Eine Angehörige berichtet von ihren Erfahrungen in der Helios-Klinik. Foto: Otto

Die Resonanz auf unsere Berichterstattung über die Lage in der Helios-Klinik in Rottweil reißt nicht ab. Nun meldet sich eine Leserin bei unserer Redaktion, die von ihren erschreckenden Erfahrungen als Angehörige einer Patientin berichtet.

Kreis Rottweil - Eindrücklich und detailliert berichtet die Frau, selbst auch gelernte Krankenschwester, was es heißt, wenn eine betagte Person in der Klinik liegt. Ihr Fazit: Wenn Angehörige nicht selbst mithelfen, bleiben viele Pflegeleistungen völlig auf der Strecke. "Das Personal ist am Limit." Die Folge: Keine oder minimalste Körperpflege, kein Kleidungswechsel, keine Mobilisation, ja, die Patientin sei sogar auf dem Toilettenstuhl vergessen worden – weil es schon wieder woanders klingelte.

 

Dem Personal ist kein Vorwurf zu machen

All das erlebte die Angehörige in jüngster Vergangenheit – just zu dem Zeitpunkt, als die Klinik von einem recht normalen Betrieb berichtet hatte. Das die Klinik solche Zustände inzwischen schon als normal ansieht, sei für sie der Auslöser gewesen, sich zu melden, sagt die Frau aus einer Kreisgemeinde. Dass das DRK schon so deutlich Stellung bezogen habe, tue den Mitarbeitern sicher gut, sagt sie. Denn wichtig ist ihr: Dem Personal selbst sei kein Vorwurf zu machen.

Keine Grundpflege

Zurück zu ihrem Fall. Die 89-jährige Patientin sei von den Angehörigen zweimal am Tag besucht worden, um sie zu mobilisieren, also ihr aus dem Bett zu helfen, damit sie nicht durch das lange Liegen völlig abbaut. Auch die Versorgung zur Nacht habe man übernommen. Zähne putzen, Nachtkleidung anziehen, zur Toilette gehen – letzteres hätte wegen des Personalmangels nur teilweise geklappt.

Am Wochenende sei von Seiten des Krankenhauses überhaupt keine Grundpflege erfolgt, berichtet die Angehörige. Und während die Ärzte der Patientin rieten, aufgrund der Laborwerte mehr zu trinken, habe das Personal der 89-Jährigen dazu geraten, weniger zu trinken, damit sie nicht so oft zur Toilette muss.

Auf dem Toilettenstuhl vergessen

Dass die Patientin auf dem Toilettenstuhl vergessen wurde, könne passieren, sagt die gelernte Krankenschwester – vor lauter Stress sei aber auch vergessen worden, eine Klingel in Reichweite zu legen. Bei einem weiteren Vorfall habe sich die Patientin schließlich beschmutzt selbst ins Bett geschleppt.

Letztlich werde vielen Patienten eine Windel angelegt – weil nicht immer gleich ein Klingelruf beantwortet werden kann, sei auch das verständlich. "Dies alles im Zusammenhang mit fehlender Mobilisation bringt alte Menschen näher ans Pflegefallstadium als an die Rückkehr nach Hause", ist sich die Angehörige nach ihren Erfahrungen sicher.

Besuchsverbot das Schlimmste

Ganz schlimm sei es geworden, als es durch die Verlegung der alten Dame auf die Isolierstation zu einem Besuchsverbot kam. Wenn das zu knapp besetzte Personal die vollumfängliche Pflege nicht leisten kann und Angehörige nicht kommen dürfen, sei dies das schlechteste Ergebnis für alle. "Notgedrungen muss man sich wegen des Besuchsverbots telefonisch kümmern – mindestens fünf Versuche sind immer nötig, bis man überhaupt jemanden erreicht, und meist hat derjenige dann keine Zeit, um Infos zu geben oder kennt den Patienten noch nicht", schildert sie das, was vermutlich auch schon viele andere Angehörige erlebt haben.

Die Pflegenden kommen nicht hinterher

"Die Pflegenden kommen kaum mit Patientenversorgung rum und müssen diese ganze Organisation auch noch zusätzlich leisten", ärgert sich die Frau. Auch die Kommunikation mit Ärzten und Therapeuten und deren Einsatz sei gut.

Sie betont: "Ich möchte ausdrücklich noch einmal sagen, dass wir denken, dass die Pflegekräfte ihr Möglichstes tun und wir sind sehr dankbar dafür. Es sieht aber einfach nicht nach stabiler Personallage aus. Die Bedingungen sollten endlich pflegebedarfsorientiert verbessert werden, statt nur die Zahlen auf dem Papier zu berücksichtigen."

Zahlen stimmen nicht mit der Realität überein

Und was ist mit der Tatsache, dass ja eine Personaluntergrenze in einer Klinik nicht unterschritten werden darf? Die vom Fach stammende Leserin sagt: "Formell stimmen vielleicht noch die Zahlen der zu versorgenden Patienten im Verhältnis zum Personal – unter Einberechnung aller Möglichkeiten, dass es noch konform mit der Verordnung zur Festlegung von Personaluntergrenzen (PpUGV) ist." Diese gelte nicht für alle Bereiche und im Durchschnitt "passt" es dann meistens auf dem Papier – stehe aber keinesfalls im Verhältnis zum Versorgungsbedarf der Patienten.

Das von der Helios-Klinik oft angeführte Argument, dass es leider überhaupt keine neuen Pflegekräfte gäbe, stimmt so ihrer Ansicht nach auch nicht. "Es gibt zum Glück durchaus noch Arbeitsstätten mit Arbeitsbedingungen, die in der Regel in Ordnung sind, und die haben auch eine recht stabile Personallage."

Notaufnahme wieder abgemeldet

Während Klinik-Geschäftsführer Tobias Grundmann in seinem Statement vergangene Woche von einem kurzfristig aufgetretenen Personalausfall berichtet und betont hatte, dass die Notfall-Versorgung "stets gewährleistet" sei, ist hinter den Kulissen anderes zu erfahren: So wurde das SRH-Krankenhaus in Oberndorf am Wochenende komplett für die Patientenaufnahme abgemeldet, die Helios-Klinik dann am Dienstag – sodass für das DRK keine Klinik im Kreis aufnahmefähig war. Ein Beteiligter schreibt uns: "Unfassbar, was da abgeht."

Für betagte Patientin "entwürdigend"

Auch für die 89-jährige Patientin habe sich am Wochenende nichts geändert, wird uns berichtet. Keinerlei Körperpflege, keine Zeit für den Toilettengang, kein Essen am Tisch – es sei "entwürdigend".