Die Hechinger Justizbehörden arbeiten personell angespannt aber auch hohem Niveau: Diese Bilanz zogen Herbert Anderer, Luitgard Wiggenhauser, Michael Pfohl und Nicole Luther (von links) gestern in der Pressekonferenz. Foto: Stopper

Hechinger Justizvertreter weisen auf Knappheit hin. Fälle, wo Angeklagte in Untersuchungshaft sitzen, werden bevorzugt behandelt.

Hechingen - Sie dürfen Menschen anklagen, verurteilen oder sie von Schuld freisprechen, ihre Ehen scheiden oder Strafzettel bestätigen – und das alles mit gutem Recht: Die Hechinger Justizbehörden zogen gestern Bilanz.

Eines zieht sich wie ein roter Faden durch die Berichte von Landgerichtspräsidentin Luitgard Wiggenhauser und dem leitenden Staatsanwalt Michael Pfohl: Die Justizbehörden leiden unter Personalknappheit, befürchten aber noch weitere Kürzungen. Das könne sich durchaus auf die "Kundschaft" auswirken.

Fälle, in denen Angeklagte in Untersuchungshaft sitzen, müssten natürlich bevorzugt bearbeitet werden, gab der Vorsitzende Richter Herbert Anderer ein Beispiel, "und die Kehrseite könnte sein, dass Verfahren gegen Personen, die auf freiem Fuß sind, sich verzögern". Das wäre seiner Ansicht nach auch in Hechingen kaum zu vermeiden, wenn am Personal gespart werde.

Einige große Prozesse prägten im vergangenen Jahr das Geschehen am Landgericht. Der so genannte "Joggermord" in Pfullendorf, ein Verfahren gegen einen psychosekranken Mann, der Einzelkämpfer-Soldat war und deshalb im Prozess von sechs Polizisten bewacht werden musste, sowie der Prozess um den Altstadtbrand in der Hechinger Altstadt.

Viel Arbeit machten aber auch die kleinen Fälle. "Betreuungssachen" etwa, wenn beispielsweise demente Menschen gegen ihren Willen in Heime aufgenommen oder medikamentös behandelt werden sollen. Die Gerichte gingen hier sehr sorgfältig vor, berichtete Luitgard Wiggenhauser, denn "niemand will zwangsmedikamentiert werden", dennoch sei dies manchmal unumgänglich.

Auch die Staatsanwaltschaft – übrigens eine vom Gericht völlig unabhängige Behörde, wie Michael Pfohl betont – sei im vergangenen Jahr personell zwar recht gut ausgestattet gewesen, aber ein neues Gesetz, das den Einsatz von Rechtsreferendaren in Prozessen mit Minderjährigen untersagt, habe die Behörde schwer getroffen. "Hier geht es ja oft um frisierte Mofas, Ladendiebstahl oder Schwarzfahren", erklärte Pfohl. Das seien Fälle, die für junge Juristen gut geeignet seien. Nun müssten seine "richtigen" Staatsanwälte diese Fällte übernehmen, und es werde schwer, die Referendare zu beschäftigen. "Diese Regelung geht völlig an der Realität vorbei", bemängelte der Oberstaatsanwalt. Weitere Probleme habe die Polizeistrukturreform verursacht. Die Wege hätten sich verlängert, Zuständigkeiten seien noch unklar.

Die Statistik, die er vorlegte, zeigte für den Bereich Hechingen dennoch hervorragende Werte. Was die Ermittlungsdauer angehe, sei Hechingen "wohl die schnellste Staatsanwaltschaft in Württemberg", erklärte er stolz. Nicht einmal fünf Prozent der Fälle dauere länger als ein halbers Jahr, fast 70 Prozent seien nach einem halben Jahr längst abgeschlossen. Und auch die Quote der Ermittlungen, die mit einer Anklage ende, sei vergleichsweise hoch. "Vielleicht sind wir auch die strengste Staatsanwaltschaft in Württemberg", so Pfohl.

Ein relativ neues und dennoch schon häufiges Kriminalitlätsfeld sei die Internet-Kriminalität, erklärte Nicole Luther, Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Da werde Geld kassiert und Ware nicht geliefert, oder es würden Computer durch Viren verseucht und Geldzahlungen erpresst. Die Täter seien schwer zu fassen, "weil diese oft vom Ausland aus agieren", so Luther. Amtshilfeverfahren endeten oft im Nichts. Großbritannien kümmere sich beispielsweise nicht um Fälle mit einem Schaden unter 1000 Euro, "und wenn der Schaden höher ist, würde ich mir auch kaum Hoffnungen machen, dass man das Geld wieder kriegt".