Hechingen - Polizisten haben am Mittwochmorgen einen stadtbekannten Hechinger kurzzeitig in Gewahrsam genommen. Das Ordnungsamt hat seinen Hund mitgenommen. Der wurde mit einem Pfefferspray verletzt.

Martin Klein ist schockiert. Sein Hund ist weg. Klein selbst war kurzzeitig in Haft. Alles soll ganz schnell gegangen sein. Am Mittwochmorgen sei er aufgewacht, weil sein Hund etwas vor dem Haus bemerkt hatte. Dort standen zwei Polizeistreifen und Mitarbeiter des Ordnungsamtes.

Die Polizisten hatten Vorführungsbefehle – wohl wegen Verstößen gegen die Leinenpflicht. Diese Befehle setzten sie wohl rigoros durch. Nach Angaben der Polizei stieg ein Beamter dabei durch ein Fenster ein. Kleins Hund kam dem Polizisten nahe, der griff unmittelbar zum Pfefferspray. Anschließend wird der Hund ins Tierheim gebracht.

Auch bei Klein selbst gehen die Polizisten – dem Vernehmen nach – nicht gerade zimperlich vor. "Sie haben mich an den Haaren gepackt", sagt Klein – ein Detail, dass die Polizei bisher nicht bestätigte. Wohl jedoch heißt es, dass "einfache körperliche Gewalt" angewandt wurde.

Der Einsatz des Pfeffersprays gegen den Hund wird als legitim angesehen. "Letztlich ist es eine Einzelfallentscheidung", erklärt dazu Michael Aschenbrenner vom Polizeipräsidium Tuttlingen. "Aus unserer Sicht absolut rechtmäßig", sagt er. Denn: Der Polizist habe sich "auf fremdem Terrain" bewegt und Hunde könnten nun mal gegenüber Eindringlingen aggressiv reagieren.

Doch der Einsatz der Polizei und des Ordnungsamtes sorgt für Aufregung, vor allem im Internet. Kleins Nachbarn, die Betreiber eines Tattoo-Studios, haben auf Facebook einen Aufruf gestartet. Die Menschen sollen sich an Bürgermeister Philipp Hahn wenden. 40 E- Mails sind eingegangen – Stand Donnerstagmorgen.

In dem Schreiben wird die sofortige Freigabe des beschlagnahmten Hundes gefordert. "Dieses unverhältnismäßige Vorgehen zu Lasten eines unschuldigen Lebewesens ist unsozial und in keinster Weise akzeptierbar", heißt es darin.

Den Menschen geht es zum einen also um den Hund, der laut den Kommentaren ein "sooo lieber" sei, immer beim Herrchen laufe. Zum anderen geht es darum, dass gemutmaßt wird, dass man Martin Klein zeigen wollte, dass man mit seiner Art zu leben nicht einverstanden ist. "Sie wollen ihn einfach nur strafen weil er nicht so lebt wie sie es gerne hätten...das ist ein abgekartetes Spiel", schreiben die Betreiber des Tattoo-Studios.

Die Stadt äußert sich wie folgt: "Die Stadt Hechingen hat beim Amtsgericht die Erzwingungshaft gegen einen Bürger beantragt. Diese wurde vollstreckt, nachdem die Strafe bei der Justizvollzugsanstalt nicht angetreten wurde. Da die Person einen nicht angemeldeten, herrenlosen Hund mit sich führte, wurde dieser in Sicherheit verbracht."

Ergänzend wird mitgeteilt, dass die Vollstreckung der Erzwingungshaft keine Folge einer nicht bezahlten Hundesteuer gewesen sei. "Sie geht auf Bußgelder zurück, die wegen Verstoß gegen die Leinenpflicht verhängt wurden. Herr Klein hatte zirka ein Jahr die Möglichkeit, die Bußgelder zu begleichen beziehungsweise ersatzweise einen Aufenthalt in der Justizvollzugsanstalt anzutreten. Dies hat er nicht getan, woraufhin die Stadt Hechingen die Erzwingungshaft beantragt und vollstreckt hat."

Der Vorfall hätte also vermieden werden können. Doch wieso bekommt Klein seinen Hund nach Zahlung der Strafe nicht zurück? "Der Hund war ursprünglich Eigentum eines Hechinger Bürgers, der mittlerweile verzogen ist. Da Herr Klein keinen Nachweis über den Eigentumswechsel (vom verzogenen Bürger zu Herrn Klein) erbringen kann, ist die Eigentumsfrage nach wie vor ungeklärt. Da die Herausgabe des Hundes nur an den Eigentümer oder an eine durch Vollmacht beauftragte Person erfolgen darf, wird der Hund weiterhin verwahrt", vermeldet die Stadt.

Verantwortlich ist Klein für den Hund allerdings auch dann, wenn er nicht der Besitzer ist. Jeder, der einen Hund führt – egal, ob der eigene oder nicht – muss sich an die Leinenpflicht halten.

Zumindest der Einsatz der Polizei bleibt aber wohl für einige diskutabel. Weitere Details dazu sollen in den nächsten Tagen mitgeteilt werden.

Pro: Gut so

Von Alexander Kauffmann

Die Polizei hat durchgegriffen. Gut so. Die Beamten haben nichts anderes getan, als das, was von ihnen gefordert wird: die Vollstreckung eines Vorführungsbefehls gegen den Halter. Hätte er sich nichts zu Schulden kommen lassen, wären Streifenwagen nicht vorgefahren. Wer einen Hund besitzt, hat Verantwortung für das Tier. Dass dieses während der Haft in Obhut genommen wird, ist alles andere als beklagenswert, sondern zeigt, wie verantwortungsvoll die Polizei bei der Durchsetzung des Rechts handelt. Dass der riesige Hund zubeißen könnte, war wohl nicht unwahrscheinlich. Deshalb: lieber Pfefferspray als verletzte Gesetzeshüter.

Kontra: Hundeopfer

Von Maja Dick

Ein Hund kann nicht verstehen, dass er angeleint sein muss – die Pflicht des Besitzers. Ein Hund liebt sein Herrchen dafür, wenn er frei herumtollen darf. Und ein Hund wird "Eindringlinge" angehen, die ihn auf "seinem" Territorium mit Pfefferspray zusetzen – weil er nicht versteht, was sein Herrchen versäumt hat. Pfefferspray gegen einen (sonst) unauffälligen Hund zu verwenden, mag am einfachsten gewesen sein. Zunächst beruhigende Worte und die Bitte an das Herrchen, beim Anleinen und Halten des Hundes zu helfen, hätten dem ahnungslosen Tier besser getan – und die Situation vielleicht nicht eskalieren lassen.