Die Hess AG zahlt ihre Gläubiger aus. Foto: Murat

Gläubiger werden ausgezahlt und erhalten eine Gesamtquote von 14,67 Prozent. 

Villingen-Schwenningen - Das Insolvenzverfahren der Hess AG in Villingen-Schwenningen findet nach acht Jahren ein Ende. Insolvenzverwalter Volker Grub aus Stuttgart, teilt mit, dass er im Insolvenzverfahren der Hess AG in den nächsten zwei Wochen eine Schlussquote von 7,67 Prozent ausschüttet. Nachdem 2016 bereits eine Abschlagsquote von sieben Prozent bezahlt wurde, erhalten die Insolvenzgläubiger eine Gesamtquote von 14,67 Prozent.

Unregelmäßigkeiten wurden aufgedeckt

Das Verfahren der Hess AG hat 2013 Schlagzeilen gemacht, weil der Vorstand der Hess AG am 25. Oktober 2012 das Unternehmen im Primestandard an die Frankfurter Wertpapierbörse gebracht hatte. Im Januar 2013 - also wenige Monate später - seien schwerwiegende Unregelmäßigkeiten aufgedeckt worden, erinnert Grub an die Vorgänge. Daraufhin habe der Aufsichtsrat die beiden verantwortlichen Vorstände fristlos entlassen. Der Zusammenbruch des Unternehmens habe nicht aufgehalten werden können, da die monatlichen Verluste und die Überschuldung zu hoch gewesen seien. Deshalb habe der neue Vorstand bereits am 13. Februar 2013 beim Amtsgericht Villingen-Schwenningen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens angemeldet. Weite Teile des Unternehmens hätten stillgelegt werden müssen.

Der Kernbereich konnte jedoch fortgeführt und dafür im September 2013 ein Übernehmer gefunden werden. In der Rechtsform der Hess GmbH Licht und Form wird er heute in der Nordeon Group fortgeführt. Die Abwicklung des Insolvenzverfahrens sei außerordentlich schwierig und komplex, weil zur Hess AG 23 Tochtergesellschaften, zwölf Gesellschaften, die den beiden gekündigten Vorständen und der Familie Hess zuzurechnen gewesen seien, und weitere 13 Schattengesellschaften gehört hätten, stellt Grub fest.

Die so genannten Schattengesellschaften hätten Treuhänder für die gekündigten Vorstände und die Familie Hess gehalten. Sie hätten teilweise dazu gedient, die wahre Vermögenslage der Hess AG zu verschleiern und mit Insiderscheingeschäften das Bilanzbild zu verbessern. "Es war eine Sisyphusarbeit des Insolvenzverwalters, die Beziehungsgeflechte zu entwirren und die Gesellschaften zu liquidieren, soweit sie im Verantwortungsbereich des Insolvenzverwalters lagen", heißt es in der Mitteilung.

Verfahren wegen Covid-19-Quarantäne verzögert

Mit einer Gesamtquote von 14,67 Prozent habe Grub eine Punktlandung erreicht. Nach einer Bestandsaufnahme im Sommer 2013 habe er eine Quote von rund 15 Prozent prognostiziert. Heute seien am Verfahren Insolvenzgläubiger in Höhe von 104,6 Millionen Euro beteiligt. Ausgeschüttet werde an diese Gläubiger ein Gesamtbetrag von 15,3 Millionen Euro. In der letzten vom Vorstand vor dem Börsengang zum 30. September 2012 erstellten Konzernbilanz der Hess AG seien die Vermögenswerte mit 90,8 Millionen Euro und die Verbindlichkeiten mit 72,8 Millionen Euro ausgewiesen. "Die Abwicklung des Unternehmens offenbarte, in welchem finanziellen Umfange die Bilanzen der Hess AG für den Börsengang verfälscht wurden", erklärt Grub. Die gerichtliche Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen die Verantwortlichen habe trotz großer Anstrengungen nicht den gewünschten Erfolg erzielt. "Der Fülle der streitigen Fragen mit komplizierten und komplexen Bilanzthemen waren die Gerichte nicht gewachsen", lautet Grubs Urteil.

Die Staatsanwaltschaft Mannheim und Kriminalpolizei Freiburg hatten das strafrechtliche Ermittlungsverfahren noch vor dem Insolvenzantrag im Januar 2013 aufgenommen. Im Juli 2013 kam es zu Haftbefehlen gegen die beiden Vorstände, die auch vollzogen wurden. Sie seien jedoch alsbald gegen Auflagen wieder außer Vollzug gesetzt worden, schildert Grub die Entwicklung. "Danach versandete das strafrechtliche Ermittlungsverfahren. Die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Mannheim, bei der eine Anklage seit dem Jahr 2015 anhängig ist, hatte für das Verfahren keine Zeit." Haftsachen hätten Vorrang, habe die zuständige Richterin erklärt. Selbst eine Akteneinsicht sei dem Insolvenzverwalter verwehrt worden, weil die Richterin die Akten noch nicht habe ansehen können.

Nach einem Richterwechsel sei erst im Sommer 2020 die Anklage zugelassen und ein erster Verhandlungstermin auf den 7. Oktober 2020 anberaumt worden. Nach den ersten Verhandlungstagen scheint das Verfahren wieder zu ruhen. Das Verfahren solle sich wegen einer Covid-19-Quarantäne verzögern. "Es stellt sich schon die Frage, ob eine derart nachlässige strafrechtliche Behandlung eines betrügerischen Börsenganges viel größeren Fällen, wie Wirecard, nicht den Weg bereitet hat", wirft Volker Grub den Behörden vor. Der 83-Jährige beendet mit dem Abschluss des Hess-Verfahrens sein letztes Insolvenzverfahren und verabschiedet sich aus der Insolvenzszene.