Ein Gewehr, das 1848 wohl Trillfinger Revolutionäre in der Schweiz besorgt hatten, zeigte Museumschef David Hendel (rechts) zur Illustration des Vortrags, den der Historiker Rolf Vogt (Mitte) im Landesmuseum über die Hechinger Perspektive auf die deutsche Revolution gehalten hat. Foto: Klaus Stopper

Im Revolutionsjahr 1848 rückten die Hechinger ihrem Fürst nachdrücklich auf die Pelle, so dass dieser viele Zugeständnisse machte. In den nächsten Monaten aber rappelten sich die Aristokratie-Anhänger aber wieder auf, und am Ende verleibte sich Preußen mit Militärgewalt die Zollernstadt ein.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Rolf Vogt genießt als Historiker in Hechingen beinahe Kultstatus, das war am Mittwoch im Foyer des Hohenzollerischen Landesmuseums zu spüren. Mit über 90 Besuchern war der Saal zum besten gefüllt. Und sein Vortrag über die deutsche Revolution 1848/49, und speziell die Hechinger Geschehnisse, war ebenso zum bersten gefüllt mit präzisen Details über jene Zeit, die in der Zollernstadt nach leidenschaftlichem Aufstand zu Beginn am Ende mit einer revolutionären Ermattung und dem Einmarsch der Preußen endete.

Ziemlich genau 175 Jahre ist das her, dass im März 1848 tausende empörte Einwohner aus dem ganzen Fürstentum Hohenzollern sich am Hechinger Rathaus zusammenrotteten. Angestachelt von der erfolgreichen zweiten französischen Revolution, die sich schnell auf Baden ausbreitete, wollte man auch in Zollern die alten Verhältnisse stürzen. Frondienst und hohe Steuern, die dem Klerus und vor allem dem Fürstenhof zuflossen waren schon lange verhasst, eine Hungerzeit als Folge von mehreren Missernten kam dazu. Das Ergebnis war eine massive Revolte. Tausende Revoluzzer sind schon eine Gefahr in einem Fürstentum, dessen einzige Stadt Hechingen mit damals 3400 Einwohnern war, dazu eine überschaubare Zahl von Dörfern und Orten zwischen Burladingen, Bisingen und Rangendingen. Immerhin: Das Hechinger Fürstentum war ein souveräner Staat mit eigener Stimme im Deutschen Reich, hatte diplomatische Vertretungen in Wien und Berlin.

Was Rolf Vogt sehr schön herausarbeitete: Fürst Friedrich Wilhelm Constantin ging zu Beginn durchaus nachgiebig auf die Proteste ein, hatte er doch auch schon zuvor in seinem Fürstentum Reformen etwa der Armenfürsorge eingeleitet. Nun stimmte er zu, dass es eine Art Verfassung geben sollte, in dem erstmals die Einwohner festgeschriebene Rechte erhielten. Pressefreiheit, beispielsweise. Da seien die Hechinger absolute Avantgarde in Deutschland gewesen, so Rolf Vogt. Solche Regelungen traf das Parlament in Frankfurt erst viele Monate später. Auf Dauer Bestand hatten beide nicht, denn nach anfänglichem Entsetzen und zumindest vorgegebener Nachgiebigkeit den Protesten gegenüber, sammelte sich das alte Establishment schon bald wieder. Den blutigen Endpunkt der Revolution setzten preußische Militärs bei der Niederschlagung der Revolutionäre in Baden.

In Hechingen fiel zwar kein Schuss, auch wenn das Militär des Fürstentums zur Aufstandsbekämpfung in Marsch gesetzt worden war, aber führende Vertreter der Aufstandsbewegung, allen voran der Pfarrer Joseph Blumenstetter, gerieten im Lauf der Zeit immer mehr ins Hintertreffen. Den zunächst bejubelten Märzvereine erwuchs in Hechingen von konservativen Vereinen Konkurrenz, die eine Fortführung der bisherigen Verhältnisse wollten, und das Frankfurter Parlament scheiterte auch daran, dass in ihm die konservativen Kräfte überhand nahmen. Gewählte Regierungsvertreter wurden nicht mehr anerkannt, in Hechingen feierte der Märzverein zwar noch ein großes Fest, in dem die schwarz-rot-goldene Fahne präsentiert wurde, aber die aristokratischen Kräfte hatten ihre Macht längst wieder konsolidiert.

Fürst Constantin hatte 1848 auch längst seine Zugeständnisse an die Revolutionäre vergessen. Zwergstaaten wie Hechingen-Hohenzollern drohte ohnehin die Mediation, also der Anschluss an größere Einheiten. Das hätte dann auch Württemberg sein können, aber Constantin verhandelte lieber mit seinen preußischen Verwandten. Für ihn selbst sprang dabei viel Geld heraus, seine Hechinger überließ er dafür einem neuen Regime, das keinen Zweifel ließ, auf welcher Grundlage seine Herrschaft stand: 1100 preußische Soldaten zogen vorübergehend nach Hechingen ein. Die Bürgerrechte, darunter auch die Pressefreiheit, wurden wieder einkassiert. Revolutionäre, unter anderem Blumenstetter, wurden in Haft genommen.

In diesem Zusammenhang zeigte Museumschef David Hendel auch eine der jüngsten Neuerwerbungen des Museums: Ein Gewehr mit Bajonett, das nach aktueller Überlieferung Hirrlinger Revolutionäre in der Schweiz besorgt hatten, um mit Waffengewalt die alte Ordnung zu bekämpfen. Da die Revolution im Hechinger Bereich aber ohne Kampfhandlungen einschlief, kam es nie zum Einsatz.

Deutsche Revolution 1848/49

Ablauf
Die Deutsche Revolution ereignete sich in der Zeit von 1848 bis 1849 im Deutschen Bund. Die Revolutionäre waren liberal gesinnt und forderten demokratische Rechte sowie auch die Einheit Deutschlands als Gegensatz zur herrschenden Kleinstaaterei. Bekämpft wurde ein System, das 1815 nach dem Ende der Napoleonischen Kriege von den aristokratischen Machteliten geschaffen wurde. Auslöser war eine Revolution in Frankreich gegen die wieder an die Macht gekommene monarchische Herrschaft, die schnell auf das Großherzogtum Baden übergriff und sich innerhalb von Wochen auf die übrigen Staaten des Bundes ausdehnte. Von Berlin bis Wien wurde zunächst die Berufung liberaler Regierungen in den Einzelstaaten erzwungen, die Durchführung von Wahlen zu einer verfassungsgebenden Nationalversammlung, die am 18. Mai 1848 in der Paulskirche in Frankfurt am Main zusammentrat. Die Nationalversammlung setzte eine Zentralregierung ein und sah sich selbst als Parlament eines revolutionären, entstehenden Deutschen Reiches. Es wurden Erfolge erkämpft wie zum Beispiel Aufhebung der Pressezensur oder Bauernbefreiung, aber Konflikte, die teils bürgerkriegsähnliche Ausmaße annahmen, wurden am Ende von den alten Machteliten erfolgreich militärisch bekämpft. Bis Juli 1849 hatten in Deutschland überwiegend preußische Truppen mit militärischer Gewalt die Revolution niedergeschlagen.