In dem Haus in der Ebinger Straße hat sich das Familiendrama abgespielt. Davor stehen Notarzt- und Rettungswagen sowie ein Polizeifahrzeug. Foto: Nölke

49-jähriger Familienvater schildert vor Hechinger Landgericht seine schreckliche Bluttat. Mit Video

Hechingen/Winterlingen - Er fühlte sich beleidigt, erniedrigt, verraten: Am 1. April 2018 tötete ein 49-jähriger Familienvater in seiner Wohnung in Winterlingen seine Frau mit fünf Schüssen aus einer Beretta – vor den Augen der Kinder. Am Montag machte er vor dem Hechinger Landgericht umfassende Angaben zum Tathergang.

Streit habe es immer wieder gegeben, räumt er ein. Die letzten paar Tage vor der Tat habe er bei seiner Mutter geschlafen, bei der Schwester gegessen. An jenem Samstagabend sei er in die Wohnung gekommen, habe geduscht, sich umgezogen. Im Flur habe er die Bodylotion gesucht, sei dabei auf eine Flasche Schnaps gestoßen, den er von einem Kumpel geschenkt bekommen habe, habe ein halbes Glas voll getrunken.

Dann sei seine Frau aus der Küche gekommen, habe Streit angefangen. "Sie hat gesagt: ›Ich werde dich fertigmachen, ich werde dir alles nehmen, du wirst deine Kinder nie mehr sehen‹", schildert der sichtlich erregte Mann die Situation. Er sei der Frau ins Wohnzimmer gefolgt, und als sie die Zunge rausgestreckt und "eine Grimasse geschnitten" habe, sei er "ausgetickt". Er habe die Pistole gezogen und abgedrückt. An zwei Schüsse könne er sich erinnern. Als die Frau am Boden lag und die ältere Tochter dazwischen gehen wollte, habe er sofort den Finger vom Abzug genommen. Den Schuss aus nächster Nähe habe die Tochter wohl versehentlich ausgelöst.

Der Prozessauftakt im Video:

Die Beretta hatte er von seinem Vater bekommen

Die Beretta? Die habe er von seinem Vater bekommen, der habe ihm auch gezeigt, wie man damit umgeht. Er habe sie an dem Tag sicherheitshalber in den Hosenbund gesteckt, weil seine Frau ihm den Besuch ihrer drei Brüder angekündigt habe. Und die hätten ihm Schläge angedroht.

Dass die Ehe endgültig kaputt war, dürfte dem gebürtigen Albaner zu dem Zeitpunkt klar gewesen sein. Die Frau habe bereits eine andere Wohnung angemietet, habe Möbel bestellt und den Großteil ihrer Sachen aus dem Haus geschafft. Aber warum dieser Tag schlimmer gewesen sei als die anderen davor? Es habe Streit gegeben wegen 10.000 Euro, die verschwunden seien, sagt er. Die Frau habe behauptet, er habe ihr das Geld weggenommen, und habe Anzeige erstattet. Daraufhin habe die Polizei die Wohnung durchsucht.

Hat es das Geld tatsächlich gegeben? Und wenn ja, hat sie es von ihren Brüdern, wie sie behauptete, oder von dem 99-jährigen Winterlinger, bei dem sie zunächst geputzt hatte und mit dem sie danach Kaffee trinken war? Dieser hatte sie immer wieder unterstützt; sie hatte einen Teil ihrer Sachen im Vorfeld des Umzugs bei ihm deponiert. Gegenüber der Polizei habe er aber keine genauen Angaben gemacht, sagte der Hauptsachbearbeiter in diesem Tötungsdelikt, ein 51-jährige Kriminalhauptkommissar, im Zeugenstand. Von einer weiteren Befragung habe man abgesehen angesichts des prekären Gesundheitszustands des Senioren, der sich wohl als "Ersatz-Opa" gesehen habe.

Der 49-Jährige habe sich widerstandslos festnehmen lassen, sagte der Kriminalbeamte. Im Auto habe er darüber gesprochen, dass sich Frauen veränderten, wenn sie mit der westlichen Kultur in Kontakt kämen.

"Da hat sie mich einen Schlappschwanz genannt"

Eheprobleme? Wie sei es dazu gekommen?, erkundigt sich der Anwalt der Nebenklage. Die Frau habe geglaubt, dass er nicht arbeiten wolle, sagt der Angeklagte. Er habe eine Depression gehabt, habe Medikamente genommen und keine Lust auf Sex gehabt: "Da hat sie mich einen Schlappschwanz geschimpft."

Er sei überzeugt gewesen, dass sie einen Liebhaber hatte. Ob er davor schon gedroht habe, sie zu töten? "Ich habe gesagt, dass es ausarten könnte, dass ich nicht weiß, was passieren könnte", räumt er ein. Und warum die Brüder, die aus der Schweiz kommen wollten, drei Stunden lang an der Grenze aufgehalten worden seien? Man habe mit Vergeltungsmaßnahmen rechnen müssen, sagt der Kriminalbeamte: "Der Sohn aus erster Ehe hatte von Blutrache gesprochen."

Die beiden Notrufe, die bei der Leitstelle an jenem verhängnisvollen Abend eingegangen waren und die im Gerichtssaal über Lautsprecher abgespielt werden, lassen nachvollziehen, was sich abgespielt hat. 19.04 Uhr: Bei der Leitstelle geht ein Notruf ein, eine weinende Frau ringt um Atem, im Hintergrund hört man hysterisch weinende Kinderstimmen. Minuten später ein zweiter Notruf: Ein Mann bittet um Hilfe. Er gibt an, seine Frau erschossen und die Tochter verletzt zu haben. In Winterlingen, Ebinger Straße 56. Polizei und DRK werden alarmiert, die Notärztin versucht die Frau, die fünf Schussverletzungen hat, zu reanimieren. Um 19.44 Uhr wird die Reanimation abgebrochen und der Tod der Frau festgestellt.

Während die Aufnahme läuft, hat der Angeklagte den Kopf gesenkt, wischt immer wieder Tränen weg. Am Nachmittag werden die Kinder des Angeklagten unter Ausschluss der Öffentlichkeit befragt. Die Verhandlung wird am Donnerstag, 4. Oktober, um 9 Uhr fortgesetzt.