Laut den Beschlüssen des Koalitionsausschusses von SPD, Grünen und FDP soll die Wärmewende technologieoffen stattfinden. Wir erklären, ob die Optionen Biogas und Wasserstoff realistisch sind.
Nach der Sitzung des Koalitionsausschusses soll für die Wärmewende in Gebäuden das Prinzip der Technologieoffenheit gelten. Vor allem der Koalitionspartner FDP will damit Gasheizungen als Option offenhalten – in Zukunft dann mit Biogas oder Wasserstoff (H2) betrieben. Wir beantworten die wichtigsten Fragen dazu.
Spielen Biogas und Wasserstoff heute schon eine Rolle beim Heizen?
Nein. Im Jahr 2021 wurden laut der Bundesnetzagentur gerade einmal gut 9700 Gigawattstunden Biogas in das öffentliche Netz eingespeist – davon waren 3,5 Gigawattstunden Wasserstoff. Das entspricht einem Prozent des Gasverbrauchs in Deutschland 2021 von mehr als einer Million Gigawattstunden. Das Potenzial schätzt die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe bis 2030 „realistisch“ auf zwölf Prozent des heutigen Verbrauchs ein.
Gibt es Heizungen, die mit Biogas oder Wasserstoff betrieben werden können?
Es gibt schon heute Gasbrennwertgeräte, die als „H2 ready“ bezeichnet werden. Der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) zertifiziert damit Gasheizungen, die auch dann zuverlässig funktionieren, wenn dem Erdgas bis zu 20 Volumenprozent Wasserstoff beigemischt ist. Der nordhessische Heizanlagenhersteller Viessmann arbeitet nach eigenen Angaben zurzeit an einer Zertifizierung für 30 Prozent H2-Tauglichkeit und entwickelt derzeit Heizungen, die vollständig mit Wasserstoff betrieben werden können. Ab Ende des Jahres sollen sie im Wasserstoffquartier Hy-Zell Kaisersesch (Rheinland-Pfalz), einem auf Wasserstoff fokussierten Reallabor der Energiewende, zum Einsatz kommen. Der niederländische Hersteller Remeha betreibt bereits seit 2019 einen ersten wasserstoffbetriebenen Heizkessel.
Wird es genug Biogas zum Heizen geben?
Laut Uta Weiß, der Projektleiterin Gebäude und Wärmenetze beim Berliner Thinktank Agora Energiewende, wird Biogas keine Option sein, weil davon einfach nicht ausreichend vorhanden sein wird. „Es gibt Industrieprozesse, die auf grüne Gase als Ersatz für Erdgas angewiesen sind – für den Einsatz im Gebäudebereich wären diese Gase zu kostbar“, sagt sie. Infrage kommt allenfalls eine Verstromung von Biogas, bei der im Nebeneffekt Wärme abfällt, die in lokalen Nahwärmenetzen genutzt werden kann.
Wird es Wasserstoff zum Heizen geben?
Beim Wasserstoff sieht es noch schwieriger aus als beim Biogas. Laut dem Vorsitzenden des Beirats Grüner Wasserstoff des Umweltministeriums Baden-Württemberg, Markus Hölzle, wird Wasserstoff, der mithilfe von Ökostrom produziert wird, also grün ist, erst von 2030 an in großen Mengen im Südwesten verfügbar sein. Erst dann wird es eine entsprechende Pipeline geben. Und dann, so sagt der Professor, der zugleich Vorstandsmitglied des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und Leiter des ZSW-Geschäftsbereichs Elektrochemische Energietechnologien (Ulm) ist, wird der Wasserstoff zunächst auch zur Verstromung sowie in der Industrie eingesetzt werden. Die Abwärme der Verstromung von Wasserstoff könnte dann als Fernwärme zum Einsatz kommen. „Aber für die Nutzung in Einfamilienhäusern im gesamten Bundesland würde Wasserstoff erst noch einmal Jahre später zur Verfügung stehen.“ Auch wenn Wasserstoff aus Verbrauchersicht eine gute und einfache Lösung darstellen würde, wie Hölzle betont, „wird Wasserstoff zu spät bei den einzelnen Haushalten ankommen, sodass sich andere Technologien wie etwa die Wärmepumpe bereits durchgesetzt haben werden“ .
Sollte man jetzt noch eine neue Gasheizung einbauen?
Uta Weiß von Agora Energiewende hält das nicht für eine Option, denn das setze das Erreichen der Klimaschutzziele aufs Spiel. Eine laufende Studie der Agora zeige zudem, dass künftig große Teile des Gasverteilnetzes keine Zukunft hätten. Und es sei unwahrscheinlich, dass es eines Tages ein flächendeckendes Wasserstoffnetz bis zu jedem Haus geben werde. Wer Pech hat, wird also von seinem Brennstoff abgeschnitten und muss deshalb noch einmal in eine neue Anlage investieren. Auch industriepolitisch hält Weiß es für falsch, die Option Wasserstoffheizung offenzuhalten: „Um im internationalen Wettbewerb vor allem mit Herstellern aus Asien bestehen zu können, ist es wichtig, auf die richtige Technologie zu setzen – und das sind Wärmepumpen.“
Wäre die Nutzung von Wasserstoff zum Heizen eigentlich effizient?
Auch da sagt Weiß energisch: „Nein. Zum Heizen mit Wasserstoff muss man fünf- bis zehnmal mehr Strom einsetzen als für den Betrieb einer Wärmepumpe.“ Das liege an Verlusten bei der Elektrolyse, beim Transport des Gases im Netz und an der schlechteren Effizienz einer Wasserstoffheizung im Vergleich zur Wärmepumpe. „Und das heißt auch, dass Heizen mit Wasserstoff viel teurer würde als mit einer Wärmepumpe.“
Woher kommt Biogas?
Biogas lässt sich aus vielerlei naturbasierten Stoffen gewinnen: Aus tierischen Exkrementen ebenso wie aus Stroh, Spelzen oder Hülsen, aus Gräsern oder natürlich auch aus Futter- oder Nahrungsmittelpflanzen. Heute stammt ein Großteil des Biogases laut dem Umweltbundesamt aus eigens angebauten nachwachsenden Rohstoffen (Energiepflanzen wie Mais, Getreide oder Gras). Damit entsteht eine Konkurrenz mit dem Lebensmittelanbau. Nur etwa 20 Prozent stammen aus Bioabfällen, Reststoffen und Gülle.
Woher kommt Wasserstoff?
Wasserstoff kann dort erzeugt werden, wo viel billiger erneuerbarer Strom und Wasser zur Verfügung stehen, denn beides ist für die Erzeugung per Elektrolyse nötig. In erster Linie sind also die Länder Afrikas und des Nahen Ostens im Fokus, größere Anlagen sind etwa auch in Skandinavien geplant, in Deutschland maximal im Norden. Im Süden, so ZSW-Vorstandsmitglied Hölzle, wird es keine Wasserstofferzeugung im großen Stil geben, sondern „in geringem Maße punktuelle Erzeugung über Wasserelektrolyse“.