"Stravinsky Reloaded" – die beiden Konzerte unter diesem Motto huldigten dem russischen Komponisten und seinen Zeitgenossen. Musiklehrer Wolfgang Nägele, Gymnasiast Julian Wipfler, die Schauspielerin Helene Grass, Klarinettist Raphael Schenke, die Geigerin Irina Simon-Renes und Pianist Kirill Zvegintsov begeisterten ihr Publikum restlos. Fotos: Stopper Foto: Schwarzwälder Bote

Klanglabor: Zwei Konzerte in Alter Synagoge berühren die Seelen der Zuhörer

Stravinsky – das klingt anstrengend, so mögen manche bei ihrer Wochenend-Planung gedacht haben. Und so waren die beiden Konzerte des Klanglabors in Hechingen mit jeweils etwa 80 Zuhörern nicht ausverkauft. Wer hier wegblieb, verpasste aber Musik, die die Seele direkt berührt.

Hechingen. Raphael Schenkel, in Jungingen aufgewachsener Klarinettist, der heute bei den Bremer Philharmonikern engagiert ist, aber zudem in weiteren Ensembles mitspielt, ist mit scheinbar unermüdlicher Energie dabei, Hechingen und Umgebung für die Klassik zu gewinnen.

Eine Woche hat er mit befreundeten Profimusikern im Hechinger Gymnasium mit den Schülern dort gearbeitet, ein Programm einstudiert, aber auch Gesprächsrunden geführt. Beispielsweise mit Siebtklässlern zum Thema "Aufbruch in die Moderne". Die Schüler hätten sich dabei geöffnet. Tief bewegend sei das auch für ihn und seine Musikerkollegen gewesen, berichtete er in seiner Ansprache zum Konzert am Samstag.

Denn zwei Konzerte unter dem Motto "Stravinsky Reloaded" am Freitag und am Samstag bildeten nun den Abschluss dieser Klassik-Woche. Am Freitag wurde gemeinsam mit den Gymnasiasten "die Geschichte vom Soldaten" aufgeführt. Der Samstag stand unter dem Motto: "Igor Stravinsky und seine Zeit".

Auch hier hatte ein Schüler einen Auftritt. Gemeinsam mit Wolfgang Nägele – noch so ein Musikenthusiast, der viel in Hechingen bewegt – spielte Julian Wipfler bewegend und unglaublich souverän auf dem Horn eine Romanze von Alexander Nikolajewitsch Skrijabin. Der 1915 gestorbene Musiker war ein Zeitgenosse von Igor Stravinsky, der von 1882 bis 1971 lebte.

Erst hämmernd und dann wieder filigran

Und diese Daten sind dann vielleicht auch etwas das Problem dieser Musik, jedenfalls für Klassik-Fans, bei denen diese Ära mit der Romantik endet. Zwölfton, Klangexperimente, Gegenwartsmusik – sicher gute Musik, aber eventuell sehr anstrengend – so eine Einschätzung, die dieser Abend in der Synagoge als grausames Vorurteil entlarvte.

Grausam, weil einem mit einer solchen Einstellung viel entgeht. So wurde von Stravinsky unter anderem eine Italienische Suite für Violine und Klavier gespielt, wunderbar interpretiert von Irina Simon Renes (Violine) und Irill Zvegintsov (Piano). Melodien, die aus einer alten Zeit zu stammen scheinen, durchgerüttelt von gelegentlichen Ausbrüchen, die neu klingen, mit einer Klavierbegleitung, die gelegentlich hämmernd und grob, dann wieder filigran gelegentlich wie Jazz klingt.

Bei der Rhapsodie für Klarinette und Klavier von Claude Debussy, einem älteren Freund von Stravinsky, war dann auch Organisator Raphael Schenkel auf der Bühne. Das Trio schenkte dem Publikum ein Klangerlebnis, das sicher nicht nur Klassikfans in Verzückung versetzte. Welche Klasse Raphael Schenkel als Klarinettist mittlerweile hat, wurde dann bei Solostücken von Stravinsky "für Picasso" deutlich. Er schaffte es, diese komplexen, fragmentierten Einzelteile zu einem wunderbaren Musikpuzzle zusammenzusetzen.

Einen wesentlichen Beitrag zum eindrucksvollen Abend leistete auch die Schauspielerin Helene Grass, die zwischen den Stücken Briefe und Notizen von und an Stravinsky vorlas, und mühelos das Publikum gefangen nahm.

Für Stravinsky-Fans war dieser Abend ein Fest, für Leute, die den Komponisten nicht auf dem Schirm hatten, war es ein Erweckungserlebnis. Das zeigte der lange, enthusiastische Beifall.