Simone und Ralf Kurz freuen sich schon auf ihren nächsten Besuch in Namibia. Foto: Tim Nagengast

Simone und Ralf Kurz aus Hauingen kümmern sich in Namibia um ein Himba-Dorf und haben in einer Township 25 Kindergärten gegründet.

Alles begann mit einer Cessna, in der Ralf und Simone Kurz vor sieben Jahren über den unendlichen Weiten Namibias unterwegs waren. „Wir hatten uns damals einen Lebenstraum erfüllt: eine Safari mit allem Drum und Dran“, gerät Simone Kurz noch heute ins Schwärmen, wenn sie von ihrer ersten Reise in das südwestafrikanische Land berichtet. Übernachten auf Gästefarmen, Wildtiere beobachten, durch das weite Land fahren, fremde Kulturen kennenlernen, mit dem Kleinflugzeug fliegen – das Ehepaar Kurz ließ damals nichts aus, um seinen Urlaub so richtig zu genießen.

 

Traumreise versus Realität

Doch im Laufe dieser ohnehin schon ereignisreichen Reise kamen ein paar Zufälle zusammen, die das Leben des sozial engagierten Paars ein Stückweit verändern sollten. Sie waren gar so einschneidend, dass die inzwischen im Ruhestand weilenden Hauinger – er war Internist, sie Krankenschwester – inzwischen quasi mit einem Bein in Namibia stehen – und mit dem Herzen sowieso. Sie haben ein Auto dort unten und ein großes Netzwerk an Helfern, die sich um alles kümmern, was die beiden nach einer Zufallsbegegnung ins Rollen gebracht haben.

Die Frisuren der Himba-Frauen sind sehr elegant und kunstvoll. Foto: zVg/Kurz

Hilfe im kleinen Himba-Kral

Denn eines Tages – Ralf und Simone Kurz weilten gerade in einer Safari-Lodge im Kavangoland –, kam ihr Cessna-Pilot und Tourguide auf sie zu. Er berichtete, dass in Purros, einem von Himba bewohnten Kral (kleines Dorf), ein Kind mit beiden Händen in glühende Kohlen gefasst und sich dabei schlimme Verbrennungen zugezogen habe. Helmut von Seydlitz-Kurzbach – so heißt der Guide – bat um Hilfe. Denn das nächste Krankenhaus liegt etwa elf Autostunden von Purros entfernt.

Simone Kurz verarztet ein Kind in Purros. Foto: zVg/Kurz

Ralf und Simone zögerten nicht lange, folgten ihrem Guide in den Himba-Kral und verarzteten dort das Kind so gut wie möglich. Und das mit Erfolg. Ein paar Narben seien zwar geblieben, aber die Hände des Kindes funktionieren ansonsten gut.

Die Schwelle zur Moderne

Nach Purros kommt das Ehepaar Kurz seitdem ein- bis zweimal im Jahr, um den Himba, die dort auf der Schwelle zwischen althergebrachter Lebensweise und „Moderne“ stehen, medizinische Hilfe zu leisten. „Purros, das ist bei uns gesetzt“, sagt Ralf Kurz. Denn in dem Kral hapere es „eigentlich an allem“, wie seine Frau bekräftigt.

Ihr Mann und sie behandeln dort allerhand Verletzungen, Bisse, Abszesse und sehr häufig auch Krätze und Skorbut. „Ich ziehe da unten sogar Zähne“, sagt die gelernte Krankenschwester, die sich dafür extra umfangreich fortgebildet hat. „Die Himba sind hart im Nehmen. Die machen keinen Mucks, die stecken auch ein“, berichtet sie sichtlich beeindruckt.

Moderne fordert ihren Tribut

Das Bild, das das Paar von dem Himba-Kral im namibischen Nirgendwo zeichnet, ist nämlich alles andere als romantisch. Zwar leben dort freundliche Menschen in und mit der Natur, betreiben Subsistenzwirtschaft, sind genügsam und auch zufrieden mit dem, was sie haben – und doch: Die unaufhaltsam einziehende Moderne fordert ihren Tribut.

Ralf Kurz hört eine Patientin ab. Foto: zVg/Kurz

Moderne Kleidungsstücke zum Beispiel ergänzen die Tracht der sonst eher spärlich bekleideten Himba. Noch reiben die Angehörigen dieses indigenen Stamms sich ihre Haut zum Schutz mit einer roten Paste aus Butterfett und Ocker ein. Doch so manche „Klamotte“ westlicher Provenienz findet sich heutzutage auch bei ihnen. Hygienisch gewaschen werden diese Kleidungsstücke jedoch nicht, obendrein wandern sie von Hand zu Hand. Eine Folge: Infektionen.

Kinder werden gebraucht

Auch eine Schule gibt es inzwischen in Purros. Mit staatlicher Anerkennung. Die Kinder lernen dort unter anderem Englisch, das offizielle Amtssprache im Vielvölker- und Vielsprachenstaat Namibia ist. „Die Kinder gehen in die Schule. Erstens, weil sie es müssen. Zweitens, weil es dort Essen gibt“, berichtet Simone Kurz. Und schiebt sogleich die Sätze „Dieses Volk, dieser Himba-Clan dort wird aussterben. Das dauert vielleicht noch zehn Jahre“ hinterher.

Wenn der Besuch aus Deutschland kommt, ist die Freude in Purros groß. Foto: zVg/Kurz

„Denn wenn die Kinder in der Schule sind, sind sie weg. Dabei werden sie im System und im Alltag des Krals, des Clans dringend gebraucht. Ihre Leistung, ihre Arbeit. So aber funktioniert das dort nicht mehr.“ Nichtsdestotrotz ist Familie Kurz darum bemüht, in Purros zu helfen, wie es ihnen möglich ist. Und nicht nur dort.

Denn auf der Rückreise seiner ersten Safari machte das Hauinger Paar auch Halt in einer Township am Rand der Stadt Okahandja. Ihr deutschnamibischer Guide stellte ihnen dort eine Bekannte von sich vor: eine Kindergärtnerin aus Südafrika. Ihre Mission: in der Township einen Kindergarten eröffnen. Dazu bildet sie Frauen aus der Gemeinde entsprechend aus, bringt ihnen und den Kindern gewisse Grundlagen in Englisch bei – als Lingua franca, damit sie sich untereinander verständigen können.

Englisch als Lingua franca

Denn viele Ethnien leben in Namibia, jede mit ihrer eigenen Sprache oder ihrem Dialekt – oft ohne Schriftform. Kinder wachsen in ihrer Muttersprache auf, und das ohne frühkindliche Förderung. Seit der Unabhängigkeit im Jahr 1990 herrscht in Namibia zwar Schulpflicht, doch der Unterricht findet in der Amtssprache Englisch statt – für viele Kinder eine große Hürde.

Seit 1990 gibt es außerdem keine staatlichen Kindergärten mehr. Vorschulbildung ist Privatsache – und für arme Familien schlicht unerschwinglich. Durch frühkindliche Bildung sollen die Kinder auf die Schule vorbereitet werden – und damit eine echte Chance auf Ausbildung und Zukunft erhalten.

200 Kinder werden betreut

Inzwischen hat das Kindergarten-Projekt sich verselbstständigt: Aus einem einzigen sind 25 Kindergärten geworden, in denen mittlerweile 43 Frauen aus der Township Arbeit gefunden haben und etwa 200 Kinder betreuen. Um das möglich zu machen, haben Simone und Ralf Kurz jahrelang Spenden gesammelt. Über Mundpropaganda warben sie erfolgreich für ihr Hilfsprojekt.

Patienten engagieren sich

Auch hatten sie in der gemeinsamen Arztpraxis im schweizerischen Aarau eine Spendendose aufgestellt. Viele Patienten engagierten sich, besorgten Schulmaterial, stellten Geld oder Sachspenden bereit. Was daraus wurde beziehungsweise wird, dokumentiert das Paar akribisch in Form von Filmen und Bildern. Auch eine Homepage gibt es. „Und jeder, der interessiert ist und es sich zutraut, kann uns sehr gerne nach Namibia begleiten“, sagen Ralf und Simone Kurz unisono.

Mithilfe von Spielgeräten wird die Motorik der Kinder in den Kindergärten der Township bei Okahandja verbessert. Foto: zVg/Kurz

Im Januar fliegt das Paar wieder dorthin, will in Purros nach dem Rechten sehen, medizinische Hilfe leisten und sich um den weiteren Ausbau der Kindergärten in der Township bei Okahandja kümmern. Denn dort gibt es noch viel zu tun. „Die Kinder bekommen dort so vieles beigebracht: Basis-Englisch, soziale Kompetenz, Gemeinschaftserleben – und sie bekommen Dinge, die ihre Motorik verbessern. Denn weil die Kinder oft sehr lange auf dem Rücken ihrer Mütter getragen werden, haben sie oft eine völlig unterentwickelte Motorik. Mit passenden Spielgeräten wie Trampolinen, Laufrädern oder Bällen wird die Motorik gezielt gefördert, und die Kinder holen ihre Defizite schnell auf auf“, berichtet das Ehepaar aus eigenem Erleben.

Besuch aus Namibia

Ein breites Netzwerk an Unterstützern steht dazu in Namibia bereit. Als Vertrauensleute vor Ort fungieren die Kindergärtnerin aus Südafrika und Helmut von Seydlitz-Kurzbach. Der war übrigens schon in Hauingen zu Besuch. „Trotz seines klangvollen Namens und seiner deutschen Abstammung ist Helmut ein Namibier und hat keinen deutschen Pass. Damit er nach Deutschland einreisen und uns besuchen durfte, mussten wir tatsächlich für ihn bürgen“, berichtet Simone Kurz schmunzelnd.

Wer sich für das Projekt von Simone und Ralf Kurz interessiert, es unterstützen oder begleiten möchte, findet auf www.educare-namibia.com alle relevanten Informationen und Kontaktdaten.