Am zweiten Prozesstag wurde das psychiatrische Gutachten vorgestellt. Foto: Stopper

Bei dem Fall, bei dem einem 85-Jährigen im Schlaf das Bett angezündet worden sein soll, werden weitere Zeugen gehört. Das psychiatrische Gutachten sowie abgehörte Telefonate geben mehr Einblicke in die komplexe Welt des Angeklagten.

Hechingen - "Ich hab mich im Nebenraum umgezogen und nachdem ich zurück kam, war das Geld weg", schilderte die erste Zeugin den Abend, an dem sie der Angeklagte bestohlen haben soll. Sie ist bei weitem nicht die einzige. Elf verschiedene Anklagepunkte listet die Staatsanwaltschaft Hechingen in ihren Ermittlungen auf. Jedes Mal geht es um Diebstahl.

In einem anderen Fall soll der Angeklagte 1000 Euro Bargeld aus einem Arbeitszimmer entwendet haben. Auch eine Arztpraxis soll er nach Geld durchsucht haben – das Vertrauen einer im gleichen Haus wohnenden Krankenschwester, die in der Praxis arbeitete, soll er sich zuvor erschlichen haben.

Vorwurf: mehrere Diebstähle

Nach einem Brand, dessen Ursache auch noch nicht geklärt wurde, fehlten auf einmal die Praxisschlüssel aus der Wohnung der Krankenschwester und der Angeklagte wurde nachts in der Praxis angetroffen. Auch hier fehlten am Schluss mehrere Hundert Euro.

All diese Anklagepunkte haben eines gemeinsam: Jedes Mal wurden kleinere oder auch größere Geldsummen entwendet. Der Verdächtige ist der selbe Mann, der auch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung vor Gericht steht.

Hierbei soll er das Bett eines befreundeten 85-Jährigen in Brand gesteckt haben und ihn anschließend im Schlaf in seinem Schlafzimmer eingesperrt haben. Alles Unsinn, meinte der Geschädigte vor Gericht. Er sei mit dem Angeklagten sehr gut befreundet und habe stattdessen seine Neffen im Verdacht.

Wegen Suizidversuchen in Behandlung gewesen

Im Fokus stand an diesem Prozesstag vor allem das psychiatrische Gutachten. Bei den Gesprächen mit dem Angeklagten kam zu Tage, dass er in den Jahren 2015 und 2017 wegen Suizidversuchen in psychiatrischer Behandlung war.

Eine ständige Misshandlung durch die Mutter soll außerdem nachhaltigen negativen Einfluss auf seine Psyche gehabt haben. Das Resultat laut der damaligen behandelnden Ärzten: Eine emotionale instabile Persönlichkeit sowie depressive Episoden.

Unklar ist vor allem noch, ob der Angeklagte als Bundeswehrsoldat in Afghanistan gedient hat. Bei einer früheren psychiatrischen Untersuchung wurde ihm eine Depression und Posttraumatische Belastungsstörung attestiert – weil er auf ein Kind schießen musste, so die damalige Schilderung des Angeklagten. Doch an dieser Geschichte bestehen erhebliche Zweifel.

Vormals verminderte Schuldfähigkeit attestiert

Bei einem früheren Gerichtsverfahren, bei dem es um eine Serie von Autodiebstählen ging, wurde ihm aufgrund der psychischen Probleme eine verminderte Schuldfähigkeit attestiert. Diese verminderte Schuldfähigkeit sieht der Gutachter in diesem Prozess allerdings nicht. "Bei dem damaligen Gutachten wurde eine Bereicherungsabsicht nie in Betracht gezogen." Der Forensiker hielt es für gut möglich, dass der Angeklagte seine Ärztekollegen damals bewusst getäuscht hat.

Außerdem würde der Angeklagte ständig die Opferrolle für sich reklamieren, so der Experte. Er fühle sich ständig diskriminiert aufgrund seiner Homosexualität. Außerdem hätte der Angeklagte ihm in den Gesprächen erzählt, dass er sich von den Ermittlungsbeamten, der Justiz und der Presse unangemessen behandelt fühle. Man würde ihn ständig vorverurteilen.

Darüber hinaus wurden an diesem langen Prozesstag verschiedene Telefonate, die im Februar 2021 aufgezeichnet wurden, abgespielt. Aus diesen ging hervor, dass der Geschädigte darüber nachgedacht hat, dem Angeklagten sein Unternehmen zu vererben. "Wenn du es an mich vererbst, kannst du darüber entscheiden, was damit passiert", sagte der Angeklagte am Telefon zu ihm. Außerdem: "Ich werde auf jeden Fall nicht pro deiner Familie sein." Stattdessen schlug der Angeklagte vor, alles zu verkaufen und den Erlös an soziale Projekte in Baden-Württemberg zu spenden.

Wie nah standen sich Angeklagter und Geschädigter?

Des Weiteren wurde klar, dass sich der Geschädigte und der Angeklagte in engem Austausch bezüglich des Vorgehens während der Ermittlung befanden. "Sag nichts mehr ohne deinen Anwalt und nimm das nicht auf die leichte Schulter", so der Geschädigte zum Angeklagten. Dieser entgegnete: "Ich will nicht, dass unsere Freundschaft darunter leidet. Ich will weiterhin Kontakt zu dir haben."

Wie nah sich der Angeklagte und der Geschädigte tatsächlich stehen, ist nach wie vor nicht ganz klar. Es gibt allerdings viele Indizien dafür, dass sie sich sehr nahe standen.