Nächste Runde in der Aufregung um die Helios-Klinik: Geschäftsführer Tobias Grundmann nimmt auf unsere neuerliche Nachfrage Stellung zu den vielen Patienten-Schilderungen und den Vorwürfen, Notfälle nicht immer aufzunehmen.
Kreis Rottweil - Zweierlei ist seit unserer Berichterstattung in den Fokus gerückt: die gravierenden Mängel bei der Patientenversorgung in der Rottweiler Klinik und die Tatsache, dass das Krankenhaus sich laut Aussagen des DRK-Betriebsratsvorsitzenden immer wieder von der Patientenaufnahme abmeldet.
Die Folge: Das DRK weiß nicht wohin mit Notfallpatienten – vor allem wenn die Oberndorfer SRH-Klinik, wie vergangene Woche geschehen, ebenfalls abgemeldet wird. Klinik-Geschäftsführer Tobias Grundmann verwehrt sich nun gegen die Vorwürfe und spricht von "Diffamierung und Stimmungsmache".
DRK-Betriebsratsvorsitzender Michael Török hatte Klartext geredet. Er sagt: "Es muss festgehalten werden, dass sowohl Helios als auch das SRH-Krankenhaus in Oberndorf die Öffentlichkeit weiterhin gezielt falsch informieren. Am 18. Juli hat der Oberarzt der SRH die komplette Klinik inklusive Notaufnahme auf der Rettungsleitstelle abgemeldet. Am 19. Juli war SRH immer noch abgemeldet, als die Oberärztin von Helios gegen 18 Uhr ebenfalls die komplette Klinik samt Notaufnahme abgemeldet hat. Somit lag die Aufnahmekapazität der Kliniken im Kreis offiziell bei null. Wie kommt Tobias Grundmann also zu der Aussage, dass Notfälle immer genommen werden?"
Die Kliniken gemäß Paragraf 28 Krankenhausgesetz hätten eine Aufnahmepflicht, betont Török. "Eine Erstversorgung muss erfolgen."
Nur einmal komplett abgemeldet gewesen
Wir fragen den Klinik-Geschäftsführer, was er zu diesen Vorwürfen sagt. Grundmann antwortet schriftlich dazu: "Wir kommen unserer Verpflichtung zur Notfallversorgung selbstverständlich nach und sind in den letzten drei Jahren nur einmal komplett abgemeldet gewesen, am 19. Juli 2022."
Die Abmeldung sei aufgrund der personellen Kapazitätserschöpfung und aufgrund eines mit dem anwesenden Personal "nicht mehr beherrschbaren Patientenzustroms" erfolgt, auch wegen der Komplettabmeldung der Oberndorfer Klinik. Die Abmeldung diene auch dem Schutz der Helios-Mitarbeitenden, so Grundmann, "damit diese eben nicht, wie von Herrn Török vorgeworfen, bis zur ›kompletten Erschöpfung‹ arbeiten müssen."
Grundmann erklärt außerdem: "Fußläufige Notfallpatienten oder solche, die durch Angehörige gebracht wurden, wurden selbstverständlich weiterhin versorgt und mussten bei stationärer Aufnahmeindikation in andere Krankenhäuser außerhalb des Kreises weiterverlegt werden – was zu langen Wartezeiten und Verzögerungen geführt hat. Insofern ist unsere Information der Öffentlichkeit völlig korrekt."
Gespräche zwischen Helios und DRK
Bei der telefonischen Abmeldung der Helios-Klinik bei der Leitstelle sei laut Grundmann ausdrücklich darauf hingewiesen worden, "dass wir selbstverständlich immer helfen, wenn ein Notarzt unsere Klinik sofort anfahren muss". Im Sinne der bestmöglichen Patientenversorgung und Ressourcenschonung könne es jedoch manchmal sinnvoller sein, Patienten gleich in ein aufnahmefähiges Krankenhaus zu bringen, auch wenn dieses weiter entfernt ist, sagt er.
Inzwischen habe es ein Gespräch der Kliniken im Landkreis und dem DRK gegeben. Darin sei dieses Vorgehen ausdrücklich festgeschrieben und vereinbart worden, dass der Rettungsdienst die beiden Kliniken im Landkreis immer anfahren kann und lediglich eine vorherige Information an die Kliniken gewünscht ist.
"Abmeldungen von Helios-Klinikbereichen erfolgen ausschließlich durch die Klinikgeschäftsführung oder die Ärztliche Direktorin", sagt er. Die Erstversorgung von Notfällen finde unabhängig davon immer statt – bis auf den 19. Juli.
Alle sollen zusammenhelfen
Die coronabedingte Situation sei für alle Beteiligten schwierig. "Mit Stimmungsmache und öffentlicher Diffamierung ist weder dem Personal noch den Patienten geholfen." Um die Herausforderungen zu meistern, sei "die Zusammenarbeit aller am Gesundheitswesen Beteiligten im Kreis Rottweil gefragt", sagt Grundmann.
Bis dahin müsse man einige planbare Behandlungen verschieben. Das Krankenhaus müsse wieder vollständig leistungsfähig werden. Dazu laufen laut Grundmann zahlreiche Maßnahmen – und dies seit Jahren, "denn der Mangel an Pflegepersonal ist schon lange bekannt." Zu Töröks Vorwurf, dass die Personalpolitik "in erster Linie der Gewinnoptimierung dient" heißt es von Seiten der Klinik: "Wir bitten um Verständnis, dass wir uns zu derartigen Diffamierungen nicht äußern."
Wie alle Kliniken betroffen
Unsere Redaktion richtet bei der Klinik-Geschäftsführung den Blick auf die massiven Patientenbeschwerden und fragt: Was will das Unternehmen dagegen tun? Oder hat man sich mit der Situation schon abgefunden?
Der Geschäftsführer wehrt sich dagegen, "dass unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern jeglicher Anspruch an die Qualität ihrer Arbeit abgesprochen wird." Man sei wie alle Kliniken vom Covid-Geschehen und vom Fachkräftemangel betroffen und engagiere sich nach Kräften, diesem mit dem Ausbau der eigenen Pflegeausbildung, durch ausländisches Fachpersonal zu begegnen.
Die Klinik will den durch unsere Redaktion bekannt gewordenen Fällen – und weiteren – nachgehen und so Verbesserungspotenzial finden, so Grundmann: "Wir bitten darum, die Personen, die sich bei Ihnen über die Behandlung an unserer Klinik beschwert haben, an uns weiter zu verweisen." Man habe größtes Interesse, die Beschwerden aufzuarbeiten und daraus zu lernen. Und man wolle mit den Patienten klären, was passiert ist und sich "für entstandene Unannehmlichkeiten entschuldigen."
Anlaufstelle für Betroffene
Doch wohin sollen sich Betroffene genau wenden? Auf nochmalige Nachfrage erklärt die Klinik-Sprecherin: Patienten oder Angehörige können sich telefonisch beim Beschwerdemanagement unter Telefon 0741/ 4 76 20 22 oder via Kontaktformular über die Homepage melden.
KOMMENTAR
Von Corinne Otto
Es wird immer deutlicher, was man in diesem Ausmaß kaum für möglich gehalten hat: Die Zustände in der Helios-Klinik sind für Patienten und Mitarbeiter völlig untragbar. Nach wie vor klingelt bei mir unablässig das Telefon: Patienten und Angehörige sind froh, endlich reden zu können. Es sind unfassbare Schilderungen. Interessant, dass der Klinik-Geschäftsführer nun sagt, es müssten alle am Gesundheitswesen Beteiligten im Landkreis zusammenhelfen, um Abhilfe zu schaffen. Gab es diesen Hilferuf etwa auch vor unserer Berichterstattung schon? Natürlich nicht. Obwohl die gravierenden Mängel intern bekannt waren, wurde alles fein säuberlich unter den Teppich gekehrt. Damit ist jetzt Schluss! Hinter den Kulissen ist einiges in Gang geraten – der öffentliche Widerstand gegen die Klinik-Politik wird stärker. Im Sinne aller Patienten: Wir bleiben dran!