntag gestartet. Unter ihnen seien auch Rettungshundeführer. Das größte Hilfskontingent kommt aber aus dem Nachbarland Indien. Neu Delhi schickte allein 16 Helikopter. "Das Erdbeben in Nepal, das so viele Tote verursacht hat, ist eine schlimme Katastrophe. Die internationale Gemeinschaft muss die Region jetzt unterstützen", erklärte Bundesinnenminister Thomas de Maizière.

Im Internet riefen Prominente zur Unterstützung auf: "Mein Herz bricht mit der steigenden Zahl der Todesopfer", schrieb Sängerin Katy Perry (30) am Montag bei Twitter. "Bitte helft Unicef dabei, betroffene Kinder und Familien zu unterstützen." Schauspielerin Alyssa Milano (42) schrieb: "Mein Herz ist in Nepal." Auch der Tennisspieler Rafael Nadal (28), die Sängerin Shakira (38) und Kim Kardashian (34) äußerten ihr Mitgefühl.