Schwarze T-Shirts mit dem Foto von Umut K. trugen am Mittwoch Familienangehörige und Freunde des jungen Mannes, der am 1. Dezember in der Staig erschossen wurde. Foto: Stopper

Auftakt im Prozess wegen Mordes an Hechinger Staig. Vater des Opfers sagt unter Tränen aus.

Hechingen - Sehen so Mörder aus? Welchen Schmerz hält ein Vater aus, dessen Sohn erschossen wurde, wenn er als Zeuge über dessen Leben erzählen soll, während die mutmaßlichen Täter gegenübersitzen? Der Auftakt des Hechinger Mordprozesses am Donnerstag war sehr emotional.

Am 1. Dezember vergangenen Jahres fiel ein tödlicher Schuss an der Hechinger Staig. Das Echo wird noch lange nachklingen, das wurde in der Verhandlung vor dem Landgericht deutlich. Hier geht es nicht um einen Fall, hier geht es um einen Sohn, einen Bruder, einen Freund, der bitter vermisst wird – das zeigen die einheitlichen, schwarzen T-Shirts mit aufgedrucktem Foto des Opfers, mit denen Familie und Freunde des Erschossenen zum Prozess kommen. Eine Aktion, die betroffen macht. Sie werden an diesem Tag das erste Mal jene Männer sehen, die Umut K. erschossen haben sollen. Ihre Gefühle können sie nicht in Worte fassen.

Dieses Bild der Trauer passt kaum zum wuseligen Großaufgebot vor dem Landgericht. Reporter, Fernsehteams, viele Zuschauer, Justizbeamte und Polizisten zeigen massive Präsenz. Wer rein will, wird abgetastet. Angehörige von Angeklagten und Opfern kommen zur Verhandlung. Diese Spannung birgt Zündstoff. In einer Prozesspause kommt es zu Beleidigungen und Bedrohungen. Die Verwandten von Umut K. sind sehr angespannt. Verständlich, aber Richter Hannes Breucker greift rigoros durch. "Strafbare Handlungen werden rigoros verfolgt", sagt er drohend ins Publikum.

Aber auch das Gericht betont an diesem Tag, dass es hier nicht einfach einen juristischen Fall bewertet, dass das Opfer, der Schmerz seiner Familie, hier Bedeutung haben soll. "Uns war es wichtig, dass Sie heute das Recht haben sollen, für Ihren Sohn zu sprechen", lädt der Vorsitzende Richter den Vater von Umut K. zur Zeugenaussage ein.

Zeugenaussage bringt den Vater an den Rand seiner Kräfte

Der Vater ist 52, graue Stoppelhaare, Arbeiter, ein einfacher und gradliniger Mann, der zeitlebens "für zwei" gearbeitet habe, um die große Familie zu versorgen, berichten Freunde. Kräftige Arme, die anpacken können, das sieht man. Aber diese Aussage vor Gericht übersteigt seine Kraft beinahe. Er ringt nach Worten, schildert die schulischen Erfolge seines Sohns, der am Ende das Abitur schaffte und Regionen der Bildung erreichte, die er nur noch bestaunen aber nicht mehr nachvollziehen konnte. Wie er sich durch Jobs – unter anderem bei Baxter – am Ende der Schulzeit selbst finanziert hat, wie ihn die Lehrer immer wieder lobend auf seinen Sohn angesprochen haben. Er hat diesen Sohn geliebt. Er verliert die Fassung, als er erzählt, wie Umut K. als Kind einmal neugierig gefragt habe, wie viele Kilometer es bis zum Himmel sind. Sekundenlang lastet Stille im Gerichtssaal. In den Zuschauerreihen wird Schluchzen laut.

Ein Moment, der auch die beiden Angeklagten nicht kalt lässt, die zehn Meter entfernt von der gegenüberliegenden Anklagebank aus zuhören. Ihre Köpfe laufen rot an, sie schaffen es kaum, den Vater anzusehen. "Ich habe die mir fast als Monster vorgestellt", erzählt ein früherer Lehrer des Getöteten, "und jetzt sitzen da zwei Bubis", ergänzt sein Stuhlnachbar. Jünglinge, die in ihrem Werdegang zwischen Italien, der gefühlten Heimat, und Deutschland, wo es Jobs gab, hin- und hergerissen waren. Schlechte Schulbildung, schlecht bezahlte Jobs.

Beide haben familiäre Beziehungen nach Sizilien, die kaltblütige Brutalität des Mords – das könnte Vermutungen zum Hintergrund der Tat auslösen. Laut Anklage soll es um 5000 Euro Schulden aus einem Drogenhandel gegangen sein, mit der Hinrichtung des Freundes des Schuldners sollte dieser zur Zahlung bewegt werden, allerdings wurde wohl der Falsche getroffen. Eine Erklärung für eine menschliche Tragödie, die in ihrer Trivialität unglaubwürdig klingt.

Am Mittwoch, 21. Juni, geht der Prozess vor dem Landgericht um 13.30 Uhr weiter. Dann haben die Angeklagten die Gelegenheit, ihre Sicht des Vorfalls an der Staig zu schildern.

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