Klaus Schön und sein grüner Rollkoffer. Der Rechtsanwalt ist zuversichtlich, genug Munition im Trolley zu haben, um das Urteil anfechten zu können. Foto: Rath

Wendung im Prozess um Raubüberfälle auf Schrotthändler? Verteidiger holt die "Dicke Berta" raus.

Hechingen - Steht der Prozess gegen die Räuber, die zwei Schrotthändler überfallen haben, vor einer Wende? Der Anwalt des mutmaßlichen Drahtziehers ist sich sicher, schon vor dem Urteil den Revisionsgrund in der Tasche zu haben.

Rechtsanwalt Klaus Schön lächelt spitzbübisch. Soeben sind seine weiteren Befangenheitsanträge gegen die Kammer und den Vorsitzenden Richter Herbert Anderer abgelehnt worden. Dem Verteidiger verdirbt das nicht die Laune, im Gegenteil: Er ist davon überzeugt, längst alles in der Tasche zu haben, um ein Urteil anzufechten. "Die Kammer hat mir freiwillig die Munition geliefert. Das habe ich so noch nie erlebt", sagt Schön und lächelt immer noch.

Anwalt bringt Großkaliber in Stellung

Schon vor Beginn des Prozesstages am Montag hatte das geflügelte Wort die Runde unter den vier Anwälten gemacht, dass Kollege Schön die "Dicke Berta" aus seinem grünen Reisekoffer hole. Der Name "Dicke Berta" stammt aus dem Ersten Weltkrieg. So nannte die deutsche Armee ihr neuestes Riesengeschütz, mit dem sie sogar die dicksten französischen Festungsmauern in Schutt und Asche legen wollte. Anwalt Schön ist dabei, sein Großkaliber in Stellung zu bringen.

Der Anwalt ist zuversichtlich, genug Durchschlagskraft zu haben, um seinen Mandanten aus einer fast schon auswegslosen Lage vorläufig freizuschießen. Die Kammer habe im Eifer des Gefechts um die Beweisanträge zwei dicke Fehler gemacht: Es gab Gespräche, in denen die Möglichkeit ausgelotet wurde, die Verfahren gegen die drei anderen Angeklagten abzutrennen. Sie hatten bereits Geständnisse abgelegt und den Mandanten Schöns schwer belastet. Der wiederum schweigt weiter. Fehler der Kammer: Schön war an diesem Gespräch nicht beteiligt. In einem anderen Antrag hatte die Richterin der Kammer eine Entscheidung getroffen, die sie laut Schön gar nicht hätte treffen dürfen. "Ich freue mich schon auf die Revision", so der Konstanzer Jurist.

Zuschauer und Verteidiger müssen die Zeit totschlagen

Überhaupt bewegt sich der Prozess längst auf einer Ebene, in der die eigentlichen Fälle zur Nebensache verkommen. Der Prozesstag am Freitag war bereits kurzfristig abgesagt worden. Auch am Montag lief die Verhandlung schleppend an. Statt um 14 Uhr begann die Verhandlung um 16.15 Uhr. Zuvor waren weitere Beweisanträge von Schön schriftlich begründet und dann von der Kammer verworfen worden. Während sich die Kammer zur internen Beratung zurückgezogen hatte, schlugen Anwälte und Zuschauer die Zeit tot. Die Verteidiger kritzelten Papier voll, telefonierten, übten sich im Kugelschreiberdrehen und testeten die Biegsamkeit der Saalmikrofone ausgiebig aus. "Soll ich mich aufregen", so ein anderer Verteidiger, "das hilft auch nichts. Also fröhlich bleiben." In den unfreiwilligen Prozessunterbrechungen war er schon zweimal beim Friseur. Jeder nutzt die Zeit auf seine Weise sinnvoll.

Einer nervösen Zeugin tat die lange Wartezeit hingegen nicht gut. Sie kollabierte vor dem Gericht, musste vom Notarzt behandelt werden. Sie sei nicht vernehmungsfähig, ließ Richter Anderer wissen. Stattdessen wurde ein weiterer Zeuge vernommen, der bei einem der beiden Opfer ebenfalls Geld geliehen hatte, ansonsten aber wenig beisteuerte, um sich selbst zum potenziellen Tatverdächtigen zu machen. Nach fünf Minuten war die Befragung zu Ende und damit die gesamte Sitzung für diesen Tag.

Richter Anderer geht davon aus, dass der Stellungskrieg zwischen der Kammer und Anwalt Schön erbittert weitergeht. Dem Vernehmen nach sollen doch noch elf weitere Zeugen vernommen werden, die die Kammer eigentlich schon ausgeladen hatte. "Halten Sie sich die geplanten Verhandlungstermine bitte frei", so Anderer zu den Verteidigern und Staatsanwalt Markus Engel. Der Nervenkrieg geht also weiter, Schön hat Gelände gutgemacht. Übrigens: Im Ersten Weltkrieg hielten die stärksten Festungsbauwerke aus Stahlbeton den 42-Zentimeter-Granaten der "Dicken Berta" wider Erwarten stand.