Rüdiger Safranski in Calw Foto: Roland Stöß

Die internationale Hermann-Hesse-Gesellschaft zeichnet Rüdiger Safranski mit dem Hesse-Preis aus. Bei der Verleihung verrät Safranski, warum er sich über diese Auszeichnung besonders freut.

Für den Präsidenten der Hesse-Gesellschaft, Karl-Josef Kuschel, steht Rüdiger Safranskis Werk „in der geistigen Tradition eines Hermann Hesse“. Mit Hesses Alterswerk „Das Glasperlenspiel“ hat sich Safranski direkt auseinandergesetzt. Der Literaturwissenschaftler erhält den Preis, der mit 10 000 Euro dotiert ist, für „seine publizistische Arbeit und Vermittlung von Philosophie und Literatur im Geiste Hermann Hesses“. Verliehen wurde ihm dieser am Samstag in Calw.

Geehrter hat die „Botschaft begriffen“

Der Journalist, Autor und Hesse-Biograf Heimo Schwilk beleuchtete in seiner Laudatio das Leben und Schaffen Safranskis. Schwilk bestätigte dessen enge Verbindung zu dem in Calw geborenen Hesse. „Rüdiger Safranski hat das ‚Glasperlenspiel‘ genau gelesen und seine Botschaft begriffen“, so Schwilk.

Der Geehrte nahm seine Zuhörer mit auf eine gemeinsame Reise mit Hesse. Mit diesem, so Safranski, sei es ihm genauso gegangen wie vielen anderen Hesse-Liebhabern auch. Alles begann mit dem „Demian“ und dessen prägendem Motto „Ich wollte ja nichts, als das zu leben versuchen, was von selbst aus mir heraus wollte. Warum war das so schwer?“

Foto: Roland Stöß

In der Pubertät, also auf der Suche nach sich selbst, stellt sich die Frage, wer man eigentlich sein will. Man sei ein Einzelner, obwohl man seine Zugehörigkeit in der Gruppe sucht. Das kann einsam und ängstlich machen. Rüdiger Safranski liebte fortan Hesses einzelgängerische Figuren wie den edlen Landstreicher Knulp, den Steppenwolf oder den exzentrischen Klingsor. Um, „wie magisch angezogen beim Glasperlenspiel“ zu landen. Dazu sagte der Geehrte: „Mein Lieblingsroman und der Roman Hesses, der mir am meisten zu denken gibt.“ Es sei einer der bedeutendsten Romane des 20. Jahrhunderts. Allein deshalb sei er „sehr stolz darauf, diesen Preis zu erhalten“.

Gar in Politik und Ökonomie sind Spielertypen gefragt

Das Werk, für den Hesse 1946 den Literaturnobelpreis erhielt, lasse ihn nicht los. Hesse machte darin das Spiel zur zentralen Idee. Und das im Zeitraum zwischen 1932 und 1942, also in einer Zeit, in der Europa in Flammen stand. Angelehnt an Schillers Worte, „dass der Mensch nur da ganz Mensch ist, wo er spielt“, spricht man von Spielräumen, wenn Freiheit gemeint ist. Nicht zu verwechseln mit dem Heute, in dem die Menschen in wachsendem Anteil ihres Lebens in der medialen Welt des Scheins, in einer virtuellen Spielwelt leben. Das greife auf alle Lebensbereiche über. Sogar in der Politik und Ökonomie seien Spielertypen gefragt.

Die Medienkultur bewirke Enthemmungen jeder Art. Die Netzwerke werden mit Lügen geflutet. So wird der Sinn für Wahrheiten geradezu „verspielt“. Das aber sei alles nicht im Sinne des Glasperlenspiels, führte Rüdiger Safranski aus. Schon dort wird eindringlich gewarnt: „Es könnte sein, dass die Ehrfurcht vor der Wahrheit verloren geht. Dann muss laut Safranski „wieder ganz von vorne anfangen werden“.

Jugend braucht Vorbilder

Es würden Menschen gebraucht, die der Jugend die Fähigkeit des Messens und des Beurteilens beibringen und ihr Vorbilder sind. Das heutige Bildungssystem ist offenbar in einer schweren Krise. Es bestehe die Gefahr, dass die Sprache verhunzt werde. Dass wir zwar künstliche Intelligenz bekommen, der Geist aber verloren geht. Das Hoffnung stiftende im Glasperlenspiel sei jedoch, dass „der Glasperlenspielmeister die Heiterkeit selbst bewahren wollte“.

Heiterkeit bewies Safranski, als er dem Reporter des Schwarzwälder Boten bekannte „Ich schreibe immer so, damit ich es selbst verstehe“. Auf seine Geburtsstadt Rottweil angesprochen – dort verbrachte der heute 78-Jährige die ersten 20 Jahre seines Lebens – sagte er, er sei Rottweil verbunden. „Nächstes Jahr ist wieder Klassentreffen“, erzählte Safranski erfreut.