Wenn der Piepser Not meldet, heißt es umzuschalten von "Christbaumbesinnlichkeit" auf "Einsatzmodus". (Symbolfoto) Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Den leckeren Festbraten im Familienkreis schlemmen und Geschenke auspacken – das verbinden die meisten Menschen mit Heiligabend. Vergessen werden oft Krankenschwestern, Feuerwehrleute und Co., die trotz Fest im Einsatz sind. Wir haben Stimmen der Blaulichtfamilie im Kreis Rottweil gesammelt.

Kreis Rottweil - Während der Normalbürger die Ruhe zu Hause genießt, müssen die Retter in der Not an ihrem Arbeitsplatz die Stellung halten. Im Krankenhaus etwa, wie der Helios-Klinik in Rottweil. Rund um die Uhr sind Pflegekräfte und Ärzte im Einsatz.

 

Steht eine Heiligabend-Schicht an, stimmt das die meisten etwas wehmütig – doch die Patienten müssen rund um die Uhr versorgt werden. In der Helios-Klinik Rottweil herrscht an Heiligabend eine besondere, festliche Atmosphäre. Weihnachtsbäume schmücken den Eingangsbereich und die Notaufnahme. Weihnachtsfiguren, Sterne, Krippen und Schneekugeln sorgen auch auf den Stationen für Weihnachtsstimmung.

Gottesdienst in der Klinik

Gefeiert wird selbstverständlich auch: An Heiligabend um 15 Uhr wird zum Gottesdienst in die Klinikkapelle eingeladen. Als kleinen Trost dafür, dass sie Weihnachten im Krankenhaus und nicht im Kreise der Familie verbringen können, gibt es von der Klinik für alle Patienten eine Weihnachtskarte und einen kleinen schokoladig-süßen Gruß.

Doch wie fühlt sich Heiligabend für diejenigen an, die im Dienst sind? Unsere Redaktion hat nachgefragt. "Bei der Schichtplanung nehmen wir in der Regel Rücksicht auf Familien mit kleinen Kindern: So können die Mütter Weihnachten meist zu Hause mit ihren Kindern verbringen. Dafür kommen sie zum Beispiel an Silvester zum Dienst, wenn die Singles feiern möchten", erklärt Thorsten Lukaschewski, Chefarzt Anästhesie und Intensivmedizin, stellvertretend für alle Fachbereiche der Klinik.

Im OP darf kein Weihnachtsbaum stehen

"Eine Schicht an Heiligabend zu übernehmen – das hat keine altruistischen Gründe, es ist für die Mitarbeitenden der Klinik die pure Selbstverständlichkeit", macht er deutlich.

Und was sagen die Mitarbeiter der Helios-Klinik zur Arbeit am Festtag? Klaus Scheller, stellvertretender OP-Leiter, hat bereits oft Dienste an Weihnachten geleistet. "Wir haben auch schon Bescherung für die Kinder hier gemacht", sagt er lächelnd.

"Bei uns im OP und im Bereitschaftszimmer darf natürlich kein Weihnachtsbaum stehen, auch die Kerzen sind tabu", schildert Scheller die wenig weihnachtliche Atmosphäre. Trotzdem versucht man zu feiern – so wie es eben gehe. Man trifft sich mit den Kollegen in der großen Runde, jeder bringt etwas zum Essen mit und feiert so zusammen; natürlich nur, wenn es zeitlich möglich ist.

Feiertagsdienste gehören zum Beruf

Wichtig zu betonen: Über die Feiertage ist das OP-Team ausschließlich bei den Notfall-Operationen im Einsatz. Wie viele und welche es werden, ist von Jahr zu Jahr unterschiedlich und selbstverständlich nicht planbar. "Feiertagsdienste gehören einfach zum Beruf dazu, so wie auch Wochenenddienste. Wir haben uns den Beruf ja ausgewählt, also machen wir das Beste daraus", betont Scheller.

Es finde sich immer jemand, der Dienst macht. "Mitarbeiter, die Weihnachten sowieso anders feiern – zum Beispiel aus Russland oder aus der Ukraine – melden sich oft freiwillig."

Silvester statt Weihnachten feiern

Viktoryia Shkudun ist Pflegekraft auf der Station Innere Medizin und in diesem Jahr an Heiligabend im Dienst. Sie sagt: "Für mich ist es in Ordnung. Dafür kann ich Silvester feiern." Ob an Weihnachten auf der Station eine besondere Stimmung herrscht? "Auf jeden Fall. Bei uns ist es sehr familiär, sehr gemütlich. Wir sind eigentlich wie eine kleine Familie."

Ihre Stationskollegin Katharina Riemer sagt: "Einerseits ist es traurig, wenn man nicht mit seiner Familie gemütlich zu Hause feiern kann. Andererseits ist es schön, wenn man seine Schicht mit tollen Kollegen hat." Auch die Dankbarkeit der Patienten sei groß – und eine immaterielle Entschädigung für den Dienst am Feiertag, zusätzlich zur höheren Vergütung. Und die Familie? "Die Kinder sind sogar stolz darauf, dass wir an solchen Tagen im Einsatz sind", berichtet Riemer.

Geburten am Heiligabend – besonders melancholisch

Apropos Kinder: Neue Erdenbürger kommen selbstverständlich auch an Weihnachten auf die Welt. Hebammen und Ärzte aus dem Bereich Gynäkologie der Klinik können davon ein Lied singen. "Wenn man Dienst an Weihnachten hat, versucht man natürlich, ihn schön zu gestalten", sagt Hebamme Dorothee Stolbert. Für sie haben Weihnachtsdienste aber immer "einen melancholischen Touch".

Dass die meisten Frauen an Weihnachten nicht unbedingt in den Kreißsaal wollen, weiß auch Markus Zenz, Chefarzt Gynäkologie und Geburtshilfe in der Helios-Klinik Rottweil. "Der Heiligabend fühlt sich mit ordentlich Wehmut ziemlich routiniert an", beschreibt er. Eine besondere Motivation brauche er dafür nicht: "Die Motivation ist der dienstliche Auftrag", sagt Zenz.

Küchenchef vermisst seine Familie

Sandra Brandauer, Oberärztin Anästhesie und Intensivmedizin, sagt, dass ihre Kinder es gewohnt sind, dass ein Elternteil an Feiertagen meistens nicht da sein kann. "Sie kennen es nicht anders von Anfang an. Je älter sie wurden, desto mehr rückte ins Bewusstsein, dass ihre Eltern einen Beruf gewählt haben, um anderen Menschen zu helfen. Das haben meine Kinder schon früh begriffen, und sie sind recht stolz auf ihre Eltern", betont sie.

Doch nicht nur Ärzte und Pflegekräfte sind über die Feiertage im Einsatz: Um den Klinikbetrieb aufrechtzuerhalten, sind auch an der Pforte, in der Reinigung oder in der Cafeteria Mitarbeiter aktiv. Küchenchef David Ochs gibt zu, dass ihm selbstverständlich einiges fehlt: "Die Familie, glücklich vereint unter den Christbaumkugeln, das leckere Essen, die gemütliche Atmosphäre, die strahlenden Augen meiner Kinder beim Auspacken der Geschenke." Seine Familie, sagt David Ochs, steht absolut hinter ihm und seinem Job – "insofern gab es noch nie Unverständnis, wobei sie mich natürlich an Heiligabend lieber zu Hause hätten."

Info: Wie feiern Feuerwehr und das THW im Kreis Rottweil Weihnachten?

Wenn plötzlich der "Piepser" vibriert, wissen Rottweils Stadtbrandmeister Frank Müller und seine Feuerwehrkollegen, welche Stunde geschlagen hat – Einsatz, auch an Heiligabend. Doch: Da die Feuerwehr aber nur auf Abruf bereitsteht, werde das Fest ganz normal im Kreise der Familie verbracht – bis der "Piepser eben Alarm schlägt. "Dann wird aus der besinnlichen Familienidylle schnell wieder der reale Einsatzalltag mit all seinen Herausforderungen. Nur das Umschalten von ›Christbaumbesinnlichkeit‹ auf ›Einsatzmodus‹ fällt dem einen oder anderen vielleicht ein klein wenig schwerer als sonst", erklärt Müller unserer Redaktion.

Und das Technische Hilfswerk im Kreis Rottweil? An Heiligabend-Einsätze kann sich Tobias Wagner nicht erinnern. Dennoch stehen die Helfer in der Not auch dieses Jahr wieder auf Abruf. Wagner betont: "Wenngleich man vielleicht noch etwas hofft, das nichts passiert was einen Einsatz auslösen würde." Die Motivation für das Ehrenamt sei auch an Feiertagen unverändert: "Es geht darum, Menschen in Not zu helfen, egal an welchem Tag oder um welche Uhrzeit." Die Familien seiner Truppe hätten Verständnis für die Nothelfer. Weiter noch: "Oftmals wird das Engagement sogar von Generation zu Generation weitergegeben", erklärt Wagner.