Pitschnasse Fenster und dadurch Schimmel im Haus: Diese Entdeckung machen derzeit viele, die versuchen, Heizkosten zu sparen. Wie kommt man dagegen an, und wie bringt man Energiesparen und Schimmelvermeidung in Einklang? Fachmann Volker Stengel gibt Tipps.
Zollernalbkreis - Heizen ist derzeit problembehaftet. Nicht nur weil Energie teuer und rar ist, sondern weil Schimmelsporen praktisch überall unterwegs sind.
Steigt denn die Schimmel-Gefahr tatsächlich, wenn man weniger heizt?
Mit einem ganz klaren "Ja" antwortet Stengel. Damit sich Schimmel bilden kann, braucht es mindestens drei Voraussetzungen: "eine bestimmte Temperatur, Feuchtigkeit und einen biologischen Wachstumsherd – ein Apfel oder Essensreste reichen schon aus", erklärt Stengel. In einer Finnischen Sauna, in der 90 Grad herrschen, kann es nicht schimmeln – obwohl es durch Menschenschweiß biologische Wachstumsherde gibt und viel Feuchtigkeit. "90 Grad ist viel zu heiß für Schimmel", weiß der Experte. Ganz anders sei es durch das feuchte Klima im Kühlschrank: "Schon bei zirka sechs Grad kann Schimmel wachsen. Je mehr man heizt, umso höher ist auch die Schimmelvermeidung."
Was denn nun: Energiesparen oder Schimmel verhindern? Kann man das in Einklang bringen?
"Ja, man kann", so der Experte. Hier komme das richtige Lüften ins Spiel. Beispiel Schlafzimmer: "Nach dem Aufstehen 15 Minuten bei weit geöffnetem Fenster lüften, damit die Feuchtigkeit, die ein Mensch in der Nacht ausatmet, aus dem Raum verschwinden kann." Das seien bis zu einem Dreiviertel Liter Wasser pro Nase und Nacht. Verlässt man das Haus tagsüber, lüftet man bei Rückkehr erneut für eine Viertelstunde. Ganz wichtig im Bad: Nach dem Duschen immer lüften, nie aber durch die Tür ins Haus hinein – sondern immer durch das Fenster, wenn es eines gibt.
Welche Temperatur für welchen Raum?
Zuviel Energiesparen könnte wegen der Folgeschäden durch Schimmel am Ende schwerer wiegen als die Heizkostenabrechnung. Stengels Tipp: Die Räume unterschiedlich warm halten – je nach Funktion: "Im Wohnzimmer sollten 20 bis 21 Grad herrschen, im Badezimmer 22 bis 23 Grad und im Schlafzimmer reichen etwa 17 Grad aus." Die Raumtemperatur zu senken – gerade wenn man tagsüber außer Haus ist – und dabei aber die Lebens- und Lüftungsweise beizubehalten, das räche sich. Biologische Wachstumsherde wie Essensreste, Müll, schmutzige Straßenschuhe oder zu viele Pflanzen auf der Fensterbank und in wärmebrücken-kritischen Bereich so gut wie möglich entfernen, rät der Fachmann. Auch der Mensch selbst sei übrigens ein Wachstumsherd, weil er zum größten Teil aus Wasser besteht.
Ist lüften okay, wenn es regnet?
"Nein. Hier sollte man auf eine Regenpause warten. Im schlimmsten Fall regnet es ja durchs Fenster hinein."
Wie trocknet man am besten nasse Schuhe und Schneekleidung?
"In die Schuhe kommt – wie Oma und Opa das schon getan haben – altes Zeitungspapier. Jacken und Hosen sollten – sofern vorhanden – im Heizraum aufgehängt werden." Dort herrsche günstige Temperatur. "Nasse Klamotten gehören nie ins Kinder- oder Wohnzimmer", warnt Stengel.
Was kann man selbst tun, wenn man Schimmel entdeckt?
"Ruhe bewahren, am besten querlüften von Raum zu Raum vermeiden – also Durchzug." Das befeuere den Sporenflug. Im nächsten Schritt die betroffenen Stellen mit Klarsichtfolie, dünnen Plastiktüten oder Ähnlichem abdecken und sich beim Schimmelfachmann melden. "Produkte zur Schimmelbekämpfung aus dem Baumarkt wirken nur kurz, da sie das Myzel des Schimmels in der Wand nicht vernichten." Übrigens: Auch wenn sich Vermieter und Mieter darüber streiten, wer für die Schimmelpilzbekämpfung aufkommen muss, können sie sich an einen Sachverständigen wie Volker Stengel wenden, der auch privater Schiedsgutachter ist.
Wie wirkt sich Schimmel im Wohnraum auf die Gesundheit aus?
Das komme auf den Schimmeltyp an, weiß Stengel. Der gefährlichste sei der "Apergillus niger", zu Deutsch Schwarzer Gießkannenschimmel, auch Schwarzschimmel genannt. Häufig komme der auf verdorbenen Lebensmitteln vor. "Alle Sporen unter einer Größe von vier Mikrometer können über die Lunge in den Organismus eindringen und sich dort festsetzen." Erste Symptome seien unter anderem Kopfschmerzen, Pusteln auf der Haut, brennende Augen, Nagelpilz und anderes.
INFO: Volker Stengel
Diplom-Ingenieur (FH) Volker Stengel ist Schimmel-Experte und DEKRA-geprüfter Sachverständiger für Schimmelpilzbewertung. Seine Firma "Stengel Schadensanierung" sitzt in Balingen.