Bürgerentscheid: "Unechte Teilortswahl" und Abstimmungsverfahren im Überblick
Die Hechinger dürfen am Sonntag nicht nur die nächste Bundesregierung wählen. In einem Bürgerentscheid über die "unechte Teilortswahl" stimmen sie auch darüber ab, wie in Hechingen Gemeinderäte gewählt werden.
Das Thema ist allerdings recht kompliziert. In einem kleinen Wahlkampf sind in den vergangenen Wochen durch eine von Ortschaftsratvertretern getragene Gruppe einerseits und eine überwiegend aus Stadträten bestehende Gruppe andererseits die Argumente dargelegt worden. Darüber wurde auch in unserer Zeitung berichtet. Hier noch einmal eine stark geraffte Zusammenfassung:
n Um was geht es nicht?
Nicht zur Debatte steht die selbstständige Stadtteilverwaltung durch Ortschaftsräte und Ortsvorsteher. Es gibt derzeit niemand, der daran rütteln will.
n Um was geht es?
Die Hechinger haben beim Bürgerentscheid die Wahl zwischen zwei unterschiedliche Systemen, nach denen aus dem Ergebnis von Gemeinderatswahlen die Stadträte ermittelt werden. Der Hechinger Gemeinderat hat vor etwa einem Jahr das früher geltende System der "unechten Teilortswahl" zu Gunsten eines echten Mehrheitssystems abgeschafft. Durch den Bürgerentscheid soll das nun rückgängig gemacht werden.
n Wenn der Bürgerentscheid scheitert:
Dann gilt ein reines Mehrheitssystem: Die 24 Kandidaten mit den meisten Stimmen werden Stadträte. Weitere Regeln gibt es nicht. Für dieses System hat sich im November 2020 eine große Mehrheit des aktuellen Hechinger Gemeinderats ausgesprochen und die "unechten Teilortswahl" abgeschafft.
n Wenn der Bürgerentscheid Erfolg hat:
Dann gilt weiterhin die unechte "Teilortswahl". Für die Beibehaltung dieses Systems hat sich der Großteil der Ortschaftsräte ausgesprochen und die Initiative ergriffen, die am Ende zu Bürgerentscheid führte. Vor Jahrzehnten wurde die "unechte Teilortswahl" eingeführt. Grund war, nach der Eingemeindungen der bis dahin als Kommunen selbstständigen Siedlungen um Hechingen diesen eine bestimmte Anzahl Sitze im Rat zu garantieren, egal wie das Ergebnis der Gemeinderatswahl ausfällt.
n Warum "unecht"?
"Unecht" drückt aus, dass eben nicht nur Teilortsbewohner "ihre" Teilortskandidaten wählen, sondern alle Hechinger stimmen über sämtliche Kandidaten ab. Es kann also durchaus sein, dass ein Stadtrat aus einem Ortsteil gewählt wird, obwohl er die meisten Stimmen von Kernstadt-Einwohnern erhalten hat.
n Nachteile der "unechten Teilortswahl":
Das System der Unechten Teilortswahl gilt als kompliziert, was durch viele ungültige Wahlzettel belegt wird. So darf für die meisten Ortsteile nur ein Listen-Kandidat angekreuzt werden, auch wenn ein Wähler gerne zwei Kandidaten aus diesem Ortsteil im Gremium hätte. Das System verstößt auch gegen das Prinzip, dass alle Wählerstimmen gleich zählen. Ein Kernstadt-Kandidat kann leer ausgehen, auch wenn der doppelt so viele Stimmen hat wie ein Stadtteil-Kandidat, der ins Gremium einzieht.
Damit auch das Zahlen-Verhältnis zwischen den Listen-Fraktionen im künftigen Gemeinderat dem Wahlergebnis entspricht, müssen Ausgleichsmandate vergeben werden. Die Zahl der Gemeinderäte steigt damit über die vorgesehene Zahl.
n Vorteile der "unechten Teilortswahl"
Vor allem Ortschaftsratvertreter sind überzeugt, dass nur ein "eigener" Stadtrat einer Ortschaft deren Interessen im Gemeinderat zuverlässig vertritt. Eine spezielle Vertretung von Ortsteilinteressen sieht dieses Mandat allerdings nicht vor. Stadträte sind nur dem Wohl der Gesamtstadt (Kernstadt und Stadtteile) verpflichtet. Ortsteilvertreter verweisen auch auf den Informationsfluss, der ihnen durch den "eigenen" Stadtrat garantiert scheint. Informationen aus nichtöffentlichen Sitzungen dürfen Stadträte aber auch an die Ortschaftsvertreter nicht weitergeben.
n Bürgerentscheid: Die Frage: Vor allem aus dem Umfeld der Ortschaftsräte bildete sich eine Protestbewegung gegen die Abschaffung der Unechten Teilortswahl. Im März wurden der Stadt 2434 Unterschriften übergeben, die einen Bürgerentscheid über die unechte Teilortswahl unterstützen. Der Gemeinderat stimmte zu. Die Frage, über die abgestimmt wird, lautet: "Sind Sie dafür, dass auch zukünftig alle Teilorte von Hechingen entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil im Gemeinderat nach §27 Absatz 2 GmO vertreten sind und alle dem widersprechenden Beschlüsse des Gemeinderats aufgehoben werden?"
n Was heißt das?
Wer auf dem Wahlzettel ein "Ja" ankreuzt, spricht sich für die Rückkehr zur Unechten Teilortswahl aus und damit gegen den Gemeinderatsentscheid. Wer "Nein" ankreuzt, unterstützt die beschlossene Abschaffung der "unechten Teilortswahl".
n Wie wird entschieden?
Für den Erfolg des Bürgerentscheids reicht es nicht, dass mehr als 50 Prozent der abgegebenen Stimmzettel ein "JA" tragen. Die Ja-Stimmen müssen auch mindestens 20 Prozent der überhaupt möglichen Stimmen darstellen. Stand 16. September gab es in Hechingen 15 303 Stimmberechtigte für den Bürgerentscheid (EU-Bürger, die mindestens 16 Jahre alt sind). 20 Prozent davon sind 3061 Stimmen.