Körbe- und ordnerweise Unterschriften hat die Bürgerinitiative an die Verwaltungsspitze übergeben (von links): Steve Mall, Klaus Konzelmann, Uta Cornelius, Siegfried Sauter, Alexander Herfort und Udo Hollauer. Foto: Eyrich

Offene Türen rennt die Bürgerinitiative "Gegen Müllverbrennung in Albstadt" bei der Verwaltungsspitze der Stadt ein, wie die Übergabe von fast 4000 Unterschriften gezeigt hat.

Albstadt-Ebingen - "Wir geben Ihnen vollumfänglich Recht!" Ein so klares Bekenntnis zur Ablehnung der Albstädter Verwaltungsspitze – "geschlossen!", wie Klaus Konzelmann betont – aus dem Mund des Albstädter Oberbürgermeisters hätten Uta Cornelius, Alexander Herfort und Siegfried Sauter wohl selbst nicht erwartet, wie ihre überraschten Gesichter verraten.

Die Drei sind die Sprecher der Bürgerinitiative "Gegen Müllverbrennung in Albstadt", mit der 25 Aktive und "zahlreiche Unterstützer" sich gegen das geplante Werk zur Verbrennung von Ersatzbrennstoffen wenden, das die Firmen Korn Recycling und Groz-Beckert errichten wollen. Unter dem Malesfelsen, in einer Tallage mit 150 Tagen Inversionswetterlage, so dass die "Giftstoffe" nicht verdünnt würden und sich sammelten – in einem Gebiet mit 500 Einwohnern pro Quadratkilometer, also dicht besiedelt. Die "Natur- und Sportstadt" werde zur "Müll-Metropole". Zudem reduziere sich der Wirkungsgrad der Anlage aufgrund nicht genutzter Fernwärme.

"Kritische Stoffe bis an die Grenze des Zulässigen"

"Warum sollen wir in Albstadts Zentrum die Verantwortung für 100.000 Tonnen Gewerbeabfall übernehmen?" fragen die Initiatoren mit Blick auf die "nicht genau definierte" Zusammensetzung der Ersatzbrennstoffe, die im Kraftwerk verbrannt werden sollen. "Im Endeffekt kann hier jeglicher Rest von Gewerbemüll verbrannt werden." Sobald die Anlage einige Jahre stehe und erst mal aus dem politischen Fokus gerückt sei, werde niemand mehr darauf achten, was tatsächlich verbrannt werde, befürchten sie. Für kritische Stoffe "bis an die Grenze des Zulässigen" könne Korn das meiste Geld verlangen, kommentiert Sauter, und Herfort ergänzt: "Es ist immer kritisch zu betrachten, wenn dieselbe Firma Müll trennt und verbrennt. Das führt zu Interessenskonflikten."

Alexander Korn, Geschäftsführer der Recycling-Firma, habe ihm gegenüber selbst eingeräumt, dass eine Wasserdampfwolke aus dem 40 Meter hohen Kamin kommen werde, berichtet Herfort. Die Firma Holcim in Dotternhausen betreibe bereits eine Müllverbrennungsanlage – eine zweite brauche der Landkreis nicht. Und überdies sei Verbrennung eine "Übergangstechnologie" – Vermeiden und Verwerten statt Verbrennen: darin liege die Zukunft. Herfort betont: "Wir müssen Verantwortung für unseren Müll übernehmen – aber aus unserer Sicht ist das der falsche Weg."

Lesen Sie auch: Korn bestreitet Vorwurf des Abfalltourismus

Nicht zuletzt sehen die Aktivisten "keinerlei kommunalen Nutzen" der geplanten Anlage, und während wenigen Firmen der Profit bleibe, blieben den Bürgern die Risiken.

Was Cornelius, Herfort und Sauter doch etwas merkwürdig vorkommt: "Die Internetseite des Kraftwerks wurde schon 2019 registriert. Die sind wahrscheinlich schon vorher zu Ihnen gekommen", sagt Herfort in Richtung Verwaltungsspitze, "und dann ist viel im stillen Kämmerlein passiert."

In Pandemiezeiten ist das Sammeln gar nicht einfach gewesen

Die Initiative hat deshalb Argumente und Unterschriften gesammelt – kein leichtes Unterfangen in Pandemiezeiten, da Wochenmarktstände und Infoblätter in Geschäften nicht möglich seien. Trotzdem haben sie 15 000 Postkarten – "Porto zahlt Empfänger" – verteilt und 3892 Unterschriften gesammelt: zu 100 Prozent aus Deutschland, zu 97 Prozent aus Baden-Württemberg, zu 92 Prozent aus dem Zollernalbkreis und zu 83 Prozent aus Albstadt und seiner unmittelbaren Umgebung – konkret fällt der Ortsname Straßberg. 75 Prozent der Unterzeichner seien direkt, indirekt oder in Zukunft von dem Kraftwerk betroffen – und nahezu zwei Drittel von ihnen bereit, "aktiv gegen die Anlage zu wirken". Statements haben sie reichlich gesammelt und einige davon samt Fotos auf ihrer Internetseite publiziert.

Solch sperrangelweit offene Scheunentore bei Klaus Konzelmann, Udo Hollauer und Steve Mall einzurennen: damit hatten die Aktivisten wohl nicht gerechnet. Konzelmann berichtet, dass das Projekt schon 2018 im Gemeinderat vorgestellt worden sei – auf Bitten der Planenden nichtöffentlich. Tenor im Gemeinderat: "Hier nicht!"

Nur in einem Industriegebiet sei eine solche Anlage zulässig, also sei etwa im Interkommunalen Industrie- und Gewerbepark Zollernalb auf dem Gelände der ehemaligen Zollernalb-Kaserne vor den Toren Meßstettens, auf dem Berg oben, ein idealer Standort. Warum die Planenden die Anlage lieber vor der Haustür hätten, dafür hat die Bürgerinitiative eine Erklärung: Nutzten sie die Energie aus der Anlage vor Ort, fielen die Netznutzungsentgelte weg.

Unterzeichner unter Druck: "Liebesentzug wurde angedroht"

Da auf einige Unterzeichner bereits Druck ausgeübt worden sei – Herfort spricht von angedrohtem "Liebesentzug"; gemeint sind künftige Aufträge – befürchten die Aktivisten, dass Korn und Groz-Beckert "Gutachten um Gutachten" anfertigen lassen und damit "Druck auf die Entscheider" ausüben könnten. Laut Konzelmann hätten sie da freilich viel zu tun: Der größte Teil der Stadträte sei gegen die Anlage an diesem Standort. Deshalb habe die Stadtverwaltung um Alternativvorschläge für einen Standort gebeten – und die würden derzeit gesucht.

Wie wäre es mit einem Bürgerentscheid? Das müsse der Gemeinderat entscheiden, sagt Konzelmann, und Hollauer stellt die Frage in den Raum, ob der sinnvoll sei. "Da weiß man nie, was am Ende rauskommt."

Was alle Beteiligten – Dezernenten wie Aktivisten – klar stellen: Ihre Wertschätzung für die Firmen Korn Recycling und Groz-Beckert, die viel Gewerbesteuer bezahlten, viele Arbeitsplätze böten und sich stark in der Region engagierten, etwa durch Unterstützung für Vereine und soziale Projekte, tangiert die Meinungsverschiedenheit über die geplante Anlage und ihren Standort nicht im Geringsten, und in ihren Gesichtern wird deutlich, dass sie das auch so meinen. "Hier geht es um die Sache, nicht um die Personen", sagt Alexander Herfort. "Das muss man ganz klar trennen."