Wer einen guten Platz will, sollte früh dran sein. Aber auch aus den hinteren Reihen ist das Bild gut zu erkennen. Die Toilette befindet sich nicht weit entfernt am angrenzenden Campingplatz. Foto: Frey

Schwabo-Reporter testet Attraktion in Hechingen. Hält die Autobatterie bis zum Schluss?

Hechingen - Autokinos sind tot – von wegen. Die Corona-Pandemie beschert dem Outdoor-Kino ein Comeback. Wie ist es, einen Film vom Auto aus anzuschauen? Ein Besuch im Hechinger Autokino zeigt: Wer sich in Corona-Zeiten nach Kinoflair sehnt, ist hier gut aufgehoben.

Decke und Kopfkissen sind eingepackt, Jeans gegen Jogginghose getauscht. Es kann losgehen. Zusammen mit meiner Frau mache ich mich auf den Weg zum Hechinger Autokino. Es ist für uns beide das erste Mal, vom Auto aus einen Kinofilm zu sehen. Das hängt vor allem auch damit zusammen, dass Autokinos sehr selten geworden sind.

Vor Corona gab es in Deutschland nur 18 Autokinos

Die ersten Autokinos sind in den 1930er-Jahren in den USA entstanden. Dort erreichten sie in den 1950er- und 1960er-Jahren Kultstatus und verbreiteten sich auch nach Europa und Deutschland. Mit der Verbreitung des Fernsehers nahm ihre Zahl allerdings wieder ab. Vor Corona gab es in Deutschland nur noch 18 Stück. Das hat sich durch die Pandemie geändert. Laut Angaben der Bundesnetzagentur gibt es derzeit so viele Anträge auf die Erteilung von Radiofrequenzen für Autokinos wie noch nie zuvor.

Video vom Auftakt des Hechinger Autokinos:

Eine halbe Stunde vor Filmbeginn finden wir uns am Weiherplatz ein. Der Andrang ist groß: Über 100 Autos stehen bereits in mehreren Reihen vor der großen Leinwand. Tickets werden vorab Online geordert. Preis: Elf Euro pro Person. Maximal zwei Personen pro Fahrzeug. Ausnahme: Eigene Kinder bis 14 Jahren können kostenlos auf der Rückbank zuschauen – die Sicht ist laut Veranstalter aber deutlich eingeschränkt. Die Tickets bekommt man per Mail und hält sie anschließend ausgedruckt oder per Smartphone an die Autoscheibe, damit sie vom Mitarbeiter am Einlass gescannt werden können.

Wer früher kommt, sieht besser auf die Leinwand

Als wir auf das Gelände fahren, werden wir von einem Mitarbeiter an unseren Platz gewiesen. Da der Platz schon relativ voll ist, stehen wir etwas weiter hinten. Tipp also für alle, die gerne in den vorderen Reihen stehen wollen: Früh kommen – die Plätze werden nach Ankunftszeit von vorne aufgefüllt.

Da mein etwas älteres Auto in der Vergangenheit schon Probleme mit der Batterie hatte, frage ich nach einem Kofferradio. Zwei davon stehen zum Leihen zur Verfügung – für den Fall, dass das Auto während der Vorstellung schon schlapp macht oder das Autoradio defekt ist. Da wir aber das volle Autokino-Erlebnis haben möchten, wagen wir es und lassen das Autoradio während des ganzen Films laufen. Falls man nach der Vorstellung Probleme mit dem Starten hat, muss man nicht direkt den ADAC rufen, sondern der PS-Sport Hechingen unterstützt die Veranstaltung mit Starthilfegeräten.

Schriftzug "Autokino" leuchtet im Display auf

Vor Filmbeginn fällt auf: Manche Autos haben Probleme, ihre Beleuchtung auszuschalten. Während der Film läuft, würde das die anderen Zuschauer stören. Aus diesem Grund bedecken die Mitarbeiter die störenden Lichtquellen. Wer weiß, dass sein Auto in dieser Hinsicht Probleme macht, kann es aber auch selbst vor Ort verdecken.

Kurz bevor es losgeht, wird die richtige Frequenz auf der Leinwand angezeigt. Der automatische Suchlauf im Autoradio findet die Frequenz ohne Probleme. Der Schriftzug "Autokino" leuchte im Display auf – ein gutes Zeichen. Was direkt angenehm auffällt: Die Lautstärke kann im Vergleich zum normalen Kino perfekt auf die eigenen Bedürfnisse angepasst werden. Auch während dem Film lässt sie sich selbstverständlich jederzeit ändern. Noch mal kurz auf Toilette – das WC ist nur wenige Meter entfernt. Ein freundlicher Mitarbeiter am Projektor-Häuschen zeigt mir den Weg.

Wieder zurück im Auto leuchtet die Leinwand hell auf und der Werbeblock beginnt – ganz wie im richtigen Kino. Auch das Popcorn darf für ein richtiges Kinoerlebnis natürlich nicht fehlen. Mit Kino-Snacks kann man sich jeden Abend 90 Minuten vor Filmbeginn im Kiosk im Foyer der Schwanen Kinos in der Bahnhofstraße 6 eindecken.

Unterhalten wie im heimischen Wohnzimmer

Im ersten Moment ist es erstmal ungewohnt, im Auto zu sitzen und einen Film zu sehen, aber mit der Zeit vergisst man das völlig und kann die zahlreichen Vorzüge des Autokinos genießen. Was sehr angenehm ist: Man hat völlige Privatsphäre und kann sich wie auf der heimischen Couch jederzeit normal unterhalten, kuscheln oder laut lachen – ohne jemand anderen beim Filmgenuss zu stören. Wer nach dem Film noch romantisch im Auto verweilen möchte, kann dies auf dem Parkplatz ohne Probleme tun.

Der Veranstalter rät auf seiner Webseite, warme Decken mitzunehmen – für den Fall, dass es nachts kalt wird. Unser Auto ist vom Tag allerdings noch so aufgewärmt, dass uns eher zu warm ist. Im Autokino kein Problem: Einfach die Tür kurz öffnen – Frischluftfanatiker freuen sich über diese Möglichkeit.

Gefühl tut in Corona-Zeiten richtig gut

Nachdem der Abspann von "A Star Is Born" über die Leinwand läuft, ist es Zeit, aufzubrechen. Immerhin ist es schon fast Mitternacht. Erfreulich: Die Autobatterie hat gehalten, das Auto startet wie gewohnt. Unterm Strich war es ein gelungener Abend. Trotz aller vermeintlichen Ähnlichkeiten zur heimischen Couch fühlt es sich dennoch vollkommen anders an: Man verlässt wieder das Haus und hat das Gefühl, unter Leuten zu sein.

Ein Gefühl, das in Corona-Zeiten richtig gut tut.