Sie kümmern sich seitens des Weißen Rings um Opfer von Kriminalität (von links): Uli Rehmann, Gunter Müller, Sylvia Reichle-Teufel, Waltraud Runge und Wolfgang Schoch. Foto: Cornelia Hellweg

Wo finde ich Hilfe, wenn ich Opfer von Kriminalität geworden bin? Rat weiß man beim Weißen Ring. Noch einmal stellte Wolfgang Schoch den Jahresbericht 2024 der Außenstelle Tuttlingen vor.

Denn eigentlich leitet jetzt Gunter Müller aus Aldingen die Außenstelle Tuttlingen des Weißen Ringes. „Ich trete als Stellvertreter ins zweite Glied zurück“, berichtete Schoch im Rahmen eines Pressegesprächs in der Ortsverwaltung Schura. Dort nimmt er außerdem die Funktion des Ortsvorstehers wahr. Weil Müller erst seit Oktober 2024 die neue Funktion bekleidet, stellte Wolfgang Schoch den Jahresbericht 2024 vor.

 

Darin spiegelt sich einmal mehr wieder, wie breit gefächert das Hilfsangebot ist und wie wichtig es für Opfer von Kriminalität sein kann. Das Team besteht aus sieben Personen. Zu den Aufsehen erregenden Kriminalfällen gehörte im vergangenen Jahr ein Mord in Aldingen. Polizisten hatten im Juni 2024 auf der Autobahn 81 bei Epfendorf auf der Rückbank eines Autos, das in eine Leitplanke geprallt war, die Leiche einer jungen Frau – wie sich später herausstellte die Mutter zweier Kinder – festgestellt. Die polizeilichen Ermittlungen ergaben, dass der Ex-Mann sie mutmaßlich erstochen hatte. Die Familie war 2021 aus Rumänien nach Baden-Württemberg gekommen, die Frau hatte sich später von ihrem Mann getrennt. Die beiden Kinder wurden zunächst auch von einer Beraterin des Tuttlinger Weißen Rings betreut in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt.

Insgesamt in 49 Fällen leistete das Team im Kreis Tuttlingen Hilfe. Hinzu kommen eine ganze Reihe von Anrufen, bei denen es weniger um Straftaten ging als um die Suche nach Rat in einer als schwierig empfundenen Situation. Darunter fallen beispielsweise familiäre Konflikte oder finanzielle Probleme. Auffallend war laut Schoch im vergangenen Jahr die sieben Fälle sogenannter „Straftaten gegen das Leben“ (2023: 1), bei denen die Außenstelle gefragt war. „So viele hatten wir noch nie.“ Ansonsten reichen die Themen von häuslicher Gewalt über Sexualdelikte bis hin zu Stalking und Einbrüchen.

Nach wie vor sind Täter mit dem Enkeltrick erfolgreich. (Symbolfoto) Foto: lettas/stock.adobe.com

Täter sind immer wieder mit dem „Enkeltrick“ erfolgreich. Zielgruppe sind besonders ältere Menschen. Es wird über Telefon oder Kurznachrichten eine Drucksituation aufgebaut mit der Behauptung, ein Familienmitglied brauche dringend finanzielle Hilfe. „Dabei wird mittlerweile mittels Künstlicher Intelligenz die Stimme eines Familienmitglieds täuschend echt simuliert“, berichtete Uli Rehmann. Bei Gewalt gegen Partnerinnen beziehungsweise Kinder und Jugendlichen spielen die sozialen Medien eine zunehmende Rolle. „Das Internet als Tatmittel vermittelt dem Täter Distanz zum Opfer – das Opfer fühlt sich dem oft ohnmächtig ausgesetzt.“ Man kann was tun mit Hilfe der Polizei und des Weißen Ringes. Aber: „Aus Schamgefühl vermeiden viele Opfer, vor allem ältere Menschen, eine Anzeige zu erstatten oder sich Hilfe zu holen.“

Immer geht es beim Weißen Ring auch um häusliche Gewalt. (Symbolfoto) /Foto: sdecoret/stock.adobe.com

Wird der Weiße Ring eingeschaltet bei häuslicher Gewalt, ist laut Wolfgang Schoch festzustellen: „Männer aus islamisch geprägten Kulturen sowie vom Balkan fallen hier besonders auf“. Die meisten weiblichen Opfer seien zwischen 20 und 30 Jahre alt und wohnen mit dem Täter in rund der Hälfte der Fälle in einem Haushalt. „In den von uns betreuten Fällen wurden in neun Fällen die Frauen verletzt, in drei Fällen sogar mittels einer Waffe“. Bei deutschen (Ehe-)Partnern werde aus Scham oft keine Anzeige erstattet oder Hilfe geholt. Opfer aus besseren Verhältnissen hätten zudem eher Möglichkeiten, woanders unter zu kommen.

Fast jeden Tag ein Mord an einer Frau

„2023 gab s in Deutschland 360 Femizide – statistisch gesehen also fast jeden Tag einen“, sagte Schoch. Der Weiße Ring fordere angesichts der positiven Erfahrungen in Spanien den Einsatz einer elektronischen Fußfessel für solche Gewalttäter. Damit könne ein Annäherungsverbot effektiv überwacht werden. „Bei uns halten sich 50 Prozent der Täter nicht an so ein Verbot.“ Beim ehemaligen Justizminister Marco Buschmann (FDP) sei man damit nicht auf Gehör gestoßen. Nun hofft man bei der Opferschutzorganisation, dass die neue Bundesregierung der Forderung positiver gegenüber steht. Im Bundesland Hessen gebe es immerhin ein Pilotprojekt dazu.

Im Netzwerk stärker

Gunter Müller bedauert, dass der Weiße Ring als Anlaufstelle für Opfer von Straftaten nicht in der Breite der Gesellschaft bekannt sei. Denn es gebe viele Möglichkeiten der Hilfeleistung: von Beratung bis finanzieller Unterstützung. Daher sieht man sich in einer Lotsenfunktion. Dabei unterstützt außerdem das Netzwerk in Zusammenarbeit mit dem Frauenhaus Tuttlingen oder dem Verein „Phönix gegen sexuellen Missbrauch“. Ganz wichtig: „Wir sind zur Verschwiegenheit verpflichtet“.

Weg zum Weißen Ring

Opfertelefon:
Die Außenstelle Tuttlingen ist zu erreichen unter 01 75/5 86 64 25, das bundesweite Opfertelefon unter 116 006. Eine weitere Möglichkeit ist die Mailadresse tuttlingen@mail.weisser-ring.de.

Über die Polizei:
In Fällen schwerer Kriminalität kommen die Opfer über die Polizei, wenn sie vorab hierzu die Zustimmung gegeben haben.