Der nächste Deutsche Bundestag soll deutlich weniger Abgeordnete haben als der aktuelle. Foto: Pixabay

Mit 736 Abgeordneten platzt der Deutsche Bundestag aus allen Nähten. Nun soll das Wahlrechts geändert werden. Würde es in aktueller Form beschlossen, hätte das gravierende Auswirkungen auf den Wahlkreis Hechingen-Tübingen.

Hechingen - Hätte das neue Wahlrecht schon für die Bundestagswahl 2021 gegolten, wäre erstaunlicherweise ausgerechnet Annette Widmann-Mauz leer ausgegangen, obwohl sie im Wahlkreis damals das beste Ergebnis erzielt hat. Wenn auch nur knapp – und genau da liegt das Problem des Wahlkreises.

Denn nach dem nun geplanten Wahlgesetzt würden die Parlamentssitze nur nach dem Stimmenverhältnis der Parteien besetzt. Wer in einer Partei in einem Bundesland das beste Stimmergebnis hat, kommt rein. Die anderen bleiben draußen.

Und das trifft den Zollernalbkreis besonders hart, weil hier die fast 200 000 Wähler gemischt sind zwischen einer großen Gruppe in und um die Uni-Stadt Tübingen, die grundsätzlich eher eine Grünfärbung aufweisen, und auf der anderen Seite eine ebenso große Gruppe aus der ländlichen Albgegenden mit tendenzieller CDU-Zuneigung. Spitzenergebnisse für CDU-Kandidaten sind hier schwer zu holen. Annette Widmann-Mauz hätte da gegenüber CDU Kollegen und Kolleginnen aus klarer ländlich strukturierten Wahlkreisen Nachteile.

Unistadt Tübingen bringt Grünen-Kandidat viele Stimmen

Weniger ausmachen würde das neue Wahlrecht dagegen Grünen-Kandidat Chris Kühn. Er wäre wohl so oder so in den Bundestag eingezogen, denn für ihn ist Tübingen ein Quell an Stimmen, den Parteikollegen im ländlicheren Teil des Landes nicht haben. "Selbst nach der Wahlrechtsreform, würde ich immer noch im Bundestag sitzen, da ich über die Landesliste in den Bundestag gezogen bin", schreibt er auf Nachfrage der Redaktion. Das gilt auch für den SPD-Abgeordneten Martin Rosemann.

Verschiedene Einstellungen zur Wahlrechtsreform

Aus diesem Mechanismus erklärt sich möglicherweise auch, wie die Wahlkreis-Abgeordneten zur angepeilten Wahlrechtsreform stehen. Alle drei sprechen sich zwar entschieden dafür aus, die Größe des Bundestags zu reduzieren, weil sonst die Arbeitseffektivität leidet, weil alles zu übersichtlich wird und auch zu teuer.

Aber Annette Widmann-Mauz würde dies eher dadurch erreichen wollen, dass die Wahlkreise größer werden, dafür aber die Direktmandate beibehalten werden. Sie argumentiert, dass es den Wählern gegenüber unfair wäre, wenn der Kandidat, der in ihrem Wahlkreis vorne liegt, nicht nach Berlin darf, unterlegene Kandidaten aber schon.

Auch Wahlkreis-Vergrößerung hätte Nachteile

Für den SPD-Abgeordneten Martin Rosemann und seinen Grünen-Kollegen Chris Kühn ist dagegen wichtig, die bisherigen Wahlkreise zu erhalten. Denn größere Wahlkreise bedeuten automatisch weitere Wege zu den Einwohnern dieser Wahlkreise. Martin Rosemann weist hier darauf hin, dass laut Berechnungen der Wahlrechtskommission erst bei einer Reduktion der Wahlkreise auf 225 eine Aufblähung des Bundestags zu vermeiden wäre. Aktuell sind es 299 Wahlkreise.

Einzelne Wahlkreise könnten ganz leer ausgehen

Ein Nachteil hätte die neue Regelung allerdings auf jeden Fall: Einzelne Wahlkreis könnten über gar keine Abgeordneten im Bundestag mehr verfügen. Das wäre dann ein extremer Kontrast zur Bundestagswahl 2017, als auch noch die Linken-Kandidatin Heike Hänsel nach Berlin fahren durfte. Aber schließlich soll das Parlament ja verkleinert werden.

Was es konkret für einen Wahlkreis bedeuten würde, wenn er weniger eigene Abgeordnete in Berlin hat, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Abgeordnete können sich bei Behörden oder Institutionen für Anliegen aus ihrem Wahlkreis stark machen, Zuschüsse und die Verteilung von Finanzmitteln für Projekte in ihrem Wahlkreis einsetzen – so jedenfalls schildern alle aktuellen Wahlkreis-Abgeordneten jedenfalls einen Teil ihrer Arbeit.